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Zeiler Nachrichten Amts- und Mitteilungsblatt der Stadt Zeil a Main
Ausgabe 12/2023
Rathausnachrichten
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Heiner Pfarrer

Der Heiner hatte großen Kummer. Seit Wochen war er ohne Arbeit und demnach auch ohne Geld. Die paar Mark Unterstützung waren bald verbraucht und für ein Glas Bier blieb nichts mehr übrig.

Bis jetzt war ja alles gut gegangen. Der Wirt seines Stammlokales hatte lammsgeduldig dem Heiner die Zeche gestundet, doch als die Anschreibtafel im Gasthaus nicht mal einen Strich mehr aufnehmen konnte, war es mit der Geduld des Gläubigers vorbei. Er klagte auf Zahlung der Zechschuld. Und es war auch schon ein Urteil ergangen: Entweder Zahlung oder zwei Wochen Haft. Es drohte der Arrest, denn es war kein Pfennig geld im Haus und der Heiner wusste weder ein noch aus.

In seiner Not erinnerte er sich der Barmherzigkeit des örtlichen Pfarrers. Obwohl er kein eifriger Kirchgänger war, lenkte er schweren Herzens seine Schritte ins Pfarrhaus. Der Herr Hochwürden hörte sich die Sorgen des Heiners an, der fast auf Knien um Hilfe bat.

Der Sünder verwies auf die Schande, die über ihn kommen würde, wenn er seine Strafe würde absitzen müssen, ja selbst das Ansehen der Pfarrgemeinde würde Schaden leiden, wenn eines ihrer Schäflein den Gang ins Gefängnis antreten müsste.

Der Pfarrer kannte natürlich seinen „Pappenheimer“ und las ihm gehörig die Leviten. Er machte dem Heiner deutlich, dass der tägliche Gang ins Wirtshaus ganz und gar unchristlich wäre und der Alkohol der größte Feind des Menschen sei. Ein täglicher Kirchgang dagegen würde dem Heiner an Leib und Seele gut tun.

Der wurde ganz demütig und gelobte hoch und heilig Besserung, wenn ihm der Herr Pfarrer doch nur dies eine Mal noch aus der Patsche helfen würde. Nun – seine Bitte wurde erhört. Der geistliche Herr händigte dem Bittsteller die benötigte Summe Geldes aus und er konnte sich der vielen Dankesbezeigungen kaum erwehren.

Der Heiner stieß einen Juchzer aus als er das Pfarrhaus verließ und schlug auf dem Marktplatz vor Freude ein Rad. Dem Pfarrer, der den Abgang seines „Schäfleins“ hinter dem Fenster verfolgte, traten Tränen der Rührung in die Augen, als er sah welch Freude er gespendet hatte.

Dem Heiner war ein großer Stein vom Herzen gefallen und er hatte das Bedürfnis allen Leuten seine Freude kundzutun. Soviel Geld hatte er schon lange nicht mehr in der Tasche. Eigentlich mußte das gefeiert werden und eiligen Schrittes strebte er dem nächsten Wirtshaus zu – nicht seiner Stammkneipe bei der die Anschreibtafel voll war.

Bei seinem Eintritt wurde er vom Wirt recht argwöhnisch betrachtet, denn die finanzielle Misere des Gastes war mittlerweile im ganzen Städtchen bekannt. Doch bevor er den Heiner der Gaststube verweisen konnte, klimperte der mit den Münzen in seiner Hosentasche und bestellte ein Bier. Und nachdem er dies auch bar bezahlte hatte und weiteres Geld auf den Tisch gelegt hatte, schenkte der Wirt dem Heiner eine Halbe un die andere ein.

Natürlich erzählte der Heiner den Gästen von seinem Glück und wurde immer fröhlicher. Erst als er keinen „Knopf“ mehr in der Tasche hatte, machte er sich auf den Heimweg und am anderen Tag in die Kreisstadt um seine Haftstrafe anzutreten. Dies unter dem Motto: „Zwa Wochn drinna und zwa Wochn draußen, dann is des Monat a rüm.“

Helmut Trautner