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Ausgabe 51/2025
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Die Güttersbacher Lehrer und die Schulgeschichte – Teil II.

Güttersbachs Dorfmitte um 1910. Links hinter dem Gasthaus „Zum goldenen Löwen“ steht das 1846/1847 erbaute Schulhaus, in welchem über 30 Lehrer wirkten.

Anzeige Bürgermeister Schwöbels. Am 19. September 1847 wurde das neue Güttersbacher Schulhaus eingeweiht.

Märzrevolution 1848: Straßen- und Barrikadenkämpfe in Berlin. 1849 schlugen die Fürsten die Revolution endgültig nieder.

In der Hauptstraße 32 in Erbach befand sich das Gasthaus zur Burg Wildenstein. Hier wankte Lehrer Kisseberth betrunken über die Straße und musste zurückgehalten werden ins besagte Wirtshaus einzutreten, um nicht eine Trauerfeier zu stören.

Zeichnung einer Prügelstrafe von Theodor Hosemann 1842.

Das Schulhausgrundstück im Jahre 1913. Das 1842 abgebrannte alte Schulhaus von 1786 stand bereits auf diesem Areal. Auf dem Lageplan ist das 1847 fertiggestellte Schulgebäude, direkt unterhalb das Schulgärtchen, dann die Nebengebäude bestehend aus Scheune und Aborte ersichtlich sowie der Schulhof Richtung Straße. Rechts neben dem Schulanwesen ist das Gasthaus „Zum Goldenen Löwen“ eingezeichnet.

Von Robin Helm

Der vorliegende Bericht, welcher aus mehreren Teilen besteht, führt die Lehrerliste des vorherigen Berichtes fort. Daneben wird auch die allgemeine Schulgeschichte näher beleuchtet. Insgesamt wird eine Zeitspanne von über 120 Jahren thematisiert, in der über 30 Lehrer kamen und gingen. Manche blieben über viele Jahre, heirateten und gründeten eine Familie. Andere wiederrum gingen schon nach einer kurzen Zeit, sodass Güttersbach für jene eine kurze Episode blieb. Einige Lehrer waren ein Segen für den Ort und andere das Gegenteil. Manche Schullehrer traten in Güttersbach ihre erste Stelle an, für andere wiederrum war es hier ihre letzte Station. Sei es durch deren Ableben oder durch Eintritt in den Ruhestand.

Jeder der einzelnen Lehrer bestimmte für eine gewisse Periode die Erziehung der Güttersbacher Schuljugend und war somit verantwortlich für deren geistige und körperliche Ausbildung. Aus heutiger Sicht undenkbar, damals aber gelebte Realität, war die Tatsache, dass eine Lehrkraft für bis zu 70 Kinder zuständig war.

Viele staatliche Systeme prägten das Schulleben. Am Anfang gab es noch Einflüsse der Grafen von Erbach-Fürstenau, welche mit der Besetzung der Schulstelle betraut waren. Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt, das Deutsche Kaiserreich, die Weimarer Republik, die nationalsozialistische Diktatur und schließlich die Bundesrepublik bestimmten maßgeblich die Schulerziehung. Einige Kriege brachen aus, Epidemien grassierten und Revolutionen herrschten.

Aber warum wurde als Startpunkt das Jahr 1847 gewählt, obwohl in Güttersbach schon im 17. Jahrhundert eine Schule bezeugt ist? Am 19. September 1847 wurde unter großer Anteilnahme der Dorfbevölkerung ein neues stattliches Schulgebäude eingeweiht. Dieses Schulhaus, welches über Jahre hinweg von allen Dorfbewohnern herbeigesehnt wurde, war der Nachfolgebau des im Januar 1842 abgebrannten alten Schulgebäudes. Demzufolge sollen nun alle Lehrer, die in der 1847 neu errichteten Lehranstalt tätig waren, näher behandelt werden.

Und dies soll wie folgt geschehen. Jeder Lehrer wird einzeln vorgestellt. Neben den biographischen Lebensdaten werden Ereignisse und Geschehnisse, die während der jeweiligen Amtszeit stattfanden aufgezeigt.

Georg Adam Kisseberth

*10. März 1814 Kirchbrombach +24. März 1886 Bessungen.

