Mit ihrem Infoabend zu Klimaneutralität im Altbau stieß das Ökomodell Achental auf starke Resonanz. Der zweite Vorsitzende (von rechts) Andreas Scheck führte in den Abend ein. Martin Kollmeier, Wolfgang Sojer und Timo Kleinschroth hatten allzeit Antwort auf die vielen Fragen.
Unterwössen. Die Herausforderungen des Klimawandels entwickeln sich für manche Haus- und Hausmiteigentümer vor dem Hintergrund überschlagender Meinungen, Meldungen und Nachrichten zu einem Schreckgespenst. Mit Vorurteilen und Schreckgespenster aufzuräumen, das habe sich das Ökomodell Achental mit diesem Abend vorgenommen, so dessen zweiter Vorsitzende Achental, Andreas Scheck, in der Begrüßung. Gut 100 Interessierte kamen in die Achentalhalle: ein aufmerksames, hoch interessiertes Publikum.
Den zentralen Vortrag des Abends hielt Diplomingenieur Wolfgang Sojer. Mit gebündeltem Fachwissen und anschaulichen Beispielen stützten die Innungsmeister Heizung/Sanitär und Zimmerei, Timo Kleinschroth und Martin Kollmeier, dessen Darstellungen.
Die Quintessenz des Abends sah dann so aus. Jedes Objekt ist anders. Einen einzigen Weg gibt es nicht. Es muss nicht alles gleichzeitig geschehen. Es empfehlen sich die Schritte vor allem dann, wenn ohnehin ein Gebäudeteil zur Sanierung ansteht. Wenn saniert wird, dann richtig, um Förderung zu erhalten, Umweltstandards zu erreichen und den Gebäudewert zu erhalten.
Architekt und Dipl.-Ing. Wolfgang Sojer ist seit 2000 als Energieberater tätig. Er gründete 2014 das Unternehmen „Sojer – Energetische Gebäudeoptimierung“. Der Referent zählt in Deutschland etwa 19,4 Millionen Wohngebäude, darunter 3,2 Millionen Mehrfamilienhäuser sowie 13 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser. Gerade für die gelte, der Hauseigentümer hat deren Schicksal selbst in der Hand. Ein Großteil der Wohnungen stamme aus der Zeit vor der ersten Wärmeschutzverordnung von 1977. „Es ist eine enorme Aufgabe, diese Gebäude fit für die Klimaneutralität zu machen“, erklärte Wolfgang Sojer.
Die aktuelle Sanierungsquote liegt bei 0,83 Prozent und wird voraussichtlich auf 0,7 Prozent im Jahr 2024 sinken. „Wenn wir die Klimaziele bis 2045 erreichen wollen, müssten wir eine Sanierungsquote von mindestens zwei bis drei Prozent erreichen“, nimmt Sojer an. Dies entspricht etwa 200.000 bis 300.000 Wohneinheiten pro Jahr.
Derzeit gibt es in Deutschland rund 19 Millionen Heizungen, die fossile Energieträger nutzen. Um bis 2045 klimaneutral zu werden, müssten jährlich etwa 950.000 dieser Heizungen ausgetauscht werden. Gerade erst, im Jahr 2023 wurden 1,3 Millionen neue Heizungen installiert, davon 356.000 mit Wärmepumpen und 903.000 fossil betrieben. Sojer warnt: „Wer in diesem Fall erneut auf fossile Energie setzt, wird sich noch umschauen.“ Deutschland und Europa setzen im Emissionshandel auf eine gesetzlich vorgesehene Verteuerung des CO₂-Preises. Die Kosten für fossile Energieträger wie Erdgas, Benzin und Diesel steigen deshalb. Sojer schätzt, dass sich zum Beispiel das Heizöl innerhalb der nächsten drei Jahre um 40 Cent pro Liter Heizöl verteuert.
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) 2024 schreibe vor, dass bei Sanierungen bestimmte Werte der Wärmedämmung erreicht werden sollten. Die Förderungen durch das Bundesamt für Wirtschaft und die KfW-Bank sind an bestimmte Wärmedämmwerte gebunden und können bis zu 70 Prozent der Kosten decken, abhängig von Einkommen und Art der Heizung. Vorsorglich rät Sojer aber nur mit der Basisförderung von 30 Prozent zu rechnen.
Sojer setzt sich mit den verschiedenen Heizsysteme auseinander. „Wärmepumpen sind auch in Bestandsgebäuden möglich, wenn sie richtig ausgelegt und dimensioniert sind“, erklärte er. Entscheidend sei dabei vor allem die Vorlauftemperatur, also die Temperatur, mit der die Heizungsanlage das Heizwasser in das System speist. Während moderne, gut gedämmte Gebäude mit niedrigen Vorlauftemperaturen von 35 bis 40 Grad Celsius arbeiten, benötigen ältere, unsanierte Gebäude häufig Temperaturen über 55 Grad. „Das ist die Grenze, ab der Wärmepumpen wirtschaftlich betrieben werden können“, erklärte Sojer.
Bei unsanierten Gebäuden bleibt daher in der kalten Jahreszeit nur der Einsatz von Biomasseheizungen, wie Pellets oder Hackschnitzel. „Aber auch hier gibt es Herausforderungen, wie den Feinstaubausstoß und den CO₂-Ausstoß, der nur dann vertretbar ist, wenn die Biomasse aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung stammt“, so Sojer.
So empfiehlt Sojer eine nachhaltige Sanierung. Neben dem Heizungstausch ist die Dämmung der Gebäudehülle eine der effektivsten Maßnahmen, um den Energieverbrauch zu senken. „Diese Maßnahmen amortisieren sich oft erst nach 20 bis 30 Jahren, aber sie tragen langfristig zur Reduzierung der Heizkosten bei“, so der Energieberater.
Eine vollständige Sanierung, inklusive der Dämmung von Wänden und Fenstern, könne in einem Einfamilienhaus schnell über 70.000 Euro kosten, rechnete Sojer vor. Doch auch hier gebe es Förderungen, die bis zu 20 Prozent der Investitionskosten abdecken können. „Es lohnt sich langfristig, in die Gebäudehülle zu investieren, denn sie bestimmt maßgeblich den Energieverbrauch.“
Dass und welche Maßnahmen sich dabei für den Altbestand lohnen, das zeigten die beiden Innungsmeister Martin Kollmeier und Timo Kleinschroth mit verschiedenen Beispielen auf. Sie hatten jederzeit eine Antwort in der langen Fragerunde, die vor allem eines aufzeigte. Jedes Bestandsgebäude ist ein Einzelfall, der seine individuellen Lösungen braucht. Diese Lösung zu finden, braucht es den Fachmann und den individuellen Sanierungsplan.