Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Gedanken zum Wochenende stammen diesmal von Matthias Kraft von der Evangelischen Kirchengemeinde Brensbach. Wir vier Kirchengemeinden in Brensbach wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.
Liebe Leserinnen und Leser,
mir fällt nichts ein angesichts der Angriffe auf Politiker (und hier ist egal ob ehrenamtliche oder hauptamtliche, ob Kommune, Kreise, Länder oder Bund, egal welche Partei). Mir fällt nichts ein angesichts der zunehmenden Beleidigungen, der rechtsradikalen Ausfälle der letzten Tage. Ich habe keine Idee, wo ich anfangen soll. So sehr regt es mich auf. Ich kann in diesen Tagen nichts „kirchlich-seelsorgerlich Nettes“ sagen.
Ich habe eher das Gefühl, es brennt, es ist etwas in unserer Kultur zutiefst erschüttert, ins Rutschen geraten und auf dem Weg in den Abgrund.
Ich fange deshalb ganz vorne an:
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ So lautet der erste Satz in der Bibel. Und ähnliches berichten viele andere Religionen und Weltanschauungen über den Anfang der Welt.
Dann erzählt die Bibel, dass Gott, Wasser und Land, Licht und Dunkelheit, Pflanzen und Tiere geschaffen hat. Und zum Schluss den Menschen. In der Bibel heißt es dazu:
„Und Gott sprach: Lasst uns den Menschen machen, ein Bild, dass uns ähnlich sei.“
Ziel und Zweck des Menschen ist es, als einer zu leben, der Gott ähnlich ist. Luther übersetzt noch stärker: „ein Bild, dass uns gleich sei.“
Wenn wir uns nun die Frage stellen, was das bedeuten soll, ist die Antwort so einfach wie schwierig: Die jüdischen Bibelausleger haben sich mit der Frage beschäftigt, was es bedeutet, dass Gott hier „wir“ sagt. Meint er damit sich und die Engel?
Oder ist es mit der traditionellen christlichen Theologie so zu deuteten, dass hier die Dreieinigkeit, nämlich Vater, Sohn und Heiliger Geist im Gespräch miteinander sind?
Eine dritte Variante steht auch noch im Raum: Einige Ausleger der Bibel sagen, Gott sprach hier mit dem Menschen selbst. Denn dass der Mensch menschlich wird, ist nicht ohne die Mitwirkung des Menschen und nicht gegen ihn zu bewerkstelligen. Menschsein ist nur im Dialog mit Gott und auch mit anderen Menschen möglich.
Manche mögen nun sagen: „Dialog mit Gott, damit kann ich nichts anfangen, ich glaube nicht an Gott oder ein höheres Wesen“ Mag sein, darüber kann man ja im Gespräch bleiben. Aber zumindest der zweite Teil verfängt: Menschsein geht nur im Dialog mit anderen Menschen. Wo der nicht mehr stattfindet, steht das Menschsein selbst auf dem Spiel.
In einer Zeit, in der manche Politiker sagen, ich gebe auf, es ist mir zu gefährlich, mag es den Anschein haben, dass radikalisierte Gruppen gewonnen haben, weil sie andere Meinungen mundtot gemacht haben.
Irrtum! Und wieder Irrtum!
Gewonnen hat dann bestenfalls die Unmenschlichkeit. Und dann haben wir alle verloren.
Vielleicht ist es ja so, dass Gott mit sich selbst im Gespräch war, aber dass er gleichzeitig auch mit dem Menschen im Dialog war. Ich kann mir das gut vorstellen. Dann unterstreicht es nur um so mehr, wie wichtig es ist, das Gespräch nicht wegen unterschiedlicher Meinungen abzubrechen. Denn wo der Dialog schweigt, da spricht bald der Hass. Und daraus wächst Gewalt. Das ist es, was wir gerade sehen in den Angriffen auf Politiker, in den Hass-Mitteilungen in den sozialen Medien, in den menschenverachtenden Sprüchen von rechtsradikalen Unruhestiftern, die versuchen, menschenverachtende Sprache zu etablieren.
Als Kirchen, als Christinnen und Christen haben wir dazu eine knappe und klare Antwort: „Nein!“
Und dieses Nein lädt zum Nachdenken und zum Diskutieren ein. Wir müssen als Einzelne und als Gesellschaft ernst nehmen, dass Gott den Menschen zu seinem Bild gemacht hat, dass er jedem Menschen Würde verliehen hat (unabhängig von irgendwelchen Zugehörigkeiten oder menschengemachten Grenzziehungen).
Darum wird sich die Evangelische Kirche in Brensbach laut Beschluss des Kirchenvorstands an der Aktion unserer Landeskirche „Unser Kreuz hat alle Farben“ beteiligen. Ab Mitte Juni wird das Banner bei uns hängen. Und ich bin gespannt, welche Reaktionen, Fragen und Gespräche daraus wachsen, auch kritische Anfragen. Denn das ist Teil des Dialogs. Und es wird Zeit, dass wir wieder mehr miteinander sprechen, nicht so sehr übereinander.