„Das Ziel der Ausstellung ist es, Eiszeitkunst erlebbar und insbesondere auch für Menschen mit Sehbehinderung erfahrbar zu machen“, fasst der Elfenbeinschnitzer Bernhard Röck den Hintergrund einer Ausstellung zusammen, die am 6. Oktober in Ulm eröffnet wurde und ihre Ursprünge in Erbach hat.
Gemeinsam mit Dr. Sibylle Wolf, im Auftrag der Universität in Tübingen, entwickelte Bernhard Röck bereits vor über 10 Jahren die Idee zur Ausstellung „Figürliche Eiszeitkunst Europas“. Das Besondere an der Ausstellung: Anstelle der Fundstücke aus der Eiszeit werden 23 detailgetreue Nachbildungen der teils nur bruchstückhaften Originale ausgestellt, die so ergänzt wurden, dass sie wieder „ganz“ wirken können. Die Exponate aus verschiedenen Materialien bieten damit erstmalige Einblicke in die 11.700 - 42.000 Jahre alte Kunstwelt der Eiszeit. Die detailgetreuen Nachbildungen sind fast alle in der Werkstatt des Elfenbeinschnitzers in Günterfürst bei Erbach entstanden; nur ein Exponat – eine Frauendarstellung aus Keramik – entstammt einer Werkstatt in Koblenz.
Angefertigt wurden die Ausstellungstücke von einem Team aus Elfenbeinschnitzern: Neben Bernhard Röck haben zudem die Schnitzerinnen und Schnitzer Elisabeth Kallis, Louis Corrigan, Philip Ocko, Antonia Schroeter, Eva Winkler sowie die Elfenbeinschnitzer-Meister Jannis Donke und Helmut Jäger in wochenlangen Schaffensphasen die Urformen entwickelt und geschnitzt.
Dabei war die enge Absprache zwischen dem Team und den Tübinger Archäologen eine zielführende Synergie zur Vervollständigung der Originalfundstücke. Mithilfe von neuesten Fotos, 3D-Drucken sowie Abgüssen der Eiszeitkunstwerke konnten die Objekte detailgetreu nachgearbeitet werden. Die Werkstoffe, aus denen die Ausstellungsstücke gefertigt sind, entsprechen denen der Originalfundstücke. Es handelt sich dabei um Mammut-Elfenbein, Gagat, Speckstein, Bernstein und Ton. Diese Vielseitigkeit zeigt sich auch in den Fundstellen der Eiszeitkunst, die in Deutschland, Frankreich, Tschechien, Slowakei und in Russland liegen.
Die entstanden Kleinskulpturen zeigen detailreich, wie Eiszeitmenschen ihre Umgebung künstlerisch wahrnahmen und besonders Tierfiguren in verschiedenen Materialien mit geschicktem Einsatz ihrer Steinwerkzeuge verewigten. Die Formen und Oberflächen der Exponate dürfen von den Besucherinnen und Besuchern vorsichtig berührt werden, sodass auch Sehbehinderte erstmals Eiszeitkunst tatsächlich „sehen“ können. Noch nie zuvor war es möglich, die Werkstoffe und Formen eiszeitlich Fundstücke direkt am Objekt zu erleben und fühlen zu können. So schließt die Wanderausstellung „Urformen – figürliche Eiszeitkunst Europas“ eine Erfahrungslücke.
Seit dem 07.10.2022 bis zum 22.01.2023 können sich Besucherinnen und Besucher in Ulm von den Eiszeit-Figuren begeistern lassen. 2024 wird die Wanderausstellung dann nach Stationen in Wiesbaden, Heidenheim und Stuttgart auch in Erbach gezeigt, bevor sie dann u. a. nach Berlin sowie nach Paris und Brünn (CZE) wandern wird.
Besucherinnen und Besucher der Schlossweihnacht in Erbach dürfen sich schon auf einen kleinen Appetithappen in der Orangerie im Lustgarten freuen: Schnitzer, die an der Herstellung der Urformen beteiligt waren, zeigen samstags und sonntags wie diese geschnitzt wurden und beantworten Fragen zur Ausstellung.
Und der beliebte Blickfang – das lebensgroße Mammut aus Günterfürst – wird ebenfalls vor Ort sein und viele Kinderaugen zum Leuchten bringen.