Unterwössen - Dunkelheit liegt über dem großen Spielplatz an der Taubenseestraße, als sich am Montagabend der Martinsritt in Oberwössen formiert. Das Wetter ist trocken, die Temperaturen kühl, aber nicht kalt. Kinder halten ihre Laternen, das Licht tanzt auf den Gesichtern. An der Spitze steht ein mächtiger weißer Schimmel. Auf seinem Rücken sitzt die junge Reiterin Eva Aigner aus Kössen. Sie spielt den Heiligen Martin. Hinter ihr tragen Ministranten einen leuchtenden Stern. Der Zug zieht los - über die Taubenseestraße, weiter über den Gries in Richtung Hinterwössen.
Entlang der Strecke haben viele Anwohner kleine, flackernde Kerzen an den Zäunen und auf den Gehsteigen aufgestellt. Ihr Licht weist den Weg. Eltern begleiten ihre Kinder, manche tragen Laternen, andere fotografieren. Der Marsch im Dunkeln wird zu einem stillen Erlebnis, doch dann erklingt wieder ein Martins- oder Laternenlied.
Am Dorfplatz in Hinterwössen wartet bereits die Jugendkapelle Unterwössen. Zehn junge Musikanten spielen unter Leitung von Musikschullehrer Benedikt Paul. „Wir feiern heut’ St. Martin“, klingt es über den Platz. Für drei der Musikanten ist es der erste Auftritt mit der Kapelle. Sie kamen im vergangenen Jahr aus der Bläserklasse und sind jetzt fester Teil des Ensembles.
Pfarrer Martin Straßer begrüßt die vielen Besucher. Er erinnert an den Heiligen Martin, „der wohl auch auf einem so prächtigen Pferd unterwegs war und eine große Tat vollbrachte, weil er ein weites, großes Herz hatte“. Während er spricht, wiehert das Ross laut und beweist mit der Resonanz des mächtigen Körpers seine Imposanz. Der Schimmel Leo, im Besitz von Monika Eigner, scharrt mit den Hufen. Seine junge Reiterin bleibt ruhig im Sattel. Erst spät tritt jemand hinzu, das Ross zu führen. In Oberwössen übernehmen Jugendliche die Rollen der Martinsgeschichte: Simon Greimel spielt den frierenden Bettler, Helena Bauhofer liest die Geschichte, Eva Aigner reitet als St. Martin auf Leo.
Am Feuer vor der Kapelle sitzt der Bettler. Er zieht sein dünnes Gewand enger um sich, der Schein der Flammen tanzt über sein Gesicht. Dann liest Helena Bauhofer die Martinsgeschichte. Zwischen den kurzen Kapiteln spielt die Jugendkapelle das Lied „Ich geh mit meiner Laterne“. Es ist still. Kinder und Erwachsene sehen zu, wie St. Martin seinen Mantel teilt und dem Bettler ein Stück Brot gibt.
Nach dem Spiel spricht Pfarrer Straßer ein Gebet. Er segnet die Loaben und ruft auf, sie zu teilen: „Teilt euch die Brote zu zweit.“
Am Ende dankt er allen Helfern: der Feuerwehr, die den Zug absicherte und danach die Kerzenlichter löschte, der Kuratie für die gespendeten Loaben, Barthl Irlinger, der mit seiner Spende den Auftritt des Pferdes ermöglichte, der Familie Greimel für den geschmückten Dorfplatz mit dem Feuer sowie dem Pfarrgemeinderat mit Claudia Bauer und ihren Helfern.