Interview mit Paul Kaufmann anlässlich seines 75-jährigen aktiven Sängerjubiläums am 01.01.2023

Frage:

Paul Kaufmann, Du bist seit 01.01.1948 Mitglied im Gesangverein.

Was hat Dich bewogen, sich für dieses Hobby zu entscheiden?

Antwort:

Als junger Kerl nach der Schulzeit wollte ich was erleben und mich mit anderen treffen. In meinem Heimatort Ober-Mossau gab es 1948 keine weiteren Vereine. Es gab auch keine Angebote für junge Leute. So trat ich also in den Männergesangverein Liederkranz ein. Es war die einzige Möglichkeit, mich mit den Burschen des Orts zu treffen und mal in die Gastwirtschaft zu gehen. Die Geselligkeit stand für mich damals sehr im Vordergrund. Nach der Singstunde saßen wir meist noch bis in die Nacht hinein zusammen. Auch mit den älteren Sängern des Vereins verstand ich mich sehr gut. Es war eine schöne Zeit. Ehrlich gesagt kam die Leidenschaft zum Gesang erst später für mich.

Frage:

Paul, was gefällt Dir nun aber am Singen?

Antwort:

Dabeisein ist für mich alles. Es macht mir Spaß die Lieder zu lernen und gemeinsam mit den anderen Chormitgliedern darzubieten. Natürlich gefällt mir besonders gut, dass ich in guter Gesellschaft mit Gleichgesinnten bin. Und das jeden Donnerstag, da haben wir Chorprobe.

Frage:

Hat sich das „Singen lernen“ verändert?

Antwort:

Seit ich im Gesangverein Mitglied bin, habe ich unter drei Chorleitern gesungen. Carolin DeMeo ist nun die vierte Dirigentin für mich. Seit 1948 bin ich im zweiten Tenor. Ich habe auch mal im 1. Tenor geschnuppert, aber der zweite passt besser zu mir. Da bin ich und bleibe so lange wie möglich. Früher sang ich nur im Männerchor. Zum Glück musste ich unter Chorleiter Karl Berlieb im Januar 1948 nicht gleich vorsingen, um in den Verein aufgenommen zu werden. Das fand ich gut. Bei anderen Gesangvereinen gab es das natürlich, da wurde erst geprüft, ob man geeignet war. Bei uns konnten die jungen Burschen aber einfach in den Verein eintreten und mitmachen. Es wurde - anders als heute - vorwiegend a cappella gesungen. Das Klavier kam höchstens zum Tonangeben zum Einsatz. Mancher Chorleiter konnte gar nicht Klavier spielen. Hie und da kam auch mal das Schifferklarvier zum Einsatz.

Heute singen wir auch gemischt. Das gab es damals noch nicht. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. Es gefällt mir trotzdem gut. Auch wenn nicht alle Lieder nach meinem Geschmack sind. Ehrlich gesagt, bin ich nicht der Freund der englischen Lieder, aber wenn es der Chor bzw. die Chorleiterin einstudieren will, bin ich natürlich dabei.

Frage:

75jährige aktive Mitgliedschaft, das gibt es nur noch selten. Hält Dich das Singen jung und fit?

Antwort:

Ja, davon bin ich überzeugt. Im September 2023 werde ich 91 Jahre alt. Das Singen hält mich geistig fit. Wenn es sein muss, kann ich auch ohne Notenblatt singen. Auch hat das Singen noch weitere positive Eigenschaften. Wenn es mir einmal nicht so gut geht, baut mich die Singstunde wieder auf. Der Tod meiner Ehefrau hat mich damals sehr mitgenommen. Der Verein, die Gesellschaft dort und natürlich das Singen haben mir Halt gegeben und mir über die schwere Zeit hinweggeholfen. Ich halte daran fest. Als ich mal die Chorprobe nicht besuchen konnte, weil ich mir eine Rippe gebrochen hatte, fehlte mir donnerstags der Chorgesang wirklich sehr.

Meine Ärztin ist mir meinem Gesundheitszustand rundum zufrieden. Sie sagt immer: „Herr Kaufmann, sie sind so fit für Ihr Alter“. Wie gesagt, ich werde in diesem Jahr 91 Jahre alt.

