Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Gedanken zum Wochenende stammen diesmal von Matthias Kraft von der Evangelischen Kirchengemeinde Brensbach. Wir vier Kirchengemeinden in Brensbach wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.
Liebe Leserinnen und Leser,
wir sehen uns, zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, einem halben Jahr nach dem Angriff der Hamas gegen Israel, und dem seither wachsenden Konflikt im Nahen Osten in einer von Polarisierung, Misstrauen und Gewalt geschundenen Welt. Viele dieser Konflikte nehmen ihren Anfang in der Art, wie wir denken und sprechen. Im Jakobusbrief heißt es:
„Siehe, auch die Schiffe, obwohl sie so groß sind und von starken Winden getrieben werden, werden sie doch gelenkt mit einem kleinen Ruder, wohin der will, der es führt. So ist auch die Zunge ein kleines Glied und rechnet sich große Dinge zu. Siehe, ein kleines Feuer, welch einen Wald zündet’s an.“
Die Sprache ist die erste Waffe des Menschen. Beleidigungen und abwertende Worte kommen aus Gedanken und verschieben die Normen der Sprache und des menschlichen Miteinanders. Wir erleben es in den letzten Jahren. Aus Gewalt der Worte wird Gewalt der Taten. Wir erleben dies aktuell in unserer Gesellschaft, in der Politik, bei Demonstrationen und weltweit im politischen Miteinander. Die Polarisierung und das gegenseitige Misstrauen wird von extremen Gruppen befeuert, auf besonders gefährliche Weise aus dem politisch rechten Lager, aber auch von Teilen. Dies ist nicht nur ein Problem der Politik, es ist auch in der Schule und im Beruf zunehmend ein Problem. Wohin steuert uns die Zunge?
Mit der Verrohung der Sprache steht nicht mehr und nicht weniger auf dem Spiel, als die Menschlichkeit selbst. In einer Zeit, in der manche Worte aus der dunkelsten deutschen Vergangenheit wieder salonfähig gemacht werden, gilt es wachsam zu sein. Die Synode des evangelischen Dekanates Vorderer Odenwald hat deshalb bei ihrer Tagung in Brensbach am 23. Februar eine Resolution für Menschenwürde, Demokratie und Vielfalt verabschiedet.
Diese Werte auf friedliche Weise zu schützen, durch die Art, wie wir sprechen und handeln, ist eine gesellschaftliche Aufgabe und damit auch eine Aufgabe für Christinnen und Christen.
Daher gilt: Fremdenfeindlichkeit, Judenhass, Hetze gegen Andere aus religiösen oder nationalistischen Gründen ist mit dem Menschenbild, dass die Bibel vermittelt nicht vereinbar.
Die Schoa-Überlebende Margot Friedländer fasst den Auftrag, den wir als Gesellschaft, und damit auch als Evangelische Kirche haben, in einen einfachen Satz: „Ihr habt es in der Hand, dass es nie wieder geschieht. Wenn Menschen nicht als Menschen anerkannt werden, dürfen wir nicht weggucken.“ Darum sagt sie: „Es gibt kein jüdisches, kein muslimisches, kein christliches Blut. Es gibt nur menschliches Blut. Seid Menschen.“
Das bedeutet vom Glauben her mit Blick auf Gott positiv gesagt: Wer für die Ehre und das Recht eines Menschen eintritt, der ehrt den Schöpfer.
Das Eintreten für Gerechtigkeit für Menschlichkeit muss für uns daher ein zentrales Anliegen sein.
Dazu gehört, um das Ruder herumzureißen, eine positive und wertschätzende Sprache. Eine Sprache, die zum miteinander reden einlädt, die Unterschiede und Kritik benennt, ohne dabei Menschen zu diskreditieren, sondern die darum wirbt, die Sicht der anderen, deren Verletzungen und Sorgen zu sehen.
Damit uns dies gelingt, brauchen wir Hoffnungsbilder, die über unsere Wirklichkeit und unsere Erfahrungen hinausreichen. Dazu gehört zum Beispiel die Vision des Propheten Jesaja, der davon spricht, dass Gott selbst sein Reich aufrichtet und Gerechtigkeit schafft:
„Gott selbst schlichtet den Streit zwischen den Völkern, und den vielen Nationen spricht er Recht. Dann schmieden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen um und ihre Speere zu Winzermessern. Kein Volk wird mehr das andere angreifen; niemand lernt mehr, Krieg zu führen.“
Diese Hoffnung wach zu halten, die momentan so fern scheint wie seit Jahrzehnten nicht mehr, ist Aufgabe für alle, die den Worten der Bibel Wahrheit und Wirkung zutrauen. Dafür zu beten ist etwas wirkmächtiges, weil es unseren Horizon über unser Denken hinaus öffnen kann und Gottes Handeln in unsere Welt hineinfleht. Darum haben wir in unseren Kirchen und Häusern um Frieden zu beten, zum Beispiel für die Menschen in der Ukraine und in Russland, für die Menschen in Israel und Palästina, für die zivilen Opfer auf beiden Seiten der Konflikte und sogar für die Täter, konkret für Putin und sein Regime, für die Hamas und für die radikalen jüdischen Siedler, die den Konflikt jeweils auf ihrer Seite befeuern. Es ist im Kern ein Gebet um mehr Menschlichkeit. Das ist die eigentliche Herausforderung im Gebet für den Frieden.