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Ruhpoldinger Gemeindeanzeiger
Ausgabe 48/2022
Mitteilungen aus dem Rathaus
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Bürgerbeteiligung Ortsentwicklung

Bürgermeister Justus Pfeifer hieß alle Bürgerinnen und Bürger und ganz besonders die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerwerkstatt herzlich willkommen.

Die 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellten ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit vor.

Nach der Präsentation der Ergebnisse, konnten sich die Bürgerinnen und Bürger an den Infoständen der jeweiligen Gruppe gezielt informieren und weiter diskutieren.

Voller Saal bei der öffentlichen Veranstaltung des Bürgerbeteiligungsprozesses Ortsentwicklung Ruhpolding: Rund 200 Personen verfolgten gespannt die Präsentationen der Arbeitsgruppen der Bürgerwerkstatt

Der Saal füllte sich schnell am 16. November, als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bürgerwerkstatt Ortsentwicklung Ruhpolding ihre Ergebnisse vorstellten. Am Schluss wurden rund 200 Personen gezählt, die gespannt im Pfarrsaal der Gemeinde Platz nahmen. Dass die zentralen Themen Zukunft Kurhaus, Zukunft Vita Alpina, Zukunft Kurpark sowie die Überlegungen zur Ansiedelung eines Hotels und zum Standort des dringend benötigten Veranstaltungssaales die Herzen und Gemüter der Anwesenden bewegte, war deutlich zu spüren. Doch gerade um aus der gegenseitigen Blockade der unterschiedlichen und teilweise emotional aufgeladenen Überzeugungen herauszukommen, hatte Bürgermeister Justus Pfeifer den Bürgerbeteiligungsprozess mit Unterstützung der Firma Agorakomm angestoßen. Die öffentliche Veranstaltung war dabei bereits der 3. Schritt auf dem Weg zu einem Gemeinderatsbeschluss, der dann im Frühjahr 2023 die fast 20jährige Diskussion beenden und die Weichen für die Ortsentwicklung stellen soll.

„Ich freue mich enorm über die vielen kreativen Ideen aus der Bürgerwerkstatt. Nun haben wir wunderbare Diskussionsgrundlagen, die Sie hier im Saal und anschließend in der Online-Beteiligung weiterentwickeln können. Das ist gelebte Demokratie, so packen wir die Zukunft unseres Ortes gemeinsam an“, eröffnete Bürgermeister Justus Pfeifer die Veranstaltung. Dann übernahmen Solveig Grundler und Gabriele Übler von Agorakomm das Mikrophon und führten gemeinsam durch den Abend. Im Zentrum stand dabei die Vorstellung der insgesamt vier Gruppenergebnisse sowie direkt im Anschluss die Möglichkeit der Besucherinnen und Besucher mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Werkstatt direkt ins Gespräch zu kommen und auch noch eigene Anliegen, Wünsche oder Bedenken vorzubringen und in den Beteiligungsprozess mit einfließen zu lassen.

Doch bevor es an die Inhalte ging, holten die Moderatorinnen alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Bühne und interviewten sie kurz zu ihren Eindrücken aus den beiden Bürgerwerkstätten. Ein Großteil war per Zufall für die Teilnahme dort ausgelost worden. Ein Verfahren, das durchweg auf Zuspruch traf. Positiv überrascht sei man über das offizielle Einladungsschreiben gewesen und habe dann gern die Gelegenheit ergriffen, sich in die Ortsgestaltung einzumischen. „Und die Arbeits-Atmosphäre war erstaunlich konstruktiv“, erzählte Dr. Harald von Knoerzer-Suckow, „ich dachte, ich zieh mir besser meine Streitjoppen an, wenn ich da hingehe – aber dann war das ein ganz tolles Miteinander, trotz teilweise sehr unterschiedlicher Auffassungen. Wir wollen mit unserer Gruppe weitermachen und werden auch die nächsten Beteiligungsschritte interessiert verfolgen“.

