Der „schönste Arbeitsplatz in Nesselwang“ ist für Kirchenmusiker Gottfried Allgaier seit über vierzig Jahren die Empore der Pfarrkirche. Am 1. März 2024 gibt er sein Amt und den Taktstock ab.
Es gab sehr viele schöne Ereignisse im musikalischen Leben von Gottfried Allgaier – er darf sich zurecht über reichlich Erfolg und Anerkennung freuen.
Er hat es schon vor mehr als einem Jahr angekündigt, aber so recht glauben konnte es niemand: „Ich gehe Ende Februar 2024 in Ruhestand“. Gottfried Allgaier, der Nesselwanger Kirchenmusiker, macht es nun wahr. Zum 1. März legt er nach über vierzig Jahren sein Amt nieder und übergibt Taktstock und die Orgel von St. Andreas seinem Nachfolger.
Mit dem Aufhören angefangen hat es schon im Juli 2022 beim Abschlusskonzert des „Ensemble Vocale“, das Gottfried Allgaier gründete und dreißig Jahre lang leitete. Und mit dem letzten großen Chor- und Orchesterkonzert im Juni 2023 in der Nesselwanger Pfarrkirche wurde es allgemein bekannt, dass er den „Beruf mit dem schönsten Arbeitsplatz in Nesselwang, nämlich auf der Empore der Pfarrkirche“, wie er sagt, in jüngere Hände geben wird.
Wie kam er überhaupt dazu, Kirchenmusiker zu werden? Gottfried, Jahrgang 1960, wohnt während der weiterbildenden Schulzeit im Bischöflichen Studienseminar in Kempten, will vielleicht mal Erzieher werden, spielt mit Hingabe Gitarre, lernt dort seinen Wegbegleiter und damaligen Jugendpfarrer Josef Hutzmann kennen, der ihn viel in Kirchen mitnimmt und Jazz-Messen begleiten lässt. So sammelt Gottfried erste Erfahrungen mit dem ‚Neuen Geistlichen Lied‘, wie es heute genannt wird. Er macht Stubenmusik und tritt hauptsächlich mit Bands auf. Klavier lernt er erst mit achtzehn.
Pfarrer Franz Greß bringt ihn dann auf die Idee, dass es auch ein Studium für Kirchenmusik gibt, also meldet er sich kurzerhand in der neuen ‚Berufsfachschule für Musik‘ in Altötting an. Es war der letzte Tag der Bewerbungsfrist – „ich war überzeugt, dass ich viel zu spät dran bin“ – aber nein, er war der erste und zunächst einzige Schüler dort! „Ich habe hingeschrieben und bin genommen worden“.
Nach zwei Jahren schafft er die C-Prüfung für nebenberufliche Kirchenmusiker. Am damaligen Richard-Strauß-Konservatorium in München (ist heute in die Hochschule für Musik integriert) hängt er noch acht Semester dran und erreicht das B-Examen für Kirchenmusik mit einem Notendurchschnitt von 1,3. Außerdem absolviert er noch ein Zweitstudium als „Staatlich geprüfter Musiklehrer“.
Während des Studiums hat er bereits ab 1980 den Kirchenchor in St. Andreas Nesselwang übernommen, denn nach dem Tod von Chordirektor Otto Kuen anno 1975 hatte es lange Jahre keinen „richtigen“ Organisten und Chorleiter gegeben.
Kleine Anekdote am Rande:
1982 – ein Samstag, 20.00 Uhr - erstes Chor-Konzert unter Leitung des 22-jährigen Gottfried Allgaier im Bärensaal – das Orchester dirigierte Bruno Kuen, Sohn von Otto – der Saal war schon um halbacht brechend voll – viele Besucher mussten heimgeschickt werden – was tun? - das Konzert wurde ohne lang zu fackeln am Sonntag drauf wiederholt – bitte weitersagen - der Saal war am Sonntag nochmal fast voll ….
Aber zum Lebensunterhalt hat diese Tätigkeit halt nicht gereicht, also nimmt Gottfried 1986 eine Stelle in Peiting als Chor- und Orchesterleiter an, wo er außerdem wertvolle Erfahrungen sammeln kann.
„Große Auszeichnung für jungen Organisten“ – so lautete die Überschrift eines Artikels des FÜSSENER BLATT vom 4.9.1987: Gottfried Allgaier wird zum (jüngsten) Stiftskapellmeister in Altötting bestellt! Die Kommission verzichtete auf eine Stellenausschreibung, sein Vorgänger bescheinigte ihm einfach die Qualifikation. Das ist das Höchste, was ein Kirchenmusiker erreichen kann – aber auch das Anstrengendste: Leitung aller Chöre und Orchester der vielen Altöttinger Kirchen, anspruchsvolle Konzerte, jeden Sonntag eine andere Orchestermesse. „Die Musiker hatten alles drauf, ich musste mich oft ohne Probe selber darauf vorbereiten und zur Aufführung ans Pult stellen“. Es war schön aber aufregend, gibt Gottfried zu.