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Amtszeit in Güttersbach: vom Juli 1839 bis Ende März 1853.

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Kisseberth war das siebte und letzte Kind des Ackermanns und Försters Johann Adam Kisseberth (*1774 +1856). Zwei seiner Brüder ergriffen ebenfalls den Beruf des Lehrers.

Werdegang:

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1828 bis 1830 Schulpräparanden Anstalt in Kirchbrombach.

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1830 bis 1835 Schulverwalter in Ebersberg.

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1835 bis 1839 Schulverwalter in Steinbuch.

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1838 Definitorialprüfung: „zwischen gut und hinreichend“.

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1839 bis 1853 Lehrer in Güttersbach.

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1853 bis 1869 Lehrer in Friesenheim.

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1869 bis 1872 Lehrer in Wald-Uelversheim.

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1872 bis 1880 Lehrer in Dexheim.

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Am 24.Oktober 1880 Verleihung des Allgemeinen Ehrenzeichens mit der Inschrift „Für langjährige treue Dienste“ sowie Pensionierung.

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1. Eheschließung 1841 mit Eva Katharina Brauch (*? +?).

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2. Eheschließung 1874? mit Eva Christine Götz (*? +?).

Vorkommnisse:

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Das Lehrergehalt betrug in Güttersbach seit 1838: 160 Gulden (Anteil Gemeinde) + 90 Gulden Organisten Gehalt (Anteil Kirche). Kisseberth war der erste wieder definitiv angestellte Lehrer seit der Pensionierung Johann Conrad Streins im Jahr 1831. Im August 1839 ist er als „Präzeptor“ bezeugt.

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Im August und September 1841 wütete eine Ruhrepidemie in Güttersbach. Drei Schüler fielen ihr zum Opfer.

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Am 30. Januar 1842 brannte das alte Schulhaus aus dem Jahre 1786 ab. „Während er [Lehrer Kisseberth] an einem Sonntag Nachmittag, es war der 30. Januar 1842 mit seiner Frau in Hammelbach war, und viele Ortsangehörigen bei einer Leiche [Beerdigung des Johann Adam Heß, ein gebürtiger Güttersbacher] in Beerfelden sich befanden, brannte das Schulhaus, vermutlich in Folge von Fahrlässigkeit, ab.“

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Schuljahr 1841/1842: 56 Schulkinder. 34 Knaben und 22 Mädchen. Die Schule ist eingeteilt in eine Oberklasse mit 32 Kindern und einer Elementarklasse mit 25 Kindern. Unterrichtsgegenstände waren: Religion und biblische Geschichte, deutsche Sprache (Lesen, Sprachlehre, Aufsatz), Zahlenlehre (Tafel- und Kopfrechnen), Erd- und Naturkunde sowie der Gesang.

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Von 1842 bis 1847 war das Schullokal mangels eines Schulhauses provisorisch beim Hirschwirt Johann Jakob Jäger untergebracht worden.

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Da es auch an einer Lehrerwohnung fehlte, wohnte Lehrer Kisseberth in den Jahren 1842/1843 zuerst bei Löwenwirt Georg Ludwig Bär in einem kleinen Dachzimmerchen. Von 1843 bis 1845 im leerstehenden Pfarrhaus (Pfarrstelle vakant) sowie von 1845 bis 1847 bei Kronenwirt Georg Ludwig Heß

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Vom 24. April 1843 ist ein Schreiben Kisseberths überliefert, in welchem er sein großes Leid klagt. Er bittet um Versetzung, da die gegenwärtigen Zustände nach dem Brandunglück der Güttersbacher Schule äußerst schwierig waren: „Aber herzzereißend und tief erschütternd hat das an Brandunglücken so verhängnißvolle Jahr 1842 gleich den vielen andern betroffenen Unglücklichen, auch mich gleichermaßen heimgesucht. […] Wann aber erscheint der Tag, da mein schwarzbewölkter Himmel sich in freundlichen Sonnenschein verwandelt! Wenn mich noch mein Herz wegen Unbesonnenheit oder Unvorsichtigkeit verdauen müßte, so wäre ich schon in meinem Elende vergangen. […]. Ich wünsche also Erlösung aus meiner betrübten Lage und bewerb mich deshalb um rubricierte Stelle, […].“ Kisseberth hatte über die Jahre hinweg immer wieder mehrere Versetzungen angestrebt, die aber erfolglos blieben.