Die Ergebnisvorstellung begann dann mit Gruppe eins „Kurhaus erhalten“. In Bezug auf den umstrittenen Abriss des Kurhauses ist es die einzige Gruppe, die sich für die Sanierung stark macht. Überraschend die Zusammensetzung dieser Gruppe: sie bestand überwiegend aus Jugendlichen und nicht - wie im Vorfeld angenommen – aus eher älteren Menschen, die sich der Tradition von Kurpark und Kurhaus verpflichtet fühlen. Die Hauptargumente pro Sanierung Kurhaus waren Bestandserhaltung und Schonung der Ressourcen, die Wahrung der Tradition, das ortsprägende und identitätsstiftende Gebäude. Dem Lösungsansatz dieser Gruppe nach sollte das Kurhaus in seiner Größe erhalten bleiben, jedoch in unterschiedliche, je nach Anlass große Veranstaltungs- bzw. Seminarräume flexibel unterteilt werden können. In den Keller sollte der Jugendtreff einziehen und in das Dachgeschoss möglicherweise ein Kindergarten integriert werden. Die große Küche wäre dabei von Vorteil, denn sie könnte für die Versorgung der Schulen, Kindergärten und sonstige Einrichtungen genutzt werden. Positiv seien auch die insgesamt geringen Investitionskosten, denn die Sanierung würde weitgehend gefördert, der teure Neubau eines Veranstaltungssaales dadurch überflüssig. Zudem geht die Gruppe davon aus, dass das Kurhaus einmal modernisiert und dann mit einem engagierten Betreiber samt innovativem Konzept ausgestattet, rentabel zu führen sein wird. „Gute Betreiber zu finden, ist ja schließlich auch eine Voraussetzung für die anderen Konzepte“, erläuterte Michael Meisl. Den Vorschlag, das Kurhaus abzureißen, um dort ein Hotel zu errichten, lehnte diese Gruppe entschieden ab. Ihre deutliche Botschaft an den Gemeinderat: „Das Herzstück von Ruhpolding darf nicht verkauft werden“.
Die Gruppe zwei hatte sich mit dem Vorschlag der Verwaltung beschäftigt. Der Abriss des Kurhauses samt Flächenverkauf mit Hotelansiedelung wurde mehrheitlich als gut befunden. Allerdings wurde bemängelt, dass es nur eine Machbarkeitsstudie zu dem Hotelstandort auf der Kurparkfläche gäbe – nicht aber zu möglichen anderen Hotelstandorten. Auch die dritte Gruppe schließt sich zwar mehrheitlich dem Vorschlag des Abrisses des Kurhauses an und ist für eine Hotelansiedelung offen – aber nicht zwingend im Kurpark. Den Hinweis, eine Machbarkeitsstudie zu anderen Hotelstandorten in Auftrag zu geben, griff Bürgermeister Justus Pfeifer im Nachgang der Veranstaltung auf: „Das sollten wir in der Tat prüfen, auch im Hinblick darauf, dass der Verkauf der Kurparkfläche teilweise als so kritisch gesehen wird“. Die Gruppe vier sprach sich ebenfalls mehrheitlich für den Abriss des Kurhauses aus und kann sich allerdings – unter Voraussetzung einer guten Hotelstandort-Prüfung - ein „flächenschonendes“ Familienhotel mit max. 100 Betten im Kurpark vorstellen.

Viele Menschen, viele Ideen – doch eine mehrheitliche Bereitschaft, das Kurhaus abzureißen wurde im Rahmen der Bürgerwerkstatt deutlich. Große Einstimmigkeit herrscht hingegen gruppenübergreifend bei dem Wunsch, den Kurpark als lebendiges und grünes Begegnungszentrum im Ort aufzuwerten. Ideen dafür: der Bach soll wieder freigelegt werden, der Weiher hingegen entfernt werden, Bänke und Sitzgelegenheiten in Richtung Berge aufgestellt werden, eine outdoor-Bühne für Musikveranstaltungen (eher, als den bestehenden Pavillion zu sanieren), etc.

