Der edle Kachelofen in der Allgäuer Stube wird vom Mattheis "ei'g'fuiret"
Nicht das Milchauto sondern die Bauern selber brachten ihre Milchkannen zur Käserei
Ist die Frau am Webstuhl echt? Entdecken Sie selbst ….
Geschichte zum Anfassen: wie kann man Heimat-Historie am besten für die Zukunft bewahren? Mit einem echten, kleinen Museum – so, wie es der Heimathaus-Verein Nesselwang seit 1995 praktiziert! Ehrenamtlich und unermüdlich, versteht sich. Mit viel tatkräftigem Einsatz und dem Bewusstsein, Tradition zu pflegen, um Altes für Nachkommen zu zeigen und zu erhalten.
Da steht es, mitten im Ort an der Füssener Straße: unser Heimathaus, ein mehr als zweihundert Jahre altes Fachwerkhaus, ein sogenannter Einfirsthof mit relativ flacher Dachneigung. Sieht von außen aus wie ein Überbleibsel aus früheren Zeiten und birgt wahre Schätze in seinen altehrwürdigen Mauern. Das nach zwei Ortsbränden (1635 und 1807) immer wieder aufgebaute und liebevoll restaurierte Anwesen beherbergte einmal eine ‚Handwerkssölde‘, das heißt einen Handwerksbetrieb als Haupterwerb und eine Nebenerwerbs-Landwirtschaft unter (s)einem Dach. 1713 gründete Glasermeister Andreas Miller die erste Glaserei, worauf bis 1853 noch vier Generationen als Glaser folgten. Daher kommt der Hausname „beim Glaser“. Der bäuerliche Betrieb hatte zuletzt fünf Kühe, einen Ochsen, zwei Stück Jungvieh, ein Schwein und allerlei Federvieh. Die letzte Bewohnerin, die Witwe Kreszentia Kappeler, starb 1994 neunzigjährig. Sie hatte nach dem Tod ihres Mannes Johann Kappeler die letzten fast dreißig Jahre ihres Lebens allein im ursprünglichen Glaser-Haus gewohnt. Das Erbe vermachte sie ihrem Neffen Manfred Hailer, einem Heimatforscher aus Leidenschaft, der sich mit seiner Tante Senz noch zu ihren Lebzeiten über eine künftige Verwendung des Anwesens als ‚Heimathaus‘ geeinigt hatte.
Eintritt frei! Kleiner Rundgang gefällig?
Kommen Sie doch herein – Sie sind herzlich eingeladen! Schauen, lesen, staunen – wetten, dass Sie unglaublich überrascht sein werden. Das fängt schon an, wenn man die Haustür aufmacht und damit an die laut bimmelnde Glocke stößt. Man zieht unwillkürlich den Kopf ein, tritt ein und wird umfangen von einem buckligen Hausgang. Viel Holz und krumme Balken, eine alte Truhe. Linkerhand die 1853 aufgegebene Glaserwerkstatt, noch gut ausgestattet mit alten Werkzeugen, Herd und Kachelofen. Rechts geht’s über die abgetretene Schwelle in die urige Allgäuer Stube mit einem wunderschönen, immer noch heizbaren Kachelofen (wertvolle, gebrannte schwarze Kacheln!). Von hier aus kommt man in die Küche - alles voll intakt: ein großer offener Herd und ein winziges Spülbecken mit – welch Komfort! – schon seit 1904 fließend Wasser. Nur kalt natürlich. Die einzige Warmwasserquelle für’s Wasch- und Bade-Blechschaff war im ‚Schiffle‘ vom Herd. Frühere Generationen holten ihr Wasser noch vom naheliegenden Dorfbrunnen.
Wellness anno dazumal
Eine knarrige Stiege führt vom Gang ins obere Stockwerk, wo einmal die Räume der bäuerlichen Familie lagen: der „Gaden“, das Elternschlafzimmer mit Kachelofen, die ‚Fehlakammer‘ und der obere Hausgang, der auch als ‚Buebekammer‘ genutzt wurde. Ein kleines Altenteil mit Schlafkammer und einer Austragskammer mit Kachelofen und Herd befand sich auch da droben. Und ein ‚Abort‘ als Plumpsklo – ein von der Tenne abgeteilter Holzschacht direkt über der Grube im Stall. Man stelle sich vor: um 1840 wohnten der Bauer und Brunnenmacher Michael Graf mit seiner Frau Theresia und deren dreizehn Kinder in diesem Anwesen. Ganz mutige Besucher dürfen durch die Deckenluke ins Dachgeschoß, die ‚Bolledörre‘, hinaufschlupfen und auch durch die Bodenfalle von der Küche aus in den niedrigen Erdkeller neispitzen.
„Ma moint, die Leut‘ sind grad erscht auszoge“
Haben Sie mitgezählt? Der Wohnbereich besitzt insgesamt vier hochwertige, den Bedürfnissen der Räume angepasste Kachelöfen. Das war schon ein Zeichen für einen gewissen Wohlstand und hat den Bewohnern bestimmt durch viele kalte Winter geholfen. Das Holz zum Heizen kam natürlich vom eigenen Wald.
