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Bürger-Nachrichten
Ausgabe 2/2023
Historisches
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Historisches von Siegfried Schörner

Zur Entwicklung unseres Heimatortes von einem gutsherrschaftlichen Dorf zum Industrieort

Ein erhalten gebliebener Lehenbrief von 1521 (aus der Zeit des ausgehenden Mittelalters zur frühen Neuzeit) für den damaligen Grundherren des Adelssitzes Konradsreuth erfasst neben der gesamten besitzmäßigen Aufteilung auch die wirtschaftliche Struktur des Dorfes. Solche großen Lehensbriefe wurden im allgemeinen immer dann neu ausgestellt, wenn der alte Lehensträger (der adelige Gutsherr als „Ortsvorsteher“) verstorben war und der Besitz auf seinen Nachfolger überging. Das war 1521 der Fall, als der letzte Lüchauer ohne männlichen Nachkommen verstarb und der regierende Markgraf einen neuen Lehensherren für den Besitz Konradsreuth ernannte. Das war sein verdienstreicher Amtmann auf dem Epprechtstein (Amt Kirchenlamitz) Cuntz (= Konrad) Rabensteiner.

1521 : Der Ort Konradsreuth bestand damals aus

11 Bauernhöfen, 1 Schenkstatt (der „Rote Ochse“), 1 Mühle (die Steinmühle), 1 Schmiede („auf dem Wall“, also in der Nähe der Schloßumgebung am Angerteich), hinzu kamen noch: 1 Schafhof (für die herrschaftliche Schäferei, oben „am Berg“ gelegen), 1 Badstube, 1 Schulmeister- und Hirtenhaus. Des weiteren gab es noch 8 Herbergen (Häuser mit geringem Grundbesitz).

Nicht zu vergessen der Pfarrhof; der war eigenständig und nicht in Lehensabhängigkeit des Grundherren.

Im ganzen waren es 24 Anwesen mit Schloß, Kirche und Pfarrhof, für damalige Zeit ein stattliches Dorf. Aus der Auflistung des gesamten Besitzes kann mit einiger Fantasie die ungefähre wirtschaftliche Struktur des Ortes abgeleitet werden. Es gab demnach folgende Berufe: 11 Bauern, 1 Gastwirt, 1 Müller, 1 Bader, 1 Schäfer, 1 Schulmeister, der im Sommer auch gleichzeitig der Dorfhirte war. In den Herbergen wohnten Handwerker (belegt ist ein Zimmermann, wahrscheinlich sind Schuster und Schneider, vielleicht auch Weber). Mit heutigen Worten würde man sie als Nebenerwerbslandwirte bezeichnen. In den meisten Anwesen gab es auch noch das entsprechende Gesinde, also Knechte und Mägde dazu.

1617 : Aus diesem Jahr stammt eine Beschreibung „das ganze Dorf mit aller Gerechtigkeit“. Damit sind alle Rechte gemeint, welche die Berufstätigkeit betreffen. Das Dorf besteht inzwischen aus 36 Anwesen. Schloß, Pfarrhof und Kirche kommen wieder hinzu. Es ist die Zeit vor dem 30jährigen Krieg. Je mehr „Rechte“ vergeben werden, desto höher sind die Einnahmen für den Grund- und Landesherren; das entspricht dem heutigen Steuersystem.

Der Ort hat nunmehr 9 große Bauernhöfe, 14 Selden (auch Sölden, das entspricht den „Herbergen“ aus vorhergehender Darstellung, also Kleinbauern und teilweise auch Handwerkern mit Landwirtschaft), hinzu kommen weitere 7 Anwesen, davon mindestens 4 mit größerem Grundbesitz: 1 Schenkstatt, 1 Mahl- und Schneidemühle, 1 Schmiede, 1 Badstube, 1 Schulmeisterhaus, 1 Hirtenhaus, 1 Mulzhaus, letzteres wohl zum Rittergut gehörig, das auch das Braurecht besaß. Schulmeister- und Hirtenhaus nun getrennt, d.h. den Beruf üben jetzt verschiedene Personen aus. Das Hirtenhaus ist gleichzeitig Übernachtungsstätte für durchziehende Personen, z.B. Handwerksburschen, Pilger, Studenten, Bettler.

Zwischen 1600 und 1617 kamen neu hinzu: 6 Trüpfhäuser. Sie haben außer einem Gärtlein keinen weiteren Grundbesitz, dieser reicht nur soweit, wie das vom Dach tropfende Wasser eine Spur am Boden hinterläßt, mundartlich „die Trüpf“ genannt (von „tropfen“). In diesen Trüpfhäusern wohnten demnach Menschen, die nur von ihrer Hände Arbeit lebten, also Taglöhner, Weber und ein Schneider namens Krauß. Auch von den meisten anderen Haus- und Grundbesitzern sind jetzt die Namen bekannt, darunter viele, die heute noch gebräuchlich sind (in alphabetischer Reihenfolge): Gebhardt, Jahn, Knoll, Köppel, Korn, Opel, Popp, Puchta, Raithel, Ritter, Robisch, Schaller, Schneider, Seidel, Seuß, Steingrüber und Wolf.