Weitgehende Einigkeit auch bei der Zukunft Vita Alpina: Sowohl der Außenbereich als auch der Innenbereich sollen saniert und dabei deutlich verkleinert werden, um das Bad insgesamt rentabler führen zu können. Beim Thema „Erhalt der Welle“ allerdings scheiden sich die Geister. Einerseits stellt sie durchaus ein Alleinstellungsmerkmal in der Chiemgauer Bäderlandschaft dar, andererseits ist sie nicht mit einem Multifunktionsbecken kompatibel, das auch für Sportschwimmerinnen und Schwimmer geeignet wäre. Dass die Welle für einige leidenschaftliche Vita Alpina-Besucherinnen und Besucher unverzichtbarer Bestandteil des heimischen Bades ist, wurde vor allem auch in der anschließenden Diskussion der öffentlichen Veranstaltung deutlich. Die Bürgerwerkstatt war zu diesem Thema vor allem mit Blick auf die notwendige Verkleinerung überwiegend weniger leidenschaftlich.

Die Idee der Verwaltung, den Veranstaltungssaal in das Vita Alpina zu integrieren, stieß bei den Gruppen, die sich den Abriss des Kurhauses vorstellen können, weitgehend auf Sympathie. Die angedachten Synergieeffekte im Rahmen der Gastronomie überzeugten, wobei gerade auch mit Blick Kosten auf eine maximale Förderung mit den entsprechenden Anforderungen geachtet werden soll.

Wichtig für den Gemeinderat zum Thema Zukunft Ruhpolding sind auch die allgemeinen Botschaften zur Ortsentwicklung: so wurde die Bedeutung der Schaffung eines Jugendtreffs hervorgehoben, zudem kam die Forderung eines Radwege-Konzeptes, die Idee, im alten Schloss ein Haus der Begegnung einzurichten, die Notwendigkeit von Schaffung bezahlbaren Wohnraums und die Dringlichkeit der Umsetzung von erneuerbaren Energiemaßnahmen (z.b. Photovoltaik auf gemeindlichen Liegenschaften) auf.

Ein Auszug aus der Arbeit der Bürgerwerkstätten wird für die Online-Beteiligung erstellt: da sind dann nochmals alle Ruhpoldinger und Ruhpoldingerinnen aufgefordert, ihre Meinung zu äußern oder auch eigene Ideen einzubringen. Der Start der Online-Beteiligung wird noch bekannt gegeben.

Allgemeine Informationen zum 1. und 2. Schritt des Bürgerbeteiligungsprozesses, der Bürgerwerkstatt

Wer hat in der Bürgerwerkstatt gearbeitet ?

Schritt 1 und Schritt 2 des Bürgerbeteiligungsprozesses bestanden aus einer insgesamt 2,5tägigen Bürgerwerkstatt mit insgesamt 60 Personen: 20 Interessensvertreterinnen und Interessensvertreter von Vereinen wurden von dem parteiübergreifend besetzten Vorbereitungskreis ausgewählt und 40 waren durch einen Zufallsgenerator nach Alter und Geschlecht ausgewählte Personen. Ein Ehepaar staunte nicht schlecht, als es bei dieser Zufallsauswahl zweimal zum Zuge kam. Sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau erhielten jeweils ein persönliches Einladungsschreiben vom Bürgermeister und meldeten sich daraufhin beide an. Insgesamt wurden 400 Briefe verschickt, fast punktgenau gab es die notwendigen 40 Rückmeldungen für die Vergabe der freien Plätze. Das Feedback der per Zufall ausgelosten Teilnehmerinnen und Teilnehmer war durchweg positiv. Die direkte Ansprache im Einladungsschreiben habe positiv motivierend gewirkt und an ihre Bürgerpflicht appelliert. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer arbeiteten dann auch trotz strahlendem Sonnenschein und trotz der inhaltlich anspruchsvollen komplexen Thematik hochkonzentriert und engagiert mit. Das Format und die intensive konstruktive Arbeitsatmosphäre hat Lust auf mehr Beteiligung gemacht, wurde abschließend resümiert. Eine Arbeitsgruppe gründete eine gemeinsame WhatsApp-Gruppe und will sich auch künftig engagieren und den aktuellen Beteiligungsprozess weiter aufmerksam begleiten. „Es interessiert uns natürlich, wie es jetzt weitergeht, was mit den Ergebnissen passiert und wie der Entscheidungsprozess weiter verläuft“, erzählte Sigrid Haitzer.