Aus dem Stehgreif heraus kann Paul Kaufmann sogleich ein Gedicht aufsagen und einige Anekdoten erzählen. Auch aus der Zeit als er der erster Vorsitzender Gesangvereins war. Insgesamt waren das beachtliche 15 Jahre!

Frage:

Welche positiven bzw. negativen Erfahrungen verbindest Du mit dem Chorsingen? Kannst Du anderen empfehlen, auch Mitglied im Gesangverein zu werden? Wenn ja, warum?

Paul denkt kurz nach. Zu positive Erfahrungen nennt er Folgendes:

Antwort:

Das Singen im Gesangverein nimmt einen wichtigen Teil in meinem Leben ein. Ich singe gerne in meiner Stimme. Auch mit meinem Sitznachbarn und -nachbarinnen gefällt es mir richtig gut. Gemeinsam ein neues Lied zu erlernen und dann den Erfolg des Schaffens beim Auftritt zu präsentieren, gibt mir eine große Zufriedenheit. Wir haben das gemeinsam geschafft.

Da sind wir doch wieder beim Vereinsleben und das Erfahren der Geselligkeit. Ich gehöre dazu. Es ist eine schöne gemeinsame Zeit! Wer gerne singt, sollte das unbedingt auch erleben.

Negative Erfahrungen gehören natürlich auch dazu. Ich gehe regelmäßig in die Chorprobe, bin oft für den regelmäßigen Singstundenbesuch in der Chorgemeinschaft geehrt worden. Was mir nicht gefällt ist, wenn die Mitsingenden unregelmäßig teilnehmen. Wir müssen dann oft darauf Rücksicht nehmen. Manchmal sind die Stimmen unterbesetzt. Das könnte verbessert werden. Als ich noch berufstätig war, bin ich, wenn es erforderlich war, nach der Arbeit direkt zur Singstunde gefahren. Da blieb noch nicht mal Zeit mich umzuziehen. Ein bisschen enttäuscht hat mich, dass andere Gesangvereine in der Umgebung aufgegeben haben, aber leider nur wenige Sänger zu uns gekommen sind. Da hatte ich mehr erhofft. Männer sind wohl derzeit Mangelware. Überall werden Tenöre gesucht. Ich bin gerne bereit, auch mal bei einem befreundeten Verein im Tenor auszuhelfen. Aber ich bin keine 20 mehr. Ich muss schon schauen, was ich mir noch zumuten kann.

Frage:

Es mangelt vielen örtlichen Gesangvereinen an Mitgliedern. Was rätst Du, um mehr Menschen für das Singen zu begeistern?

Antwort:

Natürlich kann man niemand zwingen. Heute gibt es für die Menschen mehr Möglichkeiten, ihre Freizeit zu gestalten. Der eine oder andere möchte sich vielleicht auch nicht im Verein binden oder bleibt halt doch lieber abends auf seiner Couch. Schriftliche Ausschreibungen in den Gemeindeblättern oder in der Tageszeitung helfen wohl heute nicht genug.

Früher gab es u. U. auch schonmal Mitgliederschwund. Da hieß die Parole „Durchhalten“ und weiterhin Werbung machen. Freunde, Nachbar und Bekannte ansprechen, dass half manchmal. Als die Männerchöre in Ober- und Unter-Mossau vor dem Aus standen, schlossen sie sich einfach zusammen. Das war die Rettung. Jetzt sind wir die Chorgemeinschaft 1912 Mossautal mit rund 50 aktiven Chormitgliedern und fast so vielen passive Mitglieder.

Bei uns singen Frauen und Männer aller Ortsteile unserer Gemeinde mit und sogar einige Personen aus dem Nachbarorten. Es dürfen aber gerne noch mehr werden. Vor allem im Tenor.

Frage:

Welches Lieblingslied hast Du?

Antwort:

Mir gefallen viele Lieder gut. Gerne mag ich den „Bajazzo“ und das „Elternhaus“. Viele schöne Erinnerungen verbinde ich mit dem „Rennsteig-Lied“.

Das Singen steht für mich für Geselligkeit, Ablenkungen vom Alltag und Lebensfreude. Ich wünsche den Menschen, das Singen für sich zu entdecken und sich den Gesangvereinen in ihrer Umgebung anzuschließen.

Warum denn nicht mal ausprobieren! Die Schnupperstunden sind meistens kostenlos – zumindest bei uns.