Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Gedanken zum Wochenende stammen diesmal von Cyrille Tchamda von der Freien Christengemeinde. Wir vier Kirchengemeinden in Brensbach wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.
„Gnädig und barmherzig ist der Herr“
Barmherzigkeit - ein altes Wort mit einer unerschütterlich aktuellen Bedeutung.
Es beschreibt mehr als Mitleid. Barmherzigkeit ist eine Haltung des Herzens, die sieht, fühlt und handelt. Sie erkennt die Not des anderen - und bleibt nicht stehen. Sie wird tätig, sie hilft, sie vergibt.
Die Bibel ruft uns immer wieder in diese Haltung hinein.
„Gnädig und barmherzig ist der Herr, geduldig und von großer Güte“, heißt es in Psalm 103,8.
Diese Worte sind keine fromme Floskel, sondern ein Versprechen: Gott selbst ist das Vorbild der Barmherzigkeit. Er sieht das Elend, er hört das Seufzen - und er handelt. Seine Liebe bleibt nicht theoretisch.
1. Gottes Wesen - gnädig und barmherzig
Als Mose Gott begegnet, stellt sich der Ewige so vor:
„Der Herr, der Herr, barmherzig und gnädig, geduldig und reich an Güte und Treue“ (2. Mose 34,6).
Das ist Gottes Charakter. Er definiert sich nicht durch Strenge, sondern durch Gnade.
Er schenkt, was wir nicht verdienen, und er nimmt sich unserer Schwachheit an. Diese göttliche Barmherzigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Bibel - bis sie in Jesus Christus sichtbar wird.
Jesus begegnet Menschen nicht mit Anklage, sondern mit offenen Armen.
Er vergibt der Ehebrecherin. Er heilt den Blinden. Er trägt am Kreuz unsere Schuld. Seine Liebe sieht, was zerbrochen ist, und bringt Heilung.
Gerade in unserer polarisierten und angespannten Welt brauchen wir diese Haltung Jesu: ein Herz, das nicht verurteilt, sondern versteht; Hände, die nicht abweisen, sondern tragen.
2. Der Ruf Jesu - „Geh hin und handle ebenso“
Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10) fragt ein Gesetzeslehrer Jesus:
„Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?“
Jesus antwortet mit einer Gegenfrage - und erzählt die bekannte Geschichte vom verletzten Mann am Straßenrand.
Ein Priester und ein Levit - Vertreter der Religion - gehen vorbei.
Aber ein Samariter, ein Fremder, bleibt stehen.
Er sieht. Er hilft. Er pflegt. Er handelt barmherzig. Hilfe kommt nicht immer aus der Ecke, aus der man sie erwartet. Am Ende dreht Jesus die Frage um:
Nicht „Wer ist mein Nächster?“ ist entscheidend,
sondern: „Bin ich ein Mensch, der Nächstenliebe lebt?“
Dieses Gleichnis ist keine moralische Erzählung über gutes Benehmen - es ist ein Spiegel.
Wer ehrlich hineinschaut, erkennt: Ich liebe nicht so vollkommen, wie Gott es fordert.
Ich gehe oft vorbei. Ich bin beschäftigt, vorsichtig, manchmal gleichgültig.
Doch hier beginnt die gute Nachricht:
Jesus selbst ist der wahre barmherzige Samariter.
Er fand uns am Straßenrand unseres Lebens - verwundet, schuldig, leer.
Er kam nicht mit Verurteilung, sondern mit Heilung.
Er verband unsere Wunden, vergoss nicht Öl und Wein, sondern sein eigenes Blut.
Er trug uns, wie der gute Hirte, auf seinen Schultern heim.
Er bezahlte nicht zwei Denare, sondern den höchsten Preis - sein Leben.
Sind wir bereit, diese Hilfe anzunehmen?
Denn diese göttliche Barmherzigkeit ruft uns heraus aus der Selbstgerechtigkeit hinein in die Nachfolge. Wir sind nicht barmherzig, um Gottes Liebe zu verdienen - sondern weil wir sie empfangen haben.
3. Barmherzigkeit praktisch leben
Was heißt das für uns - hier, heute, in Brensbach und Umgebung? Es bedeutet, die Augen nicht zu verschließen:
Jeremia 29,7 sagt:
„Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.“
Barmherzigkeit beginnt im Kleinen - dort, wo wir Verantwortung übernehmen:
ein Gespräch mit jemandem, der sich ausgeschlossen fühlt, ein Besuch, eine Spende, eine helfende Hand.
Wir können die ganze Welt nicht retten, aber wir können das Leben eines Menschen heller machen.
Mutter Teresa hat es so gelebt:
Sie sah Christus in jedem Armen, jedem Kranken, jedem Sterbenden.
Ihre Liebe war nicht laut, aber sie veränderte die Welt.
So ruft uns auch Gott heute:
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ (Lukas 6,36)
Unsere Stadt Brensbach und unser Kreis Odenwald brauchen keine Perfekten - sondern Menschen mit Herz. Menschen, die den Himmel sichtbar machen:
in einem freundlichen Wort, in einem offenen Ohr, in einem mutigen Gebet.
Denn Barmherzigkeit ist ansteckend.
Und vielleicht, ja vielleicht, beginnt bald auch in Brensbach eine „Revolution der Liebe“ - nicht aus großen Worten, sondern aus kleinen Taten, getragen von Menschen, die wissen:
„Gnädig und barmherzig ist der Herr.“