Unterwössen. Die Gemeinde Unterwössen steht vor wichtigen Entscheidungen im Rahmen des Breitbandausbaus. Der regionale Anbieter AVACOMM verpflichtet sich, den Breitbandausbau des Glasfasernetzes eigenwirtschaftlich durchzuführen. Doch nach wie vor steckt die Gemeinde Unterwössen im Breitbandförderprogramm des Bundes, dem Ursprungsverfahren zum Breitbandausbau in der Gemeinde. Der Gemeinderat entschied in seiner jüngsten Sitzung, wie mit der Situation umzugehen ist.
Geschäftsleiter Thomas Müllinger stellte den Sachverhalt dem Gemeinderat vor. Begonnen hat alles im Breitbandförderprogramm. Die Gemeinde Unterwössen fand im dazu erforderlichen Markterkundungsverfahren heraus, welche Gebiete in Unterwössen unterversorgt sind und ob es bereits Pläne von Telekommunikationsunternehmen gibt, diese Gebiete eigenwirtschaftlich auszubauen. Noch im dritten Quartal 2023 schloss das Markterkundungsverfahren ab. Die Gemeinde stellte den Förderantrag auf Breitbandförderung und erhielt inzwischen den Förderbescheid. Das sich anschließende Auswahlverfahren, festzulegen, mit welchem Anbieter der Breitbandausbau betrieben werden soll, müsste nach den Vorschriften des Breitbandförderprogramms in Unterwössen in diesem September beginnen. Bisher hat die Gemeinde das Auswahlverfahren nicht gestartet.
Der Grund dafür: Am Ende des Markterkundungsverfahrens trat der regionale Glasfaseranbieter und Netzbetreiber AVACOMM, Holzkirchen, an die sieben Gemeinden Übersee, Grassau, Marquartstein, Staudach-Egerndach, Unterwössen, Schleching und Reit im Winkl heran. Die AVACOMM plant, in diesen Gemeindegebieten ein neues Glasfasernetz eigenwirtschaftlich zu errichten, Bürger, Unternehmen und Institutionen mit Glasfaser bis ins Haus zu versorgen. „Eigenwirtschaftlich“ bedeutet, dass das Unternehmen den Ausbau auf eigene Rechnung übernimmt. Daraufhin schloss die Gemeinde Unterwössen zusammen mit den anderen Gemeinden im Dezember 2023 einen Kooperationsvertrag mit der AVACOMM zum eigenwirtschaftlichen Ausbau des Glasfasernetzes von rund 250 Trassenkilometern und über 7500 Gebäuden im gesamten Gebiet. Bei entsprechender Nachfrage könnten weitere 1200 Gebäude eigenwirtschaftlich erschlossen werden, ohne die Finanzen der Gemeinden zu belasten. AVACOMM will den Ausbau im Norden beginnen und sukzessive bis in den Süden fortsetzen.
Weil sich der Zeitplan der AVACOMM bereits in den Nordgemeinden verschob, beschloss der Unterwössner Gemeinderat Anfang Juli, den Vorvermarktungszeitraum für die Firma AVACOMM für Unterwössen zu verlängern. Der Vorvermarktungszeitraum ist die Phase vor dem eigentlichen Ausbaubeginn, in der das Unternehmen versucht, möglichst viele Bürger und Unternehmen für den Anschluss an das neue Netz zu gewinnen. Das hat erheblichen Einfluss auf Ausbaukosten, Finanzierung und Förderung.
In der gleichen Sitzung beschloss der Gemeinderat, beim beauftragten Projektträger des Breitbandausbaus, der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Firma PricewaterhouseCoopers, das ursprünglich für September vorgesehene Auswahlverfahren auf August 2026 zu verschieben.
Die Gemeinde Unterwössen möchte sich die Tür aufhalten, im Falle einer geringen Vermarktungsquote für den Restausbau Fördermittel abzurufen, sieht es die Unterwössner Verwaltung mit Geschäftsleiter Müllinger. Immerhin bleibt im gesamten Ausbaugebiet nach der ersten Stufe noch die Nachfrage für die Erschließung weiterer 1200 Gebäude (siehe oben).
Diese Verschiebung des Auswahlverfahrens nach dem Breitbandprogramm lehnte die Förderstelle ab. Was bleibt? Aktiv auf Fördermittel zu verzichten? Das strebt die Verwaltung nicht an. So bleiben zwei Optionen: Unterwössen könnte das Auswahlverfahren nach dem Programm im September starten, beschreibt es Thomas Müllinger. Für den rechtzeitigen Start des Auswahlverfahrens müssten kurzfristig fristgerechte Beschlüsse in den Gremien gefasst werden und die Breitbandberatung Bayern GmbH noch im Juli/August 2024 für das Auswahlverfahren beauftragt werden. Das Auswahlverfahren würde also beginnen, obwohl der derzeitige Zeitplan der Firma AVACOMM das Ergebnis der Vorvermarktung erst in den Jahren 2024 bis 2026 kennt.
Das bringe die Gefahr, dass vor dem Hintergrund der speziellen Situation im Auswahlverfahren überhaupt kein Angebot eines Netzanbieters eingeht. Wenn, dann würden die Netzanbieter wegen der vielen Unwägbarkeiten mit hohen Preisen verhandeln. Die anteiligen Kosten der Gemeinden für den Netzausbau wären hoch.
Deshalb schlägt die Verwaltung vor, das Förderverfahren mit dem Förderbescheid im Stand-by-Modus zu halten und das Auswahlverfahren nicht zu starten.
Diesem Vorschlag folgt der Gemeinderat einstimmig. Er beschließt das Auswahlverfahren im September nicht zu starten, mit Blick auf den Förderbescheid nichts zu unternehmen und den erst auf Aufforderung zurückzugeben. Ein neuer Förderbescheid soll nicht vor 2025/2026 beantragt werden. Der erfordert dann einen neuen Branchendialog und eine neue Markterkundung. Die dafür notwendigen Beratungskosten betragen nach dem jetzigen Sachstand 50.000 Euro und könnten mit der Förderstelle abgerechnet werden.