Ich gebe zu, dass ich mit dem vorweihnachtlichen Aufwand, der allerorten betrieben wird, eigentlich nie allzu viel anfangen konnte.
In meiner vormaligen beruflichen Betätigung als Handwerksmeister war diese Zeit auch nie eine „staade“ oder ruhige Zeit“. Ganz im Gegenteil, alle Arbeiten sollten zwingend bis Weihnachten abgeschlossen sein, als ob nach Weihnachten der Weltuntergang bevorstehen würde.
Vor dem Heiligen Abend wurde es dann privat meistens noch sehr hektisch, weil man noch schnell auf den letzten Drücker ein Geschenk organisieren wollte. Ich erinnere mich, dass ich meistens froh war, wenn das Ganze dann wieder vorbei war. Wie sagt Karl Valentin? „Wenn die staade Zeit vorüber ist, wird's auch wieder ruhiger."
Heute ist es mir vergönnt, meine Enkelkinder dabei zu beobachten, wie sie diese Zeit erleben. Sie gestalten die Wochen bis Weihnachten in ihrer ganz eigenen und innigen Art. Die Kinder spüren einen besonderen Zauber. Ihr Spiel, ihre Handlungen erhalten einen rituellen Charakter.
Wenn sie stolz ihren „Geheimplatz“ beim Moos behaupten, beim Aufstellen des Kripperls mit großer Ernsthaftigkeit jedes Detail beachten, wenn sie daheim hier noch ein Licht und da noch einen Zweig oder Strohstern platzieren, dann hat das nichts mit Deko-Versessenheit zu tun, sondern ist Ausdruck ihrer Freude und inneren Erlebens.
Es rührt mich, wenn die großen, aufgeklärten Geschwister auch noch einen Wunschzettel vor die Tür legen, um den Kleinen den Glauben an das Christkind zu lassen.
An manchen Tagen ziehen sich die Kinder sogar bewusst in die Dunkelheit zurück und machen schon am Spätnachmittag die Vorhänge zu. Dann verlieren sie sich im Spiel und nehmen sich Zeit für Dinge, die im Sommer zu kurz gekommen sind.
Es ist eine Freude, das alles zu beobachten. Die Kinder machen uns vor, was wir in den Jahren unseres Erwachsenseins oft verlernt haben: sie tauchen mühelos in andere Sphären ab und nehmen den Zauber dieser besonderen Zeit in ihr alltägliches Erleben mit hinein.
Vielleicht sollten wir vermeintlich Klugen, wir gebildeten Erwachsenen uns das ein wenig von ihnen abschauen.
Und noch etwas: die kindliche Vorfreude ist ansteckend. Ich ertappe mich zum Beispiel immer öfter dabei, dass ich die – stets von mir verachteten Weihnachstsschnulzen gar nicht mehr so schlimm finde. Ich kann mich auch vermehrt der Hektik verschließen und – zumindest ein wenig – die „staade Zeit“ wirklich als solche genießen. Das habe ich von den Kindern gelernt.
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches, vor allem aber ein gesundes neues Jahr 2026.