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Über das Wohlbefinden der Kinder machten sich die Gemeindevertreter zunehmend Sorgen. Im Februar 1845 heißt es: „Es sind jetzt schon 3 Jahre seitdem uns ein Schulhaus mangelt, und unsere Kinder müssen immer noch durch die äußerst dürftigen Räume die in hiesigen Ort zum Schullokal miethweise erlangt werden können, an Leib und Seele die größte Gefahr leiden.“

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Im Juni 1845 wird Lehrer Kisseberths Betragen als lobenswert bezeichnet und seine Dienstleistungen seien sehr gut. Sein Jahreseinkommen betrug 331 Gulden und 30 Kreuzer, wovon jedoch 75 Gulden als Kirchenrechner Gehalt inbegriffen waren. Sein Orgelspiel „[…] ist rein, leicht und ausdrucksvoll, überhaupt betreibt derselbe die Music mit Liebe und Eifer.“

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Am 06. Februar 1846 kam es endlich zu einer Einigung zwischen der Kirche und Gemeinde zwecks Erbauung eines neuen Schulhauses und dessen Unterhaltungskosten. Ab Sommer 1846 erfolgte der Schulhausneubau. Jedoch wurde die ursprünglich vorgesehene Bauzeit nicht eingehalten. So heißt es noch im Oktober 1846: „das Schulhaus selbst steht nicht einmal unter Dach.“

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10. Mai 1847: Tod der Schülerin Elisabetha Katharina Krämer (*1838).

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Am 19. September 1847: Einweihung des neuen Schulhauses. Inventar 1847: 1 Schreibpult, 10 Subsellien (Schulbänke), 1 Schrank und 1 Tafelgestell.

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Das Jahr 1847 sowie 1853 zeichneten sich noch als besondere „Theuerungs- und Hungernoths-Jahre“ aus. Das Laib Brot kostete statt bisher 12 bis 16 Kreuzer nun 36 bis 38 Kreuzer.

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1848 Märzrevolution in Deutschland. Am 08. März 1848 verloren die Grafen von Erbach „allerlei Rechte“. Volksversammlungen in Erbach, Michelstadt und Beerfelden.

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Am 07. Mai 1848 Tod des Schülers Georg Ludwig Keßler (*1838).

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Ende des Jahres 1848 erfolgte die Umsetzung der alten Schulscheuer vom Lindenplatz auf das Schulareal. Es wurden Schweineställen und Kinderabtritten darin eingerichtet sowie die Schulhofreite eingefriedet (Vertragsurkunde vom 15. Oktober 1848). Durchgeführt durch den Zimmermeister Mager aus Michelstadt für 430 Gulden.

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Februar/März 1849: Berichte über Mängel am Schulgebäude. Lehrerwohnung sei zu klein erbaut worden, der Speicher ist nicht ausgebaut, eine Kellertreppe fehlt, die Kamine seien falsch errichtet worden. „Überhaupt sind der Mängel so viele, daß wir nicht alles hier bemerken können.“

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1849 Gegenrevolution durch die Fürsten: Bayrische Jäger und kurhessische Infanterie marschierten auf der Chaussee in Hüttentahl. „Die Truppendurchzüge aller Waffen auf den schlangenförmigen Straßen in dieser pitoresken Berggegenden boten oft einen sehr malerischen Anblick.“ Am 19. Juni 1849 lagerten Truppen unter General von Bechtold mit der Vorhut in Hüttenthal, Güttersbach und Hiltersklingen. 4000 Mann in Güttersbach und Hüttenthal, größerer Anteil davon in Güttersbach. Viele übernachteten in der Pfarrscheuer: „Scheuer voll mit Soldaten“. Am nächsten Morgen zogen die Truppen Richtung Hirschhorn/Eberbach weiter.

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Um 1849 erhielt die Gemeinde Güttersbach mit Johann Jakob Beisel I. (*1819 + 1898) einen eigenen Bürgermeister. Zuvor war die Gemeinde Güttersbach sowie die Gemeinde Hüttenthal von einem gemeinsamen Bürgermeister verwaltet worden.