Was war das Ziel der Bürgerwerkstatt ?

Es ging um die Entwicklung von Lösungsansätzen zu den zentralen Themen Zukunft Kurhaus, Vita Alpina, Veranstaltungssaal und Hotel Ansiedelung. Dabei hatte die Verwaltung einen komplexen Diskussionsvorschlag eingebracht, der alle Themen miteinander verbindet und die bislang ungelösten Probleme wie einen gordischen Knoten mit einem Schlag auflöst. Nämlich: Kurhaus abreißen, Fläche verkaufen und dort ein Hotel ansiedeln, mit dem Erlös aus dem Flächenverkauf das Vita Alpina sanieren und dort den Veranstaltungssaal integrieren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten nun frei entscheiden: Wer wollte, konnte diesen Vorschlag weiterentwickeln, wer wollte konnte Ideen zum Erhalt des Kurhauses entwickeln, sich mit der Zukunft Vita Alpina beschäftigen oder die Ortsentwicklung als Ganzes in den Blick nehmen. Zum Ende der Bürgerwerkstatt musste sich jede der vier Gruppen mit Lösungsansätzen und Ideen zu allen vier Themen, nämlich der Zukunft von Kurhaus, Kurpark, Veranstaltungssaal und Vita Alpina positionieren. Diese Ergebnisse wiederum wurden in der öffentlichen Veranstaltung am 16. November präsentiert, von den Anwesenden diskutiert und teilweise kommentiert. All dies fließt nun in den 4. Schritt des Beteiligungsprozesses, die Online-Beteiligung, ein.

Wie ist die Bürgerwerkstatt abgelaufen?

Zunächst wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit viel Input zu den Kernthemen Ortsentwicklung und Weiterentwicklung des Kurparks mit Kurhaus (Herr Gronle vom Planungsbüro Plankreis) sowie zu Bäder-Trends und einer Auseinandersetzung mit den Sanierungsmöglichkeiten im Vita Alpina (Thomas Maier von GFM), aber natürlich auch mit Daten und Fakten aus der Kämmerei und dem Bauamt gefüttert. Für die Arbeitsphase teilten sie sich am darauffolgenden Tag in vier Gruppen auf. Besonders spannend dabei: in Teil 1 der Werkstatt arbeiteten die Gruppen strikt getrennt voneinander, entwickelten ihre Lösungsansätze also jeweils unabhängig. Übrigens auch unabhängig von Einflüssen der Politik: Bürgermeister Justus Pfeifer wurde nach seiner Begrüßung und der Vorstellung des Lösungsvorschlags der Verwaltung wieder heimgeschickt. Die Gemeinderäte waren zur Bürgerwerkstatt nicht eingeladen. Die Teilnehmer/-innen der Bürgerwerkstatt sollten und durften eigenständige Lösungsansätze entwickeln. Selbst das Mittagessen wurde in getrennten Räumen eingenommen. Erst am Abend trafen die Gruppen wieder aufeinander und präsentierten sich gegenseitig und dem Bürgermeister die mit Spannung erwarteten Ergebnisse. Im 2. Teil der Bürgerwerkstatt vier Wochen später erhielten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen dann Rückmeldungen zu ihren Lösungsansätzen in Hinblick auf Kosten oder kritischen Punkten von Seiten der Experten: Plankreis, GFM, der Kämmerei, der Touristik und dem Bauamt. Im Anschluss hieran gab es erstmals direkten Austausch unter den Gruppen. Wer wollte konnte sich Anregungen holen oder auch aufgrund der Informationen vom Vormittag die Lösungsansätze überarbeiten. Nachmittags ging es dann in den Endspurt: Finalisierung der Ergebnisse, Erarbeitung einer Gruppenbotschaft sowie die Vorbereitung der Präsentation für die öffentliche Veranstaltung am 16. November.

Agorakomm