Ludwig Schmitt, Obermeister der Odenwälder Bäcker-Innung, überreicht Emilio Keil (re) den Gesellenbrief und ein Präsent.
Emilio Keil (li) hat die Gesellenprüfung für das Bäcker-Handwerk als Innungsbester mit der Gesamtnote Eins bestanden und strebt als nächstes Ziel die Meisterprüfung an. Im Hintergrund ein stolzer Chef, Fritz-Erwin Stapp.
SANDBACH (kp). Emilio Keil ist der "Star" der Odenwälder Bäcker-Innung. Denn: Der 19 Jahre alte Sandbacher hat seine Ausbildung im Bäcker-Handwerk in der Bäckerei und Konditorei Stapp als Innungsbester mit der Gesamtnote Eins abgeschlossen, und dies mit einer auf zweieinhalb Jahre verkürzten Lehrzeit (diese dauert in der Regel drei Jahre). Im Rahmen einer Feierstunde im Ausbildungsbetrieb überreichte kürzlich Innungs-Obermeister Ludwig Schmitt dem "hoffnungsvollen Nachwuchs" seinen Gesellenbrief und ein Präsent. Glückwünsche kamen auch vom Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Harald Buschmann, sowie einem Vertreter der Handelsgesellschaft BÄKO. Hoffnungsvoll in sofern, weil sowohl Schmitt als auch Buschmann ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen, dass Emilio Keil "bei der Stange bleibt". Dies unterstrich der frisch gebackene Bäcker-Geselle, der nach der Mittleren Reife im Hause Stapp ein Praktikum absolviert und danach mit der Ausbildung begonnen hatte, mit dem Hinweis, dass er sich möglichst zeitnah auf die Meisterprüfung vorbereiten wolle. Dafür sicherte ihm Buschmann die volle Unterstützung aus dem Haus des Handwerks zu. Lob und Dank wurde auch dem Ehepaar Stapp zuteil. "Diese Bäckerei und Konditorei gilt als Vorzeigebetrieb der Innung und in Sachen Ausbildung gewissermaßen als "Kaderschmiede", so der Obermeister.
Immerhin wurden dort in der Vergangenheit 10 junge Leute ausgebildet, die allesamt ihre Gesellenprüfung mit Bestnoten bestanden haben. Aktuell befindet sich eine junge Frau im ersten Ausbildungsjahr zum Bäcker-Handwerk. Daher sind Personal- und Fachkräftemangel für den Chef des Familienbetriebes Fremdworte. "Unser Team besteht gegenwärtig aus 10 Personen, meist aus "eigener Aufzucht" und mit hoher Motivation", so Fritz-Erwin Stapp. Dabei habe ein gutes, familiäres Betriebsklima hohen Stellenwert. Als Paradebeispiel gilt Matthias Baumann, der nach seiner Ausbildung in einem Michelstädter Betrieb und dem Grundwehrdienst bei Stapp als Bäcker anheuerte, nunmehr seit 37 Jahren der "Familie" angehört und den Betriebsablauf in der Backstube koordiniert. Erst kürzlich haben die Stapps drei Mitarbeiterinnen nach mehr als 30 Jahren im Verkauf in den Ruhestand verabschiedet, drei weitere sind mehr als 10 Jahre noch in diesem Bereich aktiv. Um den Fortbestand ihres Betriebes machen sich Fritz-Erwin und Heide Stapp auch keine Sorgen. Schließlich steht mit Tochter Julia eine Fachfrau in den Startlöchern. Die Vierunddreißigjährige gelernte Bürokauffrau hat nämlich nach einer Umschulung auf das Konditor-Handwerk 2019 die Meisterprüfung in diesem Metier abgelegt und ist seither für den Patisserie-Bereich im Hause Stapp zuständig. Ihre Spezialitäten: Hochzeitstorten, Candy-Buffets, Macarons, Cupcakes, Cake Pops und Fingerfood in süßer oder herzhafter Version. Und die Bäckerei Stapp hat noch einen weiteren Trumpf im Ärmel. Dort ist seit mehr als 30 Jahren eine eigene Steinmühle in Betrieb. Verarbeitet werden damit Roggen- und Dinkelkorn aus integriertem und überwachtem regionalen Anbau. Vor der Herstellung von Vollkornbroten frisch vermahlen, bleiben Nährwert und arttypischer Geschmack erhalten. Die Bäckerei Stapp ist der einzige Innungsbetrieb im Odenwald, der auf diese Weise Vollkornbrote herstellt.
Als Vorstandsmitglied der Bäcker-Innung blickt Fritz-Erwin Stapp mit gemischten Gefühlen in die Zukunft des heimischen Bäcker-Handwerks. Bisher seien zwei Betriebe aus Altersgründen oder mangels Nachfolge geschlossen worden. Die aktuell 20 im Innungsgebiet backenden Betriebe seien zum Überleben auf eine stabile Akzeptanz seitens der Kundschaft angewiesen. Schließlich hätten im Schlepptau der Energiekrise die Preise für Backwaren moderat erhöht werden müssen. Daher sei es wichtig, dass der Gaspreisdeckel zum Tragen kommt und sich der Strompreis auf einem stabilen und bezahlbaren Niveau einpendelt. Ansonsten seien Betriebsschließungen nicht auszuschließen. Schließlich könnten Kostensteigerungen im Energiebereich nicht durch weitere Preiserhöhungen abgefedert werden. Irgendwann sei auch bei den Kunden das Ende der Fahnenstange erreicht. Stapp: " In Sachen Energie muss endlich etwas passieren. Auf Dauer sind diese Kosten nicht zu stemmen". Dass die im Jahr 1887 gegründete Sandbacher Traditionsbäckerei bisher mit einem "blauen Auge" davongekommen ist, liegt zum einen an der firmeneigenen Kraft/Wärmepumpe, die in bescheidenem Rahmen zur Senkung der Energiekosten beiträgt. Zum anderen an einer betrieblichen Umstrukturierung, wie zum Beispiel ausschließliche Eigenproduktion oder die Schließung des Cafes, in der Vergangenheit ein erheblicher Kostenfaktor. Auf vielfältigen Wunsch soll das Cafe ab April eine bescheidene Renaissance erfahren. Dann wird es nach Terminabsprache ausschließlich für Trauergäste nach einer Beisetzung für ein Zusammensein bei Kaffee und Kuchen geöffnet.