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August 1851: „Beleidigung im Dienst und Ehrenkränkung von Seiten des Georg Fändrich zu Güttersbach gegen den dasigen Lehrer“. Nur einen Monat später, am 08. September 1851, starb der 42-jährige Johann Georg Fändrich. Er wurde im Futtergang des Löwenwirts Johann Martin Brunner tot aufgefunden.

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Am 27. Oktober 1852 wurden Ausbesserungen am Schulhaus gefordert; U.a. das Eindringen von Regen und Kälte ins Gebäude angemahnt. Zustände seien manche Zeit nicht auszuhalten.

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13. November.1852: Schreiben des Pfarrers Johann Georg Dingeldein (*1808 +1873, von 1843 bis 1852 Kaplan zu Erbach) an Dekan Ludwig Albrecht Braun (*1797 +1869) zu Beerfelden überliefert. Darin berichtete dieser über einen außerdienstlichen Vorfall Kisseberths in Erbach, der viel Aufmerksamkeit erregte. Dingeldein bezog sich darin auf ein früheres Entlastungsschreibens Kisseberths, in welchem der Lehrer sein Fehlverhalten zu relativieren suchte. Dingeldein schreibt hierzu: „Ich bin entrüstet über die schamlosen Lügen und niederträchtigen Verleumdungen, mit welchen Lehrer Kisseberth, um sich zu beschönigen, selbst hohe Behörden gegenüber aufzutreten wagt, […]. Allerdings war damals Kisseberth in einem total betrunkenen Zustande vor einem Leichenzuge vorbei über die Straße gewankt, und mußte er um nicht in seinem despectierlichen Zustand vor Thore zu erscheinen, vor der Thüre des Zimmers im Gasthaus zur Burg [Hauptstraße 32 in Erbach], worin Sie sich befanden, zurückgewichen werden.“ Kisseberth wird in scharfen Worten der Scheinheiligkeit, des Muckertums sowie der schamlosen Lüge bezichtigt. „Es ist mir gänzlich unbekannt geblieben, welcher religiösen Richtung der jeweilige Lehrer des von Erbach ziemlich entfernten Dörfleins Güttersbach huldigt.“ Dingeldein forderte eine „ernste Zurechtweisung“.

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Nach fast 14-jähriger Dienstzeit verließ Kisseberth Güttersbach und trat eine neue Stelle in Friesenheim an.

Johann Ludwig Roth

*02. Mai 1826 Gundernhausen +14. September 1906 Groß-Zimmern.

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Amtszeit in Güttersbach: vom 01.April 1853 bis zum 15. Juli 1857.

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Roth war der Sohn des Küfers Johann Ludwig Roth II. (*1787+1846).

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Vier seiner Geschwister wanderten 1852 nach Amerika aus.

Werdegang:

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Vorbereitungsschule zu Radheim besucht.

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1847 bis 1849 im Seminar in Friedberg.

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1849 bis 1853 Schulverwalter in Bonsweiher, Kreis Lindenfels.

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Oktober 1853 Definitorialprüfung zu Darmstadt mit Note: „hinreichend“ bestanden.

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1853 bis 1857 Schulverwalter in Güttersbach.

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1857 bis 1860 Schulverwalter in Reisen.

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1860 bis 1861 Lehrer in Hüttenfeld.

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1861 bis 1873 Lehrer in Großhausen.

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1873 bis 1879 Lehrer in Zeilhard.

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1879 bis 1898Lehrer in Ueberau.

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1898 wurde Roth pensioniert.

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1. Eheschließung 1856 mit Elisabeth Maria Wörtche (*1832 +1871), mind. 4 Kinder.

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2. Eheschließung 1873 mit Anna Maria Kühn (*1851 +1909), mind. 4 Kinder.

Vorkommnisse:

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Diensteinkommen jährlich in Güttersbach 245 Gulden und 45 Kreuzer.

