Das hätte eine sehr deprimierende Lektüre werden können, wenn man bedenkt, mit welchen Problemen die beiden Protagonisten zu kämpfen haben. Während Hubert seine Vergangenheit vergessen hat, weiß Linda nicht, was sie mit ihrer Zukunft anfangen soll. Linda ist eine Fünfzehnjährige mit einer komplizierten Familiengeschichte, die vor ein Auto laufen will, um ihr Leben zu beenden. Hubert ist mal Bademeister gewesen, inzwischen sechsundachtzig und seine Demenz schreitet zügig voran. Beide sind sie auf ihre Art orientierungslos. Linda passt für Geld ab und zu auf Hubert auf, um Ewa zu entlasten, die polnische 24-Stunden Pflege. Außer Hubert trifft Linda nur manchmal noch Kevin, einen Teenager, der an der Selbstzerstörung der Welt verzweifelt. Klingt nach Einsamkeit und Trostlosigkeit. Warum sollte man so etwas lesen wollen? Weil der Roman mit einer warmen und hoffnungsvollen Atmosphäre durchzogen ist. Weil wir an Linda glauben, von Anfang an. Ihre Empathie, ihr schräger Humor, wie sie Sachen sagt, die tatsächlich zum Lachen sind. Sie hat ihre eigenen Methoden, um zu Hubert durchzudringen, der zunehmend in seiner Welt gefangen ist. Es ist anrührend, wie sie und Kevin Geräusche aus dem Schwimmbad aufnehmen, um sie Hubert vorzuspielen zu können. Wie sie sich freut, wenn er ihre Hand drückt. Und dann die Warmherzigkeit von Ewa, für die Pflege ein Job ist, den sie mit ihrer ganzen Seele ausübt und für die die Würde des Patienten ein hohes Gut ist. Genau wie Linda möchten wir sie an uns drücken und fest umarmen. „Weniger fühlen wäre total okay.“, sagt Linda. Aber sie fühlt und das hält sie am Leben, auch angesichts des Todes. Es ist auch diese Feinfühligkeit im Erzählton, der dieses Buch zu einem literarischen Ereignis macht. Es lohnt sich darauf zu hören.