Aktienhaus, Hofer Straße 4 und 6 (Aufn. Willi Koska, 2019)
Ausschnitt aus dem Urvermessungsplan von 1852 zur Lage und Größe des Anwesens Nr.13
Die Geschichte ds Hauses Nr. 13, genannt „Aktienhaus“
Die Häusergeschichte insgesamt soll zunächst die alten Hausnummern 1 - 218 umfassen, wie sie bis 1961 ca. 200 Jahre lang in Gebrauch waren, bis die Umstellung auf die heute üblichen Straßenbezeichnungen erfolgte. Das Haus 218 (Schützenweg ) markiert ein wichtiges Datum: Es war das letzte, das vor 1945 erbaut wurde. Hiermit wird eine Grenze zum historischen Altbestand gesetzt. Die Häusergeschichte ist ein wichtiger Teil der Ortsgeschichte überhaupt. Sie spiegelt die Kulturgeschichte des gesamten Ortes wider und bringt Licht in die verwobenen Zusammenhänge der alteingesessenen Konradsreuther Familien, deren Nachkommen heute unter uns leben. Die meisten wissen von der eigenen Familiengeschichte herzlich wenig und für jüngere Leute ist es äußerst „uncool“, sich für „des alta Zeich“ überhaupt zu interessieren.
Das Haus Nr.13, das sogenannte Aktienhaus; ist ein markantes, das Ortsbild prägende Gebäude an der Hofer Straße zwischen dem alten Pfarrhaus und dem heutigen Rathaus.
Im Pfarrbuch des Pfarrers Georg Christian Link (1827 - 1847) wird Enoch Widmann, der Verfasser der „Höfischen Chronik“ zitiert, der 1419 einen Bauernhof erwähnt, dessen Standort genau auf dieses spätere Anwesen Nr. 13 zutrifft. Diese frühe Erwähnung lautet folgendermaßen:
„Am Abend unser lieben Frauen Lichtmeß (=2.Februar) hat Conrad von Lüchau, zu Cunradsreuth gesessen, zu einem ewigen Seelgeräth (= fromme Stiftung zu einer Seelenmesse[1])in das Franziskanerkloster allhier (in Hof) von dem nächsten Hof unter der Kirche zu Cunradsreuth jährlich 3 Gulden zu geben sich verpflichtet. Dafür die Brüder (= Mönche) vier jährliche Seelenmessen halten sollen für seinen Vetter Hans von Lüchau den ehrbaren Ritter, und Jutta, seine Ahnfrau, auch für das ganze Geschlecht der Lüchauer und Rabensteiner“.
Der nächste namentlich bekannte Besitzer taucht erst um 1790 auf. Er hieß Johann Wunsiedler und starb am 17.5.1798. Nachdem sein Alter laut Kirchenbuch 58 Jahre und 7 Monate betrug, konnte sein Geburtsdatum ermittelt werden : 19.9.1739. Sein Vater hieß ebenfalls Johann Wunsiedler. Aber dann verliert sich die Spur nach rückwärts. Die Witwe des jüngeren, Elisabetha Wunsiedler, konnte den Hof bis zum Jahr 1807 halten und verkaufte dann an Wolfgang Gemeinhardt, der aus Eppenreuth stammte. Hier bestanden verwandtschaftliche Beziehungen zur heutigen Familie Gemeinhardt (Marktplatz 2), deren Vorfahren ebenfalls aus Eppenreuth kommen.
Der damalige Kaufpreis für den Hof einschließlich Grundbesitz betrug 3200 Gulden. Dieser Preis lag durchaus im oberen Bereich, denn es gibt eine Tabelle der Immobilienpreise für unsere Region um 1800[2]. Der dazugehörige Grundbesitz belief sich auf fast 40 Tagwerk, wovon der größte Teil am Anger (= Bereich der heutigen katholischen Kirche), am Stiftsgrüner Weg und in der Nähe des Pfarrholzes lag. Außerdem bewirtschaftete er die Grundstücke des heute verschwundenen Anwesens Nr.157 bei Stiftsgrün, das bereita 1816 aufgegeben und abgebrochen wurde. Wir können sogar an Hand einer Steuertabelle von 1794 ermitteln, daß der Vorbesitzer Wunsiedler mit 14 fl (= Gulden) der viertgrößte Steuerzahler des damaligen Ortes war. Vor ihm lagen nur noch an erster Stelle der Besitzer des Gasthofes Roter Ochse Adam Heller, der Steuern für Gasthaus, Metzgerei und landwirtschaftlichen Grundbesitz bezahlte und die beiden Besitzer der größten Bauernhöfe Frauenhof und Schallershof, Johann Voigt und Johann Schaller.
Aus all diesen Informationen geht hervor, daß das Bauernanwesen Nr. 13 ein passabler und ertragreicher Bauernhof war.
Im Jahr 1866 kommt ein neuer Besitzer ins Spiel. Der Grund, warum der Bauer Gemeinhardt aufgibt, ist nicht bekannt, wahrscheinlich hat es mit der Erbfolge zu tun. Doch der neue Besitzer und Käufer des Anwesens ist bekannt: Es ist Johann Friedrich Jonathan Plettner, genannt Fritz, der jüngste Sohn des Franz Joseph Plettner, der um 1800 in Diensten des Gutsherren Georg Christoph von Reitzenstein aus Arnsberg in Westfalen zugewandert war. Dieser Franz Joseph Plettner war Waldaufseher (heute heißt es Förster) der gesamten Pfarr- und Privatwaldungen in und um Konradsreuth. Er wurde zum Stammvater der heute noch blühenden und weit verzweigten Familie Plettner in Konradsreuth. Er hatte am 21. November 1808 seine Frau Apollonia geb.Meister aus Ahornberg geheiratet.
Der neue Besitzer des Anwesens Nr 13, Fritz Plettner, war zunächst ebenso Waldaufseher wie sein Vater und wohnte im Haus Nr. 102 („Froschburg“), das damalige Haus der Hospitalverwaltung Hof. Man könnte sagen, er war der damalige Hospitalförster. Der Kaufpreis des großen Bauernhofes Nr. 13 erforderte vermutlich einen hohen Kapitaleinsatz. So holte er sich „Aktionäre“ mit ins Boot, um die hohe Summe aufzubringen, eine damals durchaus übliche Praxis der Geldanlage (meist zu 4 %), als es allgemein noch keine Banken und Sparkassen gab. Es waren in erster Linie seine Brüder Johannes und Philipp. Daher kommt der Name „Aktienhaus“.
Der Plan der „Unternehmer“ war, auf dem Platz des großen Bauernhofes an der Straße ein Arbeiterwohnhaus zu errichten, denn es herrschte durch Zuzug von vielen Webern aus der gesamten Region eine große Wohnungsnot und eine drangvolle Enge in den wenigen kleinen Häusern der damaligen Zeit. Von den zu erwartenden Mieteinnahmen versprach man sich eine entsprechende Rendite. Der wertvolle Grundbesitz wurde teils „zerschlagen“, wie man damals sagte, also in Teilen an Kleinbauern wiederverkauft. Ein großer Teil blieb im Besitz des Bruders Wilhelm und gelangte so an den Flaschnermeister Max Plettner Hausnummer 111 (Schloßstraße 8). Im Verlauf der „Webernot“ der siebziger Jahre (um 1870) war das Mietsgeschäft weniger lukrativ geworden. Fritz Plettner verkaufte das nunmehrige Aktienhaus samt Peunte