Kleine Anekdote am Rande:
„Ich hatte vor Konzerten oft einen Traum: die Kirche ist proppenvoll, aber vom Chor ist nur ein Sänger da – oder umgekehrt: Chor und Orchester sind vollzählig, aber kein einziger Besucher da …“
Weil Nesselwang immer noch „ohne“ war, hat ihn Franz Egger, damals Pfarrgemeinderatsvorsitzender und späterer Kirchenpfleger, eines Tages angerufen und gefragt, ob er aus seinen Kreisen jemanden wüsste. Dies war wohl der zündende Moment für Gottfrieds Überlegung, wieder in seine Heimat zurückzukehren.
Es war lange ein Geheimnis, aber bei der Chor-Jahresversammlung im November 1988 durften Mutter Erika Allgaier und Pfarrer Franz Greß unter großem Beifall stolz verkünden: „Er kommt zu uns zurück“.
Seit Juli 1989 ist Gottfried Allgaier hauptamtlicher Kirchenmusiker und musikalischer „all-rounder“ für ganz Nesselwang. Er hat seinen Kirchenchor zu beachtlichen Erfolgen geführt und das „hauseigene“ Orchester weithin bekannt gemacht. Über fünfzehn Orchestermessen – mehr als für jeden Festtag eine – sind in verschiedenen Besetzungen im Repertoire. Und er hat praktisch den gesamten Nachwuchs vieler Chöre unter seinen Fittichen, wobei ihn seine Frau Andrea, ebenfalls Musiklehrerin, tatkräftig unterstützt.
Andrea gründete bereits als Achtzehnjährige den Jugendchor Nesselwang, den sie somit bereits 36 Jahre lang dirigiert. Nicht selten sprang sie als Co-Dirigentin und Orgelspielerin auch bei Gottesdiensten ein. Dass sich die beiden auf musikalischer Ebene kennenlernten – Hochzeit im August 1988 - war privat und auch für Nesselwang ein Glücksfall. Als Anerkennung seitens der Gemeinde wurden beide vor zehn Jahren mit der ‚Goldenen Nessel‘ ausgezeichnet.
Kleine Anekdote am Rande:
„Auf Maria-Trost war Strom-Ausfall - ich sollte bei einer Hochzeit Orgel spielen – da hab‘ ich einfach jemanden von der Hochzeitsgesellschaft dazu beordert, den Blasebalg zu treten, wie in früheren Zeiten. Es hat tatsächlich funktioniert …“
Beide Allgaiers haben ihre musikalischen Talente verwirklicht, sind humorvoll, bescheiden, ausgeglichen und begnadete Könner, haben ihre Begabungen nicht nur an ihre drei Kinder weitergegeben, sondern bereichern die Nesselwanger Jugend mit einem vielfältigen Sanges- und Instrumentalunterricht. Musik liegt ihnen am Herzen – nicht nur in der Kirche. Und: Musik hält jung – man sieht es an Gottfried selber: er ist bis heute aktiver Sänger im Jugend-Chor seiner Frau!
Wie viele Instrumente beherrscht er eigentlich? Klavier, Orgel, Gitarre, Geige („nein, nur mal angefangen“), Hackbrett, Kontrabass - und seit geraumer Zeit nimmt er Cello-Unterricht – a bissle Privatvergnügen muss doch auch sein ….
Hat er jemals seine Berufswahl bereut? Grundsätzlich nie – höchstens manchmal, in Situationen, wenn kurzfristig Leute im Orchester ausfallen und schnell um Aushilfen geschaut werden muss – „das kann dann schon in Stress ausarten“. Oder wenn – als die Kinder noch klein waren - die Familie einfach zu kurz kam, zum Beispiel wegen der vielen musikalischen Gestaltungen rund um die Weihnachtstage.
Seinen Nachfolger, den jungen Nesselwanger Andreas Dasser, hat Gottfried einige Jahre in Orgel unterrichtet. Er freute sich, dass sich Andreas für die Stelle in Nesselwang beworben hat. In der heutigen Zeit gibt es wenig junge Menschen, die an Kirchenmusik interessiert sind und dies auch noch studieren. Andreas Dasser spielt seit vielen Jahren Gottesdienste in Maria-Rain und anderen benachbarten Kirchen, leitet verschiedene Chöre und hat vor zwei Jahren bereits erfolgreich die C-Prüfung in Augsburg bestanden. Er wird ab 1. März 2024 neben dem Orgelspiel in allen Gottesdiensten den Kirchenchor, das Kirchenorchester, den Jugendchor und den Teeniechor übernehmen. Für die Nachfolge beim Mädchenchor hat sich Elvira Mössinger begeistern lassen, und den Bubenchor leitet Andrea Allgaier noch so lange, bis endgültig geklärt ist, wer diesen weiterführen wird.
Gottfried und Andrea Allgaier werden am 17. Februar 2024 um 19.00 Uhr beim Abendgottesdienst unter Beteiligung aller Chöre ein gemeinsames FINE setzen. Aber so ganz an den Nagel hängen werden sie ihr Lebenswerk natürlich nicht: als Musiklehrer in den Fächern Gitarre, Akkordeon, Klavier und Orgel sind beide (hoffentlich noch lange) weiter tätig.
Text: Berta Risini
Bilder: Martina Schmid und Martina Gast