Es gibt Orte, an denen Fasching einfach dazugehört. Nesselwang ist so ein Ort. Hier, wo die Luft im Februar nach Schnee und Feierlaune duftet, wird Brauchtum mit einer Inbrunst gepflegt, die ihresgleichen sucht. Und mitten in diesem bunten Treiben stehen zwei Faschingsgesellschaften, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch untrennbar miteinander verbunden sind: Die Windgässler und die Obermärktler. Eine Hassliebe, die jedes Jahr aufs Neue die Nesselwanger Faschingsszene ausmacht.
Zwei Bürgermeister, eine Mission
Um zu verstehen, warum der Fasching in Nesselwang so einzigartig ist, muss man die beiden Männer kennenlernen, die ihn leiten. Gabriel Maget ist seit 2020 Bürgermeister der Obermärktler. Er übernahm das Amt von Faschings-Urgestein Markus Zweng und brachte frischen Schwung in die traditionsreiche Gesellschaft. Max Roth hingegen steht bereits seit dem 13. Februar 2018 an der Spitze der Windgässler und trat damit in die großen Fußstapfen von Thomas "Kö" Köberle. Beide Vorgänger waren prägende Figuren des Nesselwanger Faschings und haben die Szene mit Leidenschaft und Humor geprägt.
Doch auch Maget und Roth haben ihre ganz eigene Handschrift hinterlassen. Sie verkörpern zwei unterschiedliche Faschingsphilosophien, die sich in den jeweiligen Bällen widerspiegeln.
Windgässler gegen Obermärktler: Was macht den Unterschied?
Fragt man Gabriel Maget und Max Roth, was ihre Bälle unterscheidet, bekommt man zwei spannende Antworten.
Gabriel Maget: „Wir haben ein junges, dynamisches Team mit einem unglaublichen Zulauf an jungen Leuten. Unser Altersdurchschnitt liegt unter 30. Das zeigt sich auch im Programm: Wir setzen auf mehrere kürzere, knackige Einlagen – da ist immer was los! Das hält die Stimmung hoch und sorgt für eine energiegeladene Nacht.“
Max Roth: „Bei uns sind Faschingsveteranen von Anfang 20 bis 70 vertreten. Wir sind stolz auf unseren eingefleischten Haufen, der seit Jahren zusammenhält. Unser Programm ist traditioneller und besteht immer aus dem Geist sowie zwei Theaterstücken. Das geht eher in Richtung Schauspiel und weniger in die vielen kurzen Einlagen wie bei den Obermärktlern. Wir lieben die große Bühne – das ist unser Markenzeichen!“
Beide Konzepte haben ihren eigenen Reiz. Doch eines verbindet die Rivalen: Sie sind einzigartig im Allgäu, wenn nicht gar in Bayern.
Eine Grenze – und doch keine
Historisch gesehen trennt in etwa die Von-Lingg-Straße die Reiche der beiden Gesellschaften. Die Windgässler haben ihr Zentrum rund um das Anwesen der alten Bärenbrauerei, die Obermärktler feiern eigentlich im oberen Markt. Doch Fasching setzt sich über Grenzen hinweg: Der Obermärktlerball findet paradoxerweise in der Windgasse statt – eine kleine Enklave im „gegnerischen“ Gebiet. Eine augenzwinkernde Provokation, die Jahr für Jahr für Schmunzeln sorgt.
Herausforderungen und Herzblut
Bürgermeister eines Faschingsvereins zu sein, bedeutet mehr als nur zu feiern. Beide haben ihre Herausforderungen. Gabriel Maget: „Als ich 2020 übernommen habe, war es mir wichtig, neue Impulse zu setzen. Nach Corona mussten wir das Ganze wieder in Schwung bringen, die Leute motivieren und alte Traditionen mit neuen Ideen verbinden. Das war nicht einfach, aber wir haben es geschafft!“
Max Roth: „Ein Abend wie unser Ball bedeutet enorm viel Arbeit und Herzblut. Es geht um Organisation, um Wirte, um die Location-Situation. Ein paar Jahre hatten wir sogar einen externen Wirt, jetzt ist aber wieder alles vor Ort. Aber das sind Dinge, die man im Hintergrund regeln muss, damit am Abend selbst alles reibungslos läuft.“
Warum sich ein Besuch lohnt: Warum sollte jemand von außerhalb nach Nesselwang kommen, um Fasching zu feiern?
Max Roth: „Unser Fasching ist ein kulturelles Ereignis, das seinesgleichen sucht im Allgäu. Und der Rosenmontag wird oft unterschätzt – dabei ist er bei uns ein Highlight! Wer echten bayerischen Fasching erleben will, der muss hierherkommen.“
Gabriel Maget: „Dem kann ich nur zustimmen. Und das Besondere: Um Mitternacht treffen sich beide Gesellschaften. Diese Stimmung, wenn Windgässler und Obermärktler aufeinandertreffen – das gibt es nirgendwo anders. Ein magischer Moment, der jedes Jahr für Gänsehaut sorgt.“
Am 3. März 2025 ist es wieder soweit. Beide Bälle starten am Abend des Rosenmontags. Der Obermärktlerball findet in der Alpspitzhalle statt, während die Windgässler traditionell im Bärensaal feiern. Die Abendkasse für jeden der beiden Bälle kostet 12 €. Der Vorverkauf für beide Bälle startet am 22.02.2025.
Die Windgässler und die Obermärktler – sie ziehen sich gegenseitig auf, sie feiern getrennt, aber doch gemeinsam. Fasching in Nesselwang ist nicht einfach eine Veranstaltung. Es ist Tradition, Rivalität und Freundschaft in einem. Und wer diese Welt noch nicht kennt, sollte sie dieses Jahr unbedingt entdecken. Denn eines ist sicher: Wer einmal den Fasching in Nesselwang erlebt hat, kommt immer wieder.
Text: Felix Fichtl