zur öffentlichen Sitzung des Gemeinderates vom 28.02.2023
Es wird festgestellt, dass sämtliche Gremiumsmitglieder des Gemeinderates zu der heutigen Sitzung ordnungsgemäß geladen worden sind und dass mehr als die Hälfte anwesend ist.
Der Gemeinderat ist somit beschlussfähig.
| TOP | Text | Beschluss-Nr. |
| 5. | Durchführung Ratsbegehren; Beschlussfassung | GR/0610 |
Aktenzeichen: 024-04
Gegenstand:
Aufgrund dringender Sanierungsmaßnahmen im Vita Alpina/Freibad sowie der Baufälligkeit des Kurhauses hat die Gemeinde Ruhpolding einen dringenden und notwendigen Sanierungs- und Baumaßnahmenbedarf. Ziel ist es, die neue Infrastruktur an die heutigen und künftigen Bedürfnisse des Tourismus und der Bevölkerung anzupassen. Daher fand im Oktober und November 2022 eine Bürgerwerkstatt statt, in der 40 per Zufall ausgewählte Ruhpoldinger Bürgerinnen und Bürger und 20 Vertreter örtlicher Vereine sich intensiv mit der Zukunft des Ortes beschäftigt haben. Auf Grundlage der erarbeiteten Vorschläge konnten im Anschluss alle Ruhpoldinger von Ende Dezember 2022 bis Ende Januar 2023 an einer online-Befragung teilnehmen, um ein breites Stimmungsbild zu generieren.
Dabei sprach sich eine Mehrheit von 5/6 für die Ansiedlung eines neuen Veranstaltungssaals im bzw. im Umfeld des Vita Alpina aus.
Um die dringend notwendige Sanierung des Vita Alpina, des Freibads und den Bau des neuen Veranstaltungssaals zu finanzieren, soll der jetzige Standort des Kurhauses für eine Hotelansiedlung genutzt werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Saal in ein neues Hotel zu integrieren. Zwei Investoren haben hierzu bereits ein Interesse bekundet.
In der Bevölkerung gibt es auch Befürworter, welche das bestehende Kurhaus mit seiner derzeitigen Kapazität erhalten und dafür den Betrieb des Freibades aufgeben möchten.
Aus der Bevölkerung hat sich eine Initiative für ein Bürgerbegehren zum Erhalt des Kurhauses gebildet. Der Antrag hierzu wurde am 28.02.2023 im Rathaus abgegeben.
Der Gemeinderat beschäftigte sich in seiner Klausurtagung vom 25.02.2023 intensiv mit den Ergebnissen der Bürgerwerkstatt und online Befragung.
Der Gemeinderat sprach sich nach Diskussion und eingehender Beratung für die Alternative Erhalt und Sanierung Vita Alpina und Freibad sowie dem Vorhalten eines Grundstücks zur Realisierung für einen Veranstaltungssaal, bei nur 2 Gegenstimmen, aus.
Die Komplexität der notwendigen Sanierungsmaßnahmen im Vita Alpina mit Freibad sowie ein Erhalt des Kurhauses stellt die Gemeinde vor einer finanziellen Herausforderung die nach der derzeitigen Haushaltslage, und einer wohlwollenden Betrachtung von Fördergeldern, parallel nicht durchführbar sein wird. Vor dem Hintergrund der Finanzierung der Maßnahmen gilt es diese beiden gesamt zu betrachten. Bei einem Bürgerbegehren (vorausgesetzt die formellen und materiellen Voraussetzungen sind erfüllt) mit einer Fragestellung das den Erhalt des Kurhauses innehat, ist die Thematik Vita Alpina (Erhalt, Reduzierung, Abriss) aufgrund der vorgenannten finanziellen Lage der Gemeinde nicht vollumfänglich betrachtet. Im Ergebnis würde dies heißen, dass bei einem positiv ausgehenden Bürgerentscheid das Kurhaus zu erhalten und zu sanieren ist und somit, aufgrund der dann nicht mehr vorhandenen Leistungsfähigkeit der Gemeinde, das dringend sanierungsbedürftige Vita Alpina und eventuell das dazugehörende Freibad geschlossen werden müsste. In Anbetracht dieser Gesamtmengengelage empfiehlt es sich im Zuge eines Ratsbegehrens die gesamte Thematik Vita Alpina, Freibad und Kurhaus betrachten zu lassen.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß Art. 18 a Abs. 2 Bayerische Gemeindeordnung (GO) kann der Gemeinderat beschließen, dass über eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde ein Bürgerentscheid stattfindet (Ratsbegehren).
Das Ratsbegehren kann auch als ein mit einem eingereichten Bürgerbegehren konkurrierendes und damit gegenläufiges Begehren beschlossen werden. Denkbar ist weiterhin, dass ein Ratsbegehren beschlossen wird, das inhaltlich und in der Zielsetzung im Wesentlichen mit einem eingereichten Bürgerbegehren übereinstimmt. In beiden Fällen sind ebenso wie bei zwei Bürgerbegehren dann jeweils zwei Bürgerentscheide durchzuführen, da es sich beim Bürgerbegehren um ein eigenständiges Verfahren handelt. Für jeden der Bürgerentscheide hat der Bürger eine Stimme. Die Bürgerentscheide sollten auch dann, wenn sie unterschiedliche Themen zum Gegenstand haben, nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung möglichst an einem Tag und auf einem Stimmzettel zusammengefasst durchgeführt werden.
