Titel Logo
Ruhpoldinger Gemeindeanzeiger
Ausgabe 35/2022
Ruhpoldinger Notizen
Zurück zur vorigen Seite
Zurück zur ersten Seite der aktuellen Ausgabe

As Leb´n is a Freid

8. Über Einfachheit

Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurück blicke, stelle ich fest, dass ich immer am glücklichsten war, wenn ich die Dinge so einfach wie möglich gehalten habe und in kein Extrem abgerutscht bin. Auf meine Ernährung bezogen kann ich es folgendermaßen formulieren: je mehr ich diese differenziert und je ernster ich sie genommen habe, desto komplizierter gestaltete sich mein Alltag dadurch und desto anstrengender fühlte es sich für mich an. Inzwischen ist mein Credo zu essen, wonach mir gerade ist und das versuche ich dann voll und ganz zu genießen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein frischer Zwetschgendatschi meiner Mama mit einem Klecks Sahne obendrauf schlecht für meinen Körper ist, wenn ich ihn in guter, dankbarer Energie zu mir nehme.

Zu Einfachheit und Körperpflege denke ich gerade an meinen Papa. Der wäscht sich seine Haare mit dem, was gerade in der Dusche steht. Und wenn das kein Haarshampoo ist, sondern nur ein Duschgel, dann nimmt er das, weil er davon überzeugt ist, dass da eh überall das Gleiche drin ist. Seine Haare sind weich und seine Haut ist gesund. Da komme ich nicht umhin mich zu fragen, ob er damit vielleicht sogar Recht hat und warum ich mir einen Mordsaufwand mit Conditioner und Anti-Frizz-Spray mache? Als Kind hab ich auch einfach irgendein Haarshampoo genommen und soweit ich zurück denken kann, war mein Haar gesund und kräftig und meine Haut war glücklich, wenn ich sie mit normaler Seife und Wasser gewaschen habe.

Auch in Hinblick auf sportliche Betätigung tut es mir am wohlsten, wenn ich das mache, was mir gerade Spaß macht: eine abenteuerliche Longboard Tour, ein entspannter Spaziergang durch die Felder oder ein verrückter Tanz durchs ganze Haus zu laut aufgedrehter Musik. Und wenn es dann einmal ein „Hardcore Workout“ sein soll, dann ist das auch okay und tut sau gut.

Manchmal denke ich zurück an meine Kindheit und Jugend ohne Handy und ohne Internet. Ich hatte Verabredungen mit meinen Freundinnen, die wir in der Schule ausgemacht hatten. Wir haben uns daheim am Festnetztelefon angerufen und unsere Eltern gebeten, uns zu verbinden. Wir sind Zug gefahren und haben uns unterhalten oder Karten gespielt. Wir waren am See und waren zufrieden damit, einfach auf einem Handtuch zu liegen und voller Freude ins Wasser zu springen, ohne die Absicht, das auf einem Foto festhalten zu wollen. Im Sommer genossen wir riesige Eisbecher und im Winter selbstgebackene Plätzchen.

Natürlich ist nichts falsch daran, seine Verhaltensmuster und Gewohnheiten von Zeit zu Zeit zu überdenken und sein eigenes Tun zu reflektieren. Jeder soll und darf seine eigene Meinung haben, vertreten und auch wieder ändern. Das ganze Leben verändert sich ständig. Aber zu viel Selbstoptimierung bringt uns denke ich von dem Ziel ab, das uns Menschen meiner Meinung nach alle verbindet: zufrieden und glücklich zu sein.

Mir fällt es am leichtesten, im Hier und Jetzt zu sein, wenn ich mir nicht zu viele Gedanken mache, mich selber nicht zu ernst nehme und über meine Eigenheiten und „Special Effects“ schmunzeln kann. Außerdem erkenne ich immer mehr die Magie in dem Satz, den mein Papa immer sagt: „Nicht der ist am glücklichsten, der am meisten hat, sondern der am wenigsten braucht“. Es ist so ein grandioses, befreiendes Gefühl, wenn man einmal aus dem Konsum-Hamsterrad aussteigt und sich bewusst macht, wie reich wir alle bereits sind.

Weniger denken, mehr machen, leben, atmen und präsent sein. Im Hier und Jetzt. Mit dem Herzen sehen. Fühlen. Still sein. Dankbarkeit aussenden und empfangen. As Leb´n is a Freid – mit allem.

Lisa Maria Schweidler