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12. Januar 1855: „Sein sittliches Betragen wohl zufrieden, auch hat er während seines zweijährigen Aufenthalts loyale Gesinnungen bethätigt, seine Dienstleistungen sind befriedigend. Als Lehrer wohl befähigt, und die Leistungen als Religionslehrer genügend, auch steht zu erwarten, daß bei größerer practischer Gewandtheit sich noch günstigere Resultate ergeben werden. Die Behandlung der Kinder freundlich, seine Lehrgabe gut, doch oft etwas gefühlt und schwülstig und nicht immer dem Ideenkreise der Kinder entsprechend. Sein Orgelspiel zu loben, und sein Eifer, sich darin immer mehr zu vervollkommen, anerkennungswerth, auch kann er den Kirchengesang leiten.“

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Im Februar 1855 bat Roth darum, definitiv als Lehrer in Güttersbach angestellt zu werden. Dieses Ansinnen wurde jedoch nicht genehmigt. Roth blieb bis zum Ende seiner Amtszeit in Güttersbach Schulverwalter.

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Ab 1855 wurden Lehrerkonferenzen gehalten. Am 21. März 1855 hielt Roth als Referent einen Vortrag über das Thema „Was kann die Schule zur Hebung des Kirchengesangs thun?“. Ergebnis: „das beste und sicherste Mittel, dessen sich eine Schule zur Hebung des Kirchengesangs bedienen kann, bleibt jedoch immer eine fortwährende, fleißige Uebung im einstimmigen Kirchengesang.“

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November 1855: Beschwerde wegen Misshandlung eines Schulkindes. Der Tagelöhner Georg Jacob Menges brauchte seinen Sohn, um eine Kuh auf den Viehmarkt nach Beerfelden zu führen. Der Sohn sollte sich die Erlaubnis beim Lehrer einholen, welche der Lehrer aber nicht erteilte. Trotz der nicht erteilten Erlaubnis blieb der Junge dem Unterricht fern. Als der Junge schließlich wieder in der Schule war, „erhielt er dann auch richtig seine Schläge und zwar so, daß sein Hintern ganz blau geschlagen“ wurde „und sicher aufgeschlagen worden wäre, wenn nicht durch die bessere Bedeckung etwas mehr Schutz vor den Schlägen gehabt hätte. Ein früherer Fall war schon früher einmal vorgefallen.“ Der Geistliche, an den sich der Vater des Kindes wandte, empfahl dem Lehrer größere Vorsicht beim Strafen. Lehrer Roth wollte sich von seinem angeblich begangenen Unrecht nicht überzeugen lassen und verlangte eine nähere Untersuchung des Falls. Dies lehnte Pfarrer Heinemann jedoch ab. In einem Rechtfertigungsschreiben verunglimpfte Lehrer Roth sowohl den Vater des Kindes als das Kind selbst als „Pöbel und Bengel“. Laut Heinemann suche nur ein haltloser Lehrer seine Stellung mit dem Stock zu festigen. Ein guter und aufrechter Lehrer hingegen benötige keinen Stock. Auch habe Roth aus Rache derart gehandelt, da er mit dem Vater des Kindes bereits mehrere Anstände gehabt hatte. „Der Lehrer ist freilich mit Einbildung und Selbstüberschätzung so gestraft, daß er es schon als ein Wagnis erklärt hat, daß überhaupt nur gegen seine geheiligte Person Klage erhoben worden ist“, so Heinemann. Roth hingegen entgegnete: „Was aber mir zur Pflicht gemacht, da kann ich den Weg nicht über die Schlange nehmen, ohne das Biest zischen zu machen. Widerspenstigkeit, Bosheit, Bengelhaftigkeit werden ohne Hehl derb heimgesucht: […] glaube ich, behaupten zu dürfen, daß da erst Anhänglichkeit und Achtung ersteht, wo Festigkeit und Consequenz zu Hause sind.“

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Der Fall ging dann noch so weit, dass Pfarrer Heinemann dem Lehrer, ohne dessen Kenntnis, den Prügelstock weggenommen hatte. Der Stock sei, so Roth, in letzter Zeit unerlässlich geworden, um „dem festen Wort, das trotzdem von den unteren Klassen häufig gleichgültig aufgenommen wird, im Notfall das Siegel aufzudrücken.“

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Am 16. März 1856 starb der Schüler Johann Adam Hörr (*1844).

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Am 18. Mai 1856 heiratete Johann Ludwig Roth die Elisabeth Maria geb. Wörtche (*1832 +1871) in der Güttersbacher Quellkirche.

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Am 07. Mai 1857 wurde die Tochter Ottilie in Güttersbach geboren.

