Hans Berzel mit Sohn Horst (private Aufnahme vor mehr als 70 Jahren)
Arbeitersportverein 1925 (Bildausschnitt)
Arbeitersportverein 1925 (Bildausschnitt) Wer kann noch Namen zuordnen? Bitte melden!
Es ist selten, daß ein an sich belangloses Notizbuch die turbulente Zeit der vergangenen 100 Jahre überstanden hat und zu einer originalen und originellen Geschichtsquelle geworden ist für die Zeit zwischen 1917 und 1925. Seinem Sohn, Herrn Horst Berzel, ist es zu verdanken, daß es nicht im Altpapier oder sonstwo verschwand, sondern erhalten blieb. Es enthält bunt zusammengetragene Notizen aus der Zeit des ersten Weltkrieges und die Jahre danach. In meinem Beitrag über Inflation (GemBl. Okt.2022) habe ich schon einmal daraus zitiert.
Wer war Hans Berzel? Er gibt selbst Auskunft in einem kurzen Lebenslauf vom 13.April 1925 (laut Notizbuch Teil 2): „Ich bin geboren am 14. Mai 1899 als Sohn des Webermeisters Adam Berzel, Konradsreuth, habe hier die Volksschule besucht und daselbst konfirmiert. Nach dreijährigem Besuch der Fortbildungsschule wurde ich entlassen und entschloß mich, das Brauerhandwerk zu erlernen. Jedoch die Folgen des Weltkrieges haben es gewollt, daß ich am 1. Okt. 1917 zum 4. Pionier-Battailon in Ingolstadt einrücken mußte. Nach achtwöchiger Ausbildung kam ich ins Feld und wurde der 1. Pionierkompanie zugeteilt. Ein Jahr bei derselben gedient, kam das Ende des Krieges. Nach den derzeitigen Verhältnissen entschloß ich mich zum Zimmererhandwerk und habe dasselbe erlernt. (gez. Hans Berzel, Konradsreuth).
Wie aus weiteren Notizen hervorgeht, hat er seinen ersten Beruf mindestens noch bis April 1917 ausgeübt, bevor er eingezogen wurde. So lange bestand demnach seine Arbeitsstätte, die Brauerei Strößner Konradsreuth (Roter Ochse). Doch der künftige Besitzer Fritz Strößner war bereits 1914 gefallen, als erstes Kriegsopfer aus Konradsreuth, gleich am 2.Tag des vier Jahre dauernden Weltkrieges. Das war auch der Todesstoß für die Brauerei, die noch zu dieser Zeit, mitte 1917, von der Mutter des Fritz Strößner, Margarethe Strößner, Hals über Kopf mit dem gesamten Anwesen verkauft wurde. Das war ein gefundenes Fressen für die Löwenbräu Hof, von der die kleinere Brauerei als Mitkonkurrent sofort stillgelegt wurde. Das ehemalige Brauereigebäude blieb als unbenutzte Bauruine, äußerlich intakt, bis 1946 bestehen, vorübergehend genutzt von der Weberei Stöß. Später wurde daraus die „Conrads-Apotheke“ (inzwischen auch Geschichte).
Hans Berzel war demnach der letzte aktive Brauer nach seinem Vorgänger Wolfgang Arzberger, der den Spitznamen „Bräuers.Wolf“ hatte. Berzels Notizbuch enthält noch eine von seiner Hand geschriebene Anleitung zur Bereitung eines Sudes Dünnbier, wie es zur Kriegszeit allgemein ausgeschenkt wurde. Ein letztes Zeugnis des absterbenden Braugewerbes in Konradreuth, wo zu diesem Zeitpunkt von drei Braustätten nur noch eine übrig geblieben war, die Stelzer-Bräu. Damit war auch seine Arbeitsstelle verschwunden, er mußte sich neu orientieren, als er unversehrt aus dem Krieg zurückkam. Er erlernte mit knapp 19 Jahren einen neuen Beruf von der Pike auf, den des Zimmermanns bei der Zimmerei Kreil in Konradreuth. Wahrscheinlich hatte er als Soldat bei den Pionieren schon entsprechende Grundlagen erlernt und Erfahrungen gesammelt.
In seinem Notizbuch Teil 1 ist eine Liste seiner Jahrgangskameraden erhalten, die alle so wie er im Jahr 1917 mit 18 Jahren noch zum Militär mußten. Am 21.März 1917 war sein Musterungstermin. Die Musterung war eine verbindliche staatliche medizinische Eignungsprüfung aller Wehrpflichtigen. Er wurde als tauglich zum Pionier I.Klasse eingestuft. Die Liste seiner Altersgenossen und ihr Musterungsbescheid hat er notiert. (Das sind, nebenbei gesagt, familiengeschichtlich bedeutsame Daten.) Außer ihm wurden gemustert: Popp Adam, Pionier I.Kl., Stelzer Hans, Schlegel Adam und Kleinlein Hans zur Infanterie I.Klasse; Mehringer Adolf und Oswald Nikol zum Fuß-Bataillon I,Klasse; Plettner Heinrich und Leupold Anton zur Marine I.Klasse; Raithel Heinrich zur Etappe (Besatzungsgebiet im Hinterland der Front).