Fragestellung:
Das Ratsbegehren muss als notwendigen Bestandteil eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung enthalten. Die Fragestellung muss entsprechend dem Sinn und Zweck des Bürgerbegehrens ausreichend bestimmt sein. Die Bürger müssen erkennen können, für was oder gegen was sie ihre Stimme abgeben und wie weit die Bindungswirkung des Bürgerentscheids nach dessen Entscheidungsinhalt reicht. Die auf eine Grundsatzentscheidung abzielenden Bürgerbegehren unterliegen damit strengeren Bestimmtheitsanforderungen als entsprechende Beschlussanträge im Gemeinderat, der an seine früheren Entscheidungen in keiner Weise gebunden ist und nicht vollzugfähige Beschlüsse jederzeit präzisieren kann. Bei mehrdeutigen, unpräzisen und zu Missverständnissen Anlass bietenden Formulierungen fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit der Fragestellung. Jedoch ist die Aufnahme mehrerer Teilfragen oder -maßnahmen in eine Fragestellung eines Bürgerbegehrens nicht ausgeschlossen, auch wenn derjenige, der die Teilaspekte an sich unterschiedlich beantworten möchte, nach dem Willen der Fragesteller vor die Entscheidung gestellt wird, einheitlich mit Ja oder Nein zu stimmen. Voraussetzung der Zulässigkeit ist jedoch, dass die Stellung von mehreren Fragen nicht gegen das Koppelungsverbot verstößt. An die sprachliche Abfassung der Fragestellung dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Das Rechtsinstitut Bürgerbegehren/Bürgerentscheid ist so angelegt, dass die Fragestellung von Gemeindebürgern ohne besondere verwaltungsrechtlichen Kenntnisse formuliert werden können soll.
Das einzelne Bürgerbegehren muss eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung enthalten. Damit sind Fragestellungen des Bürgerbegehrens ausgeschlossen und unzulässig, die es dem Bürger überlassen, zwischen vorgeschlagenen Alternativen oder sich gegenseitig ausschließenden Entscheidungen auszuwählen.
Hinsichtlich der Fragestellung für ein Ratsbegehren und unter Beachtung der Fragestellung des Bürgerbegehrens ist man nach Abstimmung mit dem Landratsamt Traunstein (Kommunalaufsicht) zu folgender Fragestellung für ein Ratsbegehren, dass alle Komplexe abbildet, gekommen:
Somit könnte der Abstimmungszettel folgende Fragestellungen haben:
Stimmzettel für den Bürgerentscheid in Ruhpolding am ……..
Sie haben bei allen Fragen jeweils nur 1 Stimme.
Soll das Vita Alpina und Freibad saniert und erhalten, sowie ein Grundstück für einen Veranstaltungssaal vorgesehen werden?
O Ja O Nein
Soll das Kurhaus mit Veranstaltungssaal und Kurpark saniert und erhalten werden?
O Ja O Nein
Falls die Mehrheit der Abstimmenden und mindestens 20% der Stimmberechtigten (gesetzliches Quorum) beide oben gestellten Fragen jeweils mit Ja beantworten, aber sich beide Maßnahmen zusammen als nicht parallel finanzierbar herausstellen,
soll saniert und erhalten werden
O Vita Alpina und Freibad mit Grundstück für Veranstaltungssaal
O Kurhaus mit Veranstaltungssaal und Kurpark
Die drei für das Ratsbegehren gestellten Fragen bilden unter anderem auch die vom Bürgerbegehren gestellte Frage 1:1 ab und es ermöglicht damit, unabhängig ob das Bürgerbegehren die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Zulassung erlangen, die Belange des Bürgerbegehrens im Ratsbegehren abzudecken.
Finanzielle Auswirkung:
Die Gemeinde hat die Kosten des Bürgerentscheides zu tragen, Art. 18a Abs. 10 Satz 2 GO. Laut derzeitiger Kostenschätzung entstehen für die Durchführung des Bürgerentscheides Kosten in Höhe von ca. 20.000€ (siehe Kostenaufstellung).
Da die entsprechende Haushaltsstelle im Haushaltsplan für 2023 lediglich die Kosten für die durchzuführende Landtagswahl beinhaltet, sind die Kosten des Bürgerentscheides als überplanmäßige Ausgaben durch den Gemeinderat zu genehmigen.
Beschluss:
Frage 1: Soll das Vita Alpina und Freibad saniert und erhalten, sowie ein Grundstück für einen Veranstaltungssaal vorgesehen werden?
O Ja O Nein
Frage 2: Soll das Kurhaus mit Veranstaltungssaal und Kurpark saniert und erhalten werden?
O Ja O Nein
Falls die Mehrheit der Abstimmenden und mindestens 20% der Stimmberechtigten (gesetzliches Quorum) beide oben gestellten Fragen jeweils mit Ja beantworten, aber sich beide Maßnahmen zusammen als nicht parallel finanzierbar herausstellen,
soll saniert und erhalten werden
O Vita Alpina und Freibad mit Grundstück für Veranstaltungssaal
O Kurhaus mit Veranstaltungssaal und Kurpark
durchzuführen.
Die entstehenden Kosten für den Bürgerentscheid werden als überplanmäßige Ausgaben genehmigt.
Als Termin für die Durchführung des Ratsbegehren wird Sonntag, 07. Mai 2023 festgelegt.
Abstimmungsergebnis:
Anwesend: 20
Für den Beschluss 20
Gegen den Beschluss 0
Befangen 0
Für die Richtigkeit des Auszuges:
Ruhpolding, 06.03.2023
gez. Stenglein