Dieser Roman ist wie ein Gemälde, bei dem man zwar fasziniert die Einzelheiten betrachtet, doch erst wenn man einen Schritt zurücktritt, das große Ganze sieht. Die ganze Schönheit dieses Werkes offenbart sich nach und nach, je weiter man vorankommt. Und das ist viel mehr als die einzelnen Geschichten, obwohl die für sich betrachtet auch schon großartig sind. Da ist die Erzählung von Anna und Omeir, als 1435 Konstantinopel belagert wurde. Anna in der Stadt, Omeir davor. Beides noch beinahe Kinder, deren Schicksal sich mit diesem geschichtlich so bedeutenden Ereignis kreuzt. Dann wird die Lebensgeschichte von Zeno erzählt, einem Außenseiter mit einem sehr bescheidenen Leben, das im heutigen Idaho in einer Bibliothek endet. Die nicht stattgefundene Liebesgeschichte zwischen ihm und Rex, dem er im Koreakrieg begegnet, nimmt nur wenig Platz ein, ist aber so zart und behutsam erzählt, dass sie im Gedächtnis bleibt. Zeno verhindert einen Anschlag in der Bibliothek, den der siebzehnjährige Seymour plant, auch ein Außenseiter und fasziniert von den radikalen Ideen einer Gruppe, die die Welt und das Klima vor den Menschen schützen will. Dann ist da noch Konstance, die in der Zukunft an Bord eines Raumschiffes lebt, auf dem Weg zu einem neuen Planeten, um wenigstens die Menschheit zu retten, denn die Erde wird wohl nicht zu retten sein. Die Klammer bildet das Fragment eines antiken Textes, eine Abenteuergeschichte, durch die Jahrhunderte getragen von Menschen, die den Wert des geschriebenen Wortes lieben und bewahren wollen. Doerr widmet seinen Roman allen Bibliothekaren in allen Zeiten, denn manchmal sind es Bücher, die uns am Leben erhalten. (D.A.)