Mensch und Vieh unter einem Dach
Nun, der Rundgang ist noch nicht beendet. Jetzt wird der Besucher in ganz frühe Zeiten entführt und erfährt einiges über die damalige bäuerliche Arbeitsweise. Im hinteren Gebäudeteil schließt sich in ursprünglicher Größe und Ausstattung der Stall an. Mensch und Vieh unter einem Dach – das gibt es ja teilweise heute noch. Riskieren Sie ruhig einen Blick in die tiefe Jauchegrube – keine Angst, sie hat schon lange kein ‚G‘schmäckle‘ mehr.
Die ehemalige Tenne ist museal, teils ortsspezifisch aufbereitet und gibt interessante Einblicke in die damalige Grünlandwirtschaft, die Säumerei (das heutige Transportwesen), den Ackerbau, den Torfabbau und die Bienenhaltung, die Milchverarbeitung und Käserei, die Alp- und Forstwirtschaft. Zahlreiche Ausstellungsstücke veranschaulichen eindrucksvoll, wie der Alltag ohne maschinelle Hilfe damals vonstatten ging. Und wenn man am großen Webstuhl vorbeikommt, glaubt man doch glatt, dass dort eine echte Frau sitzt – geht’s Ihnen auch so?
Sie werden sehen, so klein ist das Museum eigentlich gar nicht. Fünfhundert Quadratmeter Ausstellungsfläche sind von den fleißigen Machern des Heimathaus-Vereins in den letzten dreißig Jahren gestaltet worden. Es gibt sehr viel zu entdecken – ein Besuch lohnt sich immer (wieder)!
Wie kam es zur Gründung des Heimathaus-Vereins Nesselwang?
Der Erbe und begeisterte Heimatpfleger Manfred Hailer übergab das Haus dem Markt Nesselwang. Dieser erwarb es und initiierte 1995 die Gründung des Heimathaus-Vereins Nesselwang. Er übertrug ihm die Sanierung, Gestaltung und den Betrieb als Heimathaus. Was nicht ehrenamtlich geleistet werden konnte, finanzierte der Markt. Sponsoren, örtliche Vereine sowie öffentliche Stellen waren bei der Realisierung hilfreich. So ist in den letzten dreißig Jahren ein wahres Schatzkästlein entstanden. Jetzt gerade hat es einen neuen Zaun um das angrenzende Gärtle bekommen. Und kürzlich, als viel Schnee auf dem Dach lag, kam einfach die Nesselwanger Feuerwehr und schöpfte es ab. Für jeden a Halbe - herzlichen Dank! Auch Dank an alle ungenannten und ehrenamtlichen Heimathaus-Freunde, die eine Vielzahl von Stunden in ein altes, wunderbares Haus stecken, um es in Ehren zu halten. Ja, es gibt immer viel zu tun. Demnächst sollten beispielsweise die Fensterstöcke und Läden abgeschliffen und neu gestrichen werden …..
Für gut einen Euro im Monat …
Mittlerweile zählt der Verein etwas über hundert Mitglieder, die mit ihren dreizehn Euro Jahresbeitrag mithelfen, die laufenden Kosten zu stemmen und ein Stück Heimatgeschichte zu erhalten. Für eine jederzeit willkommene ‚Fütterung‘ lädt ein Opferstock im Hausgang ein, denn der Eintritt – mit oder ohne Führung - ist natürlich frei.
Mit dieser ‚geheimen Botschaft‘ wäre mit Verlaub die Werbetrommel ein wenig gerührt. Wer jetzt neugierig geworden ist und sogar auf die gute Idee kommt, auch ein Schärflein beitragen zu wollen: Mitgliedsanträge liegen bereit.
Zum 30-jährigen Vereinsjubiläum ein Festprogramm!
Ist Ihre Begeisterung geweckt? Dann feiern Sie mit uns, wir freuen uns auf Sie!
Sonntag, 4. Mai: Herzliche Einladung zum Tag der Offenen Tür im Heimathaus.
Ab 14.00 Uhr kleine Bewirtung und musikalische Umrahmung.
Ab 17.00 Uhr Vortrag von Klaus Wankmiller „1525 Bauernkrieg im Füssener Land“
Sonntag, 18. Mai: Sonderöffnung des Heimathauses von 14.00 bis 17.00 Uhr
anlässlich des Internationalen Museumstags
Sonntag, 26. Oktober: Gastspiel „Die Dissonanten“ um 19.00 Uhr im Pfarrheim Nesselwang, ermäßigter Jubiläums-Eintrittspreis
Öffnungszeiten des Heimathauses:
jeden Mittwoch von 16.00 bis 18.00 Uhr
jeden ersten Sonntag im Monat von 14.00 bis 17.00 Uhr
Sonderführungen (ab 5 Personen) nach Vereinbarung
Heimathausverein Nesselwang e.V.
1. Vorsitzender Oswald Kainz
Telefon 0 83 61 – 18 22
www.nesselwang-buergerservice.de/
Bereich Kultur/Heimathaus- und Skigeschichte.html