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1857 zählte die Schule 71 Kinder. Im Juni 1857 betrug das jährliche Einkommen 251 Gulden.

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Aus einem Schreiben vom 30. Juni 1857 geht hervor, dass Lehrer Roths Haushalt aus 6 Personen bestand. Er, seine Frau, ein Kind, „und außerdem seine Mutter und eine Schwester mit ihrem Kind […]“ lebten im Schulgebäude.

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Kurz vor seinem Abgang behauptete Roth, dass er das Schulholz, welches von der Gemeinde zum Heizen der Schule beschafft wurde, in weitaus geringerer Qualität erhalten habe, als seine Vorgänger.

Jakob Helfrich

*12. Dezember 1838 Mittershausen +27. April 1911 Frankfurt am Main.

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Amtszeit in Güttersbach: vom 18. Juli 1857 bis 29. September 1860.

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Erstes Kind von insgesamt zehn Kindern des Lehrers Andreas Helfrich (*1816 +1880).

Werdegang:

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1855 bis 1857 im Seminar in Friedberg.

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Von Zeilhard kommend, wo sein Vater als Schullehrer in Diensten stand.

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1857 bis 1860 Schulverwalter in Güttersbach.

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1860 bis 1865 Schulverwalter in Hergershausen.

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1865 bis 1866 Schulverwalter der dritten Schule in Groß-Gerau.

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1866 bis 1867 Schulverwalter, 1867 bis 1872 zweiter Lehrer in Semd.

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1872 bis 1907 Lehrer in Hergershausen.

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Am 13. Juli 1907 Verleihung des Silbernen Kreuzes des Verdienstordens „Philipps des Großmütigen mit der Krone“ anlässlich seines 50-jährigen Dienstjubiläums.

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Am 03. September 1907 wurde Helfrich auf Nachsuchen unter Anerkennung langjähriger Dienste in den Ruhestand versetzt.

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Eheschließung 1862 mit Anna Margaretha Neuroth (*1837 +?)

Vorkommnisse:

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Güttersbach war Helfrichs erste Schulstelle. Er kam mit erst 18 Jahren frisch vom Lehrerseminar aus Friedberg hierher. Demzufolge war die Lehrgabe mit noch wenig Erfahrung ausgestattet und somit Lehrerfolg eher gering.

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04. August 1857„zur hiesigen Schulstelle gehören an Naturalien und Grundstücke folgende Besoldungstheile“:

1.) 5 Stecken Holz á 2 Gulden incl. Fuhrlohn, 10 Gulden.

2.) Acker am Kirchhof 269 Klafter (Kartoffel angebaut), 1 Gulden.

3.) Wiese, die Hirtenwiese, 1 Morgen? 45 Klafter, 5 Gulden.

4.) 30 Klafter Hausgärthchen am Schulhaus, 1 Gulden.

5.) 100 Klafter Gärtchen am Pfarrfeld, 1 Gulden.

6.) 200 Klafter der untere Kirchhof, 1 Gulden.

Die Grundstücke wurden teilweise verpachtet. Noch heute erinnert die Flurbezeichnung „Die Doctorsgärten“ (Doktor = lat. Lehrer) an die ehemaligen Schulgüter.

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Am 15. November 1857 war eine umfassende Kirchenrenovierung abgeschlossen worden. Beim Festzug durchs Dorf beteiligten sich die Schulkinder samt Lehrer, gefolgt vom Kirchenvorstand sowie Bürgermeister Hörr und aller Handwerksleute. Alle Glocken läuteten. Der Zug bewegte sich dann unter Vorantritt des Glöckners vom Schulhaus zur Kirche.

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1857 zählte die Schule 71 Schulkinder. 1858: waren es 68 Kinder (41 Knaben und 27 Mädchen) und 1859: 59 Kinder (34 Knaben und 25 Mädchen).

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Januar/Februar 1859: Bitte Helfrichs das gesamte Diensteinkommen zu beziehen.

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Im Jahr 1859 betrug das Lehrergehalt 251 Gulden, zuvor 215 Gulden.

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Helfrich wurde wie sein Vorgänger nie zum definitiven Lehrer von Güttersbach ernannt, sondern blieb Schulverwalter.

Teil III. in der nächsten Ausgabe