Das eingangs erwähnte Jahr 1617 markiert den Besitzwechsel der Gutsherrschaft an Rudolph von Haberlandt. Ein Jahr später beginnt der 30jährige Krieg, in dessen Verlauf das Dorf und die gesamte Flur stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Der Gutsherr verstarb früh und hinterläßt zwei unmündige Söhne. Seine Witwe verkauft 1638 den gesamten Besitz an den Obristen Jaroslaw Hofmann von Mönchshofen. Schon nach knapp acht Jahren gibt es einen erneuten Besitzwechsel an Georg Rudolph von Reitzenstein aus Schönberg beim heutigen Bad Brambach. Die Herrschaft Konradsreuth verbleibt nun für lange Zeit im Besitz dieser Familie. 1698 erfolgte eine Teilung in zwei Herrschaften: Das „Gut obern Teils“ wurde neu gebildet mit eigenem Sitz auf dem sogenannten Löfflerischen Hof (dem ehemaligen Kanzler-Grundstück in der Friedhofstraße, heute gemeindliches Archiv und Bauhof). Das „Gut untern Teils“ war das alte Schloß, oder wie es damals hieß, der alte Rittersitz mit umlaufenden Graben. Die einzelnen Anwesen des gesamten Ortes wurden so in der Zuständigkeit aufgeteilt, daß die jeweilige Hälfte etwa die gleichen Einkünfte an Steuern und Abgaben erbrachte.

Aus dieser Zeit der Teilung, die bis 1789 währte, stammen zwei Besitzbeschreibungen für das jeweilige Gut.

1743 : Die Zugehörungen zum Gut obern Teils:

5 große Bauernhöfe, 2 halbe Höfe (= immer noch ansehnliche Anwesen mit etwas kleinerer Wirtschaftsfläche), 1 Schenkstatt (inzwischen ist ein neues Wirtshaus entstanden, der „untere Wirt“, wahrscheinlich der spätere „Goldene Anker“), 1 Badstube, 1 Schmiede, 4 Herbergen, 2 Sölden, 9 Häuslein und 8 Trüpfhäuslein (die beiden letzteren sind gleichzusetzen, beide ohne größeren Grundbesitz), ferner noch 1 Schulmeisterhaus, 1 Hirtenhaus, 1 gemeinschaftliches Richterhäuslein; insgesamt waren es 36 Anwesen.

1769 : Die Zugehörungen zum Gut untern Teils:

3 Höfe, 2 halbe Höfe, 1 Schenkstatt (die alte in Dorfmitte), 10 Sölden (darunter die Mühle und andere Handwerker, erstmals tauchen zwei Weber auf: Johann Adam Ebert und Peter Kranz), 12 Gütlein (entspricht den Herbergen oder Sölden) und 11 Trüpfhäuslein (mit der Anmerkung „neu erbaut“, das weist auf einen starken Zuzug hin). Insgesamt waren es 39 Anwesen.

Das ganze Dorf bestand somit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus 75 Anwesen, hinzu kommen noch der Pfarrhof, Kirche und das Schloß mit Torhaus.

Die bisherigen Aufzeichnungen resultieren aus den langjährigen Forschungsarbeiten und Übertragungen alter Urkunden aus dem Staatsarchiv durch den früheren Kreisheimatpfleger Hans Hofner, zusammengefaßt in 5 Bänden seiner „Chronik Konradsreuth“ (im Gemeindearchiv) aus den Jahren um 1970. Sie können ergänzt werden durch andere wichtige Quellen, die im folgenden aufgelistet werden und die auch die Namen aller damaligen Besitzer enthalten. Im übrigen bietet sich hier auch ein Ansatz zur Familienforschung (früher „Ahnenforschung“).

In der Zusammenschau ergibt sich dann eine Häusergeschichte des Ortes Konradsreuth, die ergänzt werden kann durch historische Fotos (Archiv Willi Koska) und alte Ortsansichten und Fotografien, die unbeachtet in alten Fotoalben und Schachteln „druum im eebern Buudn“ schlummern und wie schon oft geschehen, wahrscheinlich einmal weggeworfen werden.

Zum Abschluß folgen noch die anderen wichtigen Quellen zu Ortsentwicklung:

1811: Fassionen und Steuerbekenntnisse von Rittergut und Dorf Konradsreuth (Dokumentation von Hans Hofner, Chronik Band 3)

Um 1850: Spezielle Beschreibung des Rittergutes Conradsreuth obern und untern Theils von Joh. Christoph Gebhardt (Archiv Konradsreuth Nr. 312/ 1/ 13).

Um 1850 – 1854: Namenliste sämtlicher Haus- und Grundbesitzer der Gemeinde Konradsreuth, Königlichen Landgerichts Hof (im Vermessungsamt Hof).

1961: Gemeinde Konradsreuth: Verzeichnis über die Umstellung der bisherigen Hausnummernbezeichnungen auf Straßennamen