Dann folgt eine Liste weiterer Freunde und Bekannter, die bereits zum Militärdienst eingezogen worden waren : Infanterist Johann Schneider, Inf.Reg. 14 Bayreuth; Seesoldat Johann Dorsch, Marine-Inf.Reg. Nr.2; Pionier Nikol Wolf, 2. bay. MW(?)Komp.; Hans Kleinlein I.Rekr.Dep, E7, Bayreuth: Kanonier Nikol Oswald, 10. Feld-Art.Reg. Erlangen; Gefreiter Wilhelm Detzer, bayr. Ersatz-Reg. Nr. 5.
Alle die namentlich Genannten waren Konradreuther Einwohner. Ihre Nachkommen leben unter uns.
Was enthält das Notizbuch noch, das von lokalem historischen Interesse sein könnte?
1, Eine Auflistung seines Arbeitseinsatzes als Zimmerer. Daraus ist zu entnehmen, was ein Hand werker in der Nachkriegszeit des 1.Weltkrieges noch vor der Inflation verdient und vor allem, wie lange gearbeitet wurde. Es sind Wochenarbeitszeiten mit 60, 66, 62 und 53 Stunden überliefert.
2. Die wohl wichtigsten Aufzeichnungen sind die Mitgliederlisten der aktiven Turner und Turnerinnen des von den Nazis restlos ausgelöschten, bis zum Jahr 1933 größten Sportvereins von Konradreuth. Es ist das einzige erhaltene Dokument der Arbeiter-Sportvereins. Die Liste ist datiert am 11.Juli 1920. Hans Berzel gehörte zur Führungsgruppe des Vereins, die er festhält:
Turnwarte: Steingrüber Heinrich und Berzel Hans
Vorturner: Geißer Georg und Roth Georg
Mitglieder (alphabetisch neu geordnet): Baumann Hann, Hertel Gustav, Hertrich Ernst, Höra Otto, Kaußler Hans, Kießling Adolf, Kießling Hans, Köppel Arnold, Krauß Karl, Mayer Christian, Oelschlegel Andreas, Oelschlegel Hans, Oelschlegel Luitpold, Puchta Max, Rödel Hans, Rührold Max, Schlegel Max, Schneider Fritz, Seidel Christoph, Seidel Max, Stelzer Hans, Unglaub Christian.
Damen-Riege: Baumann Johanna, Blos Lisette, Frohn Mina, Höllring Anna, Kaußler Sophie, Lochner Frieda, Lochner Margarete, Plettner Marie, Schadt Elsa, Schultheiß Grete, Seyfferth Lina, Seyfferth Martha, Söllner Lisette, Stölzel Johanna.
Die Jugendturner und -turnerinnen der Liste vom 11.Juli 1920 wurden als „Zöglinge“ bezeichnet. Es waren : (männl.): Berzel Julius, Koch Adam, Lochner Hans, Lochner Johann, Ludwig Max, Oelschlegel Hann, Rauh Ernst, Rührold Johann, Schadt Adolf, Schlegel Johann, Schlegel Nikol, Steingrüber Hans, Wendler Hans, Wolf Hans, Wolf Robert.
Zöglinge (weibl): Füg Meta, Hoffmann Sophie, Kaußler Elise, Rank Johanna, Rank Martha, Rank Trina, Weber Lisette, Weber Martha.
Soweit einige Auszüge aus dem unscheinbaren zweiteiligen Notizbuch, das fast in der Versenkung verschwunden wäre. Sein Urheber, Hans Berzel, heiratete mitten in der Inflationszeit 1923 und hinterließ uns auch darüber eine Momentaufnahme dieser schlechten Zeit (vgl. GemBl.Okt.2022). Seine Frau war Lisette (Lisl), geb. Plettner. Sie heirateten am 21 Juli 1923. Seinen Beruf als Zimmerer übte er mindestens noch bis 1926 aus. Dann wechselte er nochmals und wurde Webmeister in der Fabrik des Fritz Schadt, Konradreuth. In den 30er Jahren erbaute er sein eigenes Haus, ehemals Hausnummer 207, heute Hofer Straße 9- Sein ältester Sohn Herbert ist in jungen Jahren in den letzten Kriegstagen 1945 noch gefallen. Seinem Sohn Horst mit seiner Frau Renate danke ich für die Überlassung der historisch interessanten Informationen.