Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Gedanken zum Wochenende stammen diesmal von Matthias Kraft von der Evangelischen Kirchengemeinde Brensbach. Wir vier Kirchengemeinden in Brensbach wünschen Ihnen ein schönes Wochenende.
Liebe Leserinnen und Leser,
Freiheit ist ein prägendes Schlagwort der Moderne. „Freiheit, Gleichheit Brüderlichkeit“ waren die Schlagworte der Französischen Revolution. Freiheit meinte damals, dass jeder Mensch das Recht hat, sein eigenes Leben nach persönlichen Vorstellungen zu gestalten. Es sollte nicht mehr ein Großgrundbesitzer bestimmen dürfen, wer wen heiraten darf. Kein Mensch sollte darauf festgelegt sein, dass er als Bauer oder Handwerker arbeiten muss, nur weil das schon seit Generationen so war.
Freiheit heute bedeutet immer häufiger etwas anderes.
Die Reformation ist ebenso eine Freiheitsbewegung gewesen und ist es noch immer.
Für Luther hatte die Freiheit in religiösen Dingen eine enorme Bedeutung. Denn er hatte in der Seelsorge festgestellt, dass viele Menschen Angst vor Gott hatten und deshalb empfänglich waren für religiöse Manipulation durch Ablassprediger, die es verstanden aus Angst Geld zu machen. Luther wollte, dass die Menschen frei sind von einem angstgesteuerten religiösen Zwang, bestimmte Rituale zu befolgen die keinen Nutzen für den persönlichen Glauben haben. Darüber wollte er eine Diskussion anstoßen.
Darum haben wir bis vor wenigen Jahren den Reformationstag gefeiert. Es war nicht nur ein Tag, an dem Luther 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg angenagelt hat. Es war auch ein Startpunkt für eine Bewegung, die danach fragt, wie der einzelne Mensch als Individuum eine Beziehung zu Gott haben kann, die der Bibel und ihrer Botschaft entspricht.
Das Leben und der Glaube sollen nicht von Angst vor göttlicher Strafe bestimmt sein, sondern von einer wohltuenden Beziehung. Echter Glaube an Gott, das heißt Gottvertrauen, kommt aus Freiheit, nicht aus Zwang und führt in die Freiheit.
Im Herbst des Jahres 1520 formulierte Martin Luther darum eine Reihe von Gedanken über die Freiheit. Er fasste sie zusammen in seiner Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen.“ Luther bringt seine Idee von Freiheit in zwei Sätzen auf den Punkt:
„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“
Neu ist dieser Gedanke nun tatsächlich nicht. Der Apostel Paulus formulierte es 1400 Jahre vor Luther so: „Ich bin frei in allen Dingen und habe mich zu jedermanns Knecht gemacht.“ (1. Brief an die Korinther, Kapitel 9) und „Seid niemandem etwas schuldig, außer dass ihr euch untereinander liebt; denn wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllt. Denn was da gesagt ist: „Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht begehren“, und was da sonst an Geboten ist, das wird in diesem Wort zusammengefasst „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.“ (Brief an die Römer, Kapitel 13)
Freiheit aus christlicher Sicht ist also keine absolute Freiheit, in dem Sinne, wie das Wort heute gebraucht wird, sondern es ist ein Beziehungsbegriff.
Darum kann Freiheit auch bedeuten, etwas nicht zu tun, weil es anderen schadet, obwohl ich gerade Lust darauf habe. Ebenso gehört es zur Freiheit, etwas zu tun, was mir keine Freude macht, weil es für andere Gutes bewirkt. Freiheit ist, wenn man sie christlich denkt, nicht nur ein individuelles Gut, sondern eine gemeinschaftliche Aufgabe. Dies schließt auch ein, anderen Freiheit zu ermöglichen, indem ich meine eigene Freiheit begrenze. Darum darf in einer von Freiheit und Gleichheit geprägten Gesellschaft niemand Alles. Und auch im Staat gibt es verschiedene Gewalten, die sich gegenseitig ergänzen und ihre Macht begrenzen. Freiheit und Demokratie müssen eng zusammen gedacht werden. Denn da, wo es für Einzelne, oder eine Gruppe von Menschen absolute Freiheit ohne Regeln gibt, ist die Freiheit als ganze in Gefahr. Darum begrenzt Gott die Freiheit des Einzelnen durch seine Gebote. Der Apostel Paulus zitiert sie darum explizit und auch Luther nahm sie als Lernstoff in seinen Katechismus mit hinein.
An Gott glauben schließt beide Aspekte ein: Angstfrei und frei zu leben im Wissen, von Gott geliebt und beschenkt zu sein. Mit den Lebensregeln zu leben, die er gegeben hat, damit Freiheit und Recht für alle gelten. Diese Herausforderung ist nie zu Ende gelebt und es gehört zum Christsein dazu, dies in einer Gesellschaft, die sich immer weiter von diesen Grundlagen unserer Freiheit entfernt, zu leben.