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Zeiler Nachrichten Amts- und Mitteilungsblatt der Stadt Zeil a Main
Ausgabe 19/2023
Rathausnachrichten
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Geschichten, die wahr sein könnten

Es war eine Zeit, da hatte der Bapist keine Beschäftigung, während die Ehefrau Tag für Tag einer geregelten Arbeit nachging.So war es ganz selbstverständlich, dass der Gatte häusliche Arbeiten zu übernehmen hatte, unter anderem auch die Aufgabe, das Feuerholz für den Winter zu sägen und zu spalten.

Es war noch früh im Herbst – die kalten Wintertage lagen noch in weiter Ferne – als sich der Bapist über die „Holzhackerei“ machen sollte. Die Tage aber waren zu schön; ein Plausch mit dem Nachbarn, eine gesellige Runde in der nahen Gaststätte, waren weitaus angenehmer als die Plackerei mit dem Feuerholz. Außerdem zwickte die Bandscheibe.

Eines Tages aber wurde es ernst. Die Ehefrau machte den ihr Angetrauten unmissverständlich auf seine Pflichten aufmerksam und wollte am Abend den Erfolg seiner Arbeit sehen.

So stellte sich der bisherige Müßiggänger an den Hackstock und begann das bereits gesägte Holz zu spalten. Es war ein wunderschöner Herbsttag – die Sonne meinte es gut und die ungewohnte Arbeit war nicht nur schweißtreibend sondern förderte auch den Durst ungemein.

Bereits nach kurzer Zeit war ihm die Kehle so trocken, dass er Zuflucht im „Scharfen Eck“, der nahen Stammkneipe suchen musste. Nur ein Bier wollte er sich gönnen und dann die Arbeit wieder aufnehmen. Doch daraus wurden mehrere Halbe als ihm seine Stammtischbrüder noch einige spendierten.

Dann aber kam das böse Erwachen. Er gedachte der Arbeit die ihm aufgetragen worden war und stellte mit Erschrecken fest, dass die Rückkehr seines Eheweibes kurz bevorstand.

So verschwand er aus der Wirtsstube, kam aber bald darauf zurück und setzte sich zufrieden an den Stammtisch. Immer wieder schaute er aus dem Fenster, und als seine Frau von der Arbeit heimkehrte, ging er ihr – wenn auch leicht schwankend – freudestrahlend entgegen und deutete stolz auf sein Werk. Wirklich – da lag ein großer Haufen gespaltenes Holz um den Hackstock herum, dass man meinen konnte, es wären zwei fleißige Arbeiter den ganzen Tag über tätig gewesen.

Die Ehefrau war zufrieden, lobte ihren Bapist und hatte auch nichts dagegen, dass er sich nach des „Tages Müh und Plag“ noch ein Bier genehmigte. Ins Wirtshaus zurückgekehrt erzählte er den erstaunten Gästen wie er das „Wunder“ vollbracht hatte. Er war auf den Holzboden des Schuppens gestiegen und hatte in aller Eile bereits gespaltenes Holz vom Vorjahr auf die Gasse rund um den Holzstock geworfen. Es ärgerte ihn zwar, dass es etwas zu viel des Guten geworden war, denn irgendwann musste es doch wieder auf den Schuppen verbracht werden, doch für den momentanen Seelenfrieden seines Weibes sei ihm halt keine Anstrengung zu viel.

Helmut Trautner