Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Gedanken zum Wochenende stammen diesmal von Cyrille Tchamda von der Freien Christengemeinde. Wir vier Kirchengemeinden in Brensbach wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.
Die Jahreslosung 2023 lautet "Du bist ein Gott, der mich sieht" (1. Mose 16,13).
Die Flucht
Trotz der Verheißung vieler Nachkommen wird Abrams Frau Sarai nicht schwanger. Sarai versucht nachzuhelfen und bittet Abram, mit ihrer Magd Hagar ein Kind zu zeugen. Das war damals nicht so ungewöhnlich, wie es uns heute erscheint: "Die Zweitehe zum Erhalt der Familie ist rechtlich ein übliches Verfahren".
Nachdem Hagar schwanger geworden ist, kommt es zum Konflikt zwischen den beiden Frauen, die sich gegenseitig verachten und demütigen. Schließlich wird es Hagar zu viel und sie flieht. In völlig auswegloser Lage, schwanger, allein, heimatlos und ohne Perspektive, kommt für Hagar Rettung aus dem Nichts: "Aber der Engel des HERRN fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste".
In der Begegnung mit dem Boten Gottes erfährt sie Gott selbst und kommt zu der Erkenntnis:
„Du bist ein Gott, der mich sieht.“ (1. Mose 16, 13). Das ist für Hagar der Name Gottes und zugleich ihr persönliches Glaubensbekenntnis! Diese Erkenntnis richtet sie auf und verwandelt sie von der Dienerin Sarais zur von Gott angesehenen und gesegneten Hagar.
Der Engel rät ihr, zu Abram und Sarai zurückzukehren, aber prophezeit ihr auch, dass sie so viele Nachkommen bekommen wird, dass "sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können."
Gott sieht sie nicht nur, sondern hat auch ihr Elend gehört. Damit sie das nie vergisst, soll sie ihrem Sohn den Namen Ismael geben, der genau das bedeutet: Gott hört. Als der Engel wieder entschwindet, kann sie es kaum fassen: „Gewiss habe ich hier hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat. Darum nannte man den Brunnen: Brunnen des Lebendigen, der mich sieht.“ (1. Mose 16, 13 f.)
Gebet hilft
Hagar betet an der Wasserquelle zu Gott und stellt fest: "Du bist ein Gott, der mich sieht". Diese Aussage ist ungewöhnlich, denn es geht hier um die Selbstwahrnehmung. Hagar hat das Gefühl, so gesehen zu werden, wie sie ist, von Gott in ihrem Dasein erkannt zu werden.
Der Vers im Hebräischen hat verschiedene Bedeutungen. So kann der hebräische Begriff "Sehen" wörtlich als "Du bist Gott, der Mich-Sehende" verstanden werden – oder als "Gott schaut auf mich" oder als "Gott sieht nach mir". Dieses "Gesehenwerden“ ist das Besondere an der Geschichte. Hagar erfährt, dass sie als Frau in einer bedrohlichen Situation gesehen wird. Der Zuspruch, den die Frau von Gott erfährt, stärkt sie für ihren weiteren Lebensweg.
Wir alle haben Wüstenerfahrungen
Die Wüstenerfahrungen von Hagar, die Gefühle von Leere, Erschöpfung, Entmutigung, Enttäuschung sind zentrale Erfahrungen, die wir alle im Leben machen, vor allem in Zeiten von Pandemie, Krieg und Unsicherheit. Genauso wie Hagar Zuspruch, Anerkennung und Unterstützung erfährt, können wir auch in einer Begegnung mit Gott im Gebet neue Kraft erfahren.
"Er ist nicht bloß ein Gott, der einmal kurz geguckt hat, sondern er ist ein Gott des Sehens, des Mich-Sehens". "Hier wird eigentlich ein punktueller Vorgang zu einem Charaktermerkmal Gottes. Es ist ein Gott, der sein Augenmerk grundsätzlich auf mich richtet." Dabei geht es nicht um eine prüfende Beobachtung, sondern um ein Gesehen-Werden im seelsorglichen Sinn. "Sehen heißt hier: ‚Ich nehme wahr, dass es dich gibt mit allem, was dich ausmacht. Du bist eben kein Nichts, keine Luft, du bist wertvoll."
"Du hast eine Zukunft!"
Hagars Antwort an den Engel, in dem sie Gott selbst erkennt, ist ein Glaubensbekenntnis. "Du bist El-Roï, der Gott des Mich-Sehens." Der Satz beginnt im Hebräischen mit "Du" und endet mit "mich". Du, Gott, und ich.
In dem kurzen, aber intensiven Gespräch an der Wasserquelle ist für Hagar eine Gottesbeziehung entstanden, in der sie sich getragen und ermutigt fühlt.
Gott ist treu
Nach ihrer Rückkehr passiert es. Ein Licht am Horizont: „Und Hagar gebar Abram einen Sohn, und Abram nannte den Sohn, den ihm Hagar gebar, Ismael.“ (1. Mose 16, 15)
Endlich trifft auch das längst Versprochene und bisher vergeblich Erhoffte ein: „Und der HERR nahm sich Saras an, wie er gesagt hatte, und tat an ihr, wie er geredet hatte. Und Sara ward schwanger und gebar dem Abraham in seinem Alter einen Sohn um die Zeit, von der Gott zu ihm geredet hatte. Und Abraham nannte seinen Sohn, der ihm geboren war, Isaak, den ihm Sara gebar.“ (1. Mose 21, 1–3)