In einem spannenden Vortrag informierten am vergangenen Donnerstag Herbert Krämer und Jochen Babist von der Arbeitsgemeinschaft Altbergbau Odenwald über die neuen Erkenntnisse zur Güttersbacher Kirche. Die Arbeitsgemeinschaft beschäftigt sich seit 1996 ehrenamtlich mit der Verbindung montanhistorischer Themen und der Kulturlandschaftsentwicklung im Odenwald. Sie ist Kooperationspartner der Hessen-Archäologie und des UNESCO Global Geoparks Bergstraße-Odenwald und hat ihre Zentrale mit Büro und Bibliothek in Ober-Mossau.
„Eigentlich ist die Beschäftigung mit baugeschichtlichen Fragen der Kirche eher ein Zufallsprodukt gewesen,“ schmunzelte Jochen Babist. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft wollten den „Iroschottenstein“ im Pfarrhaus dreidimensional aufnehmen und besuchten dabei im Winter 2023 die noch mitten in der Renovierung stehende Kirche. An den Wänden war dabei der Putz teilweise entfernt worden, sodass der Blick auf das ursprüngliche Mauerwerk der Wände von Turm und Langhaus möglich war. Zwischen den Bruchsteinen des Turmmauerwerks steckte dunkelgrüne und graue Schlacke, also durch menschliche Tätigkeit geschmolzenes Gesteinsmaterial.
Anhand mehrerer Vergleiche machten die Referenten plausibel, dass es sich um Abfallprodukte metallurgischer Prozesse handelt – mutmaßlich um Schlacke aus der Eisenerz-Verhüttung. Beobachtungen am Gefüge und den Bearbeitungsformen der Steine in der zentralen Turmmauer und dem Mauerwerk des Langhauses konnten die Geschichte, die ein Baugutachten eines Wiesbadener Büros aus dem Jahr 2012 ergeben hatte, weitgehend bestätigen. Danach bestand an der Stelle der Kirche mindestens ab dem Hochmittelalter eine kleine Hallenkirche mit Tonnengewölbe, an die zwischen 1210 und etwa 1230 ein Turm angegliedert wurde. Anschließend wurde der ältere Kirchenbau durch einen Neubau ersetzt, der vermutlich in der Mitte des 13. Jahrhunderts entstand. Von der Vorgängerkirche blieb lediglich die Westwand, die in den Turm integriert worden war, erhalten. Sie enthielt neben der Schlacke Holzkohle im Mörtel, die nun mit Unterstützung der Hessen-Archäologie auf die Mitte des 12. Jahrhunderts datiert wurde. Jochen Babist präsentierte in eindrücklicher Weise, wie die einzelnen Bauabschnitte bestimmt werden konnten und erläuterte dabei die Methoden der Dendrochronologie und der Radiokarbon-Datierung, die bei der Altersbestimmung der Holzkohle Anwendung gefunden hatte. Unterschiedliche Oberflächenbearbeitungen der Mauerwerksquader im Langhaus und die offenbar bei der Neuerrichtung wiederverwendeten Schlackebrocken weisen dabei auf einen mehrstufigen Ausbau der Kirche bis zum endgültigen Umbau um 1480 im gotischen Stil hin.
Die Mitte des 13. Jahrhunderts bereits eindrucksvolle und große Kirche mit ihrer reichen Ausstattung, von der sich das spätromanische Taufbecken und die „Elfer-Glocke“ erhalten haben, unterstreicht die Bedeutung des Ortes Güttersbach im Spätmittelalter. Mit den Schlackefunden, die bereits vor diese Zeit datieren, wird nun zum ersten Mal deutlich, dass die Montanwirtschaft mit der Eisenverarbeitung im Tal hierzu in nicht unerheblichem Maße beigetragen hat. Auch die Errichtung der erst in den 1950-er Jahren wiederentdeckten Wasserburg am Ausgang des Mösselbachtales dürfte der Sicherung der Erzverhüttung und Eisenverarbeitung gegolten haben. Das Eisenerz wurde allerdings nicht in den Tälern um Güttersbach gewonnen, sondern aus dem Bergbaurevier zwischen Gras-Ellenbach, Weschnitz, Erzbach und Rohrbach in das Marbach- und Mossautal transportiert.
Dass in der weiteren Umgebung von Güttersbach bereits im Frühmittelalter Rodungsarbeiten im Gang waren, wie Pollenanalysen aus dem „Roten Wasser“ bei Olfen beweisen, könnte mit einer früh einsetzenden Erzverarbeitung in diesem Gebiet in Verbindung stehen. Immerhin wird der Weschnitzer Bergbau in der Grenzbeschreibung der Mark Heppenheim bereits 773 erwähnt. Wie früh der Siedlungsraum um Güttersbach tatsächlich genutzt wurde, bleibt aber weiterhin unsicher. Im zweiten Vortragsteil berichtete Herbert Krämer über den Fund des sogenannten „Iroschottensteins“, der 1921 beim Abräumen eines Lesesteinhaufens am Mühlberg zwischen Güttersbach und Hiltersklingen entdeckt worden war. Er zeigt eine ungewöhnliche Kreuzigungsdarstellung mit einem vor dem Kreuz liegenden Christus; das Kreuz selbst verweist in seiner graphischen Darstellung auf irische Vorbilder aus der Zeit zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert. Der Stein legt eine Beziehung zur frühen Christianisierung der Region nahe, die durch irische Mönche erfolgt sei, so Krämer. Im Gegensatz zur späteren römischen Kirche versuchten diese, die heidnischen Naturreligionen nicht zu verdrängen, sondern ihre Thingstätten zu integrieren. „So könnte selbst die hochmittelalterliche Hallenkirche auf dem heutigen Kirchenhügel einen Vorgänger in einer Quellkirche gehabt haben“, vermutete Herbert Krämer, „die heute als ‚Kirchbrunnen‘ bekannte Quelle entspringt jedenfalls irgendwo auf dem Kirchenhügel.“
Pfarrerin Mai bedankte sich vor der gut gefüllten Kirche herzlich bei den Referenten, die zusicherten, über den Fortgang der Forschungen in der Zukunft gerne einen weiteren Vortrag zu halten. „Spannend bleibt es auf jeden Fall,“ so Babist, „wir warten aktuell noch auf das Ergebnis der Radiokarbon-Datierung einer Holzkohle aus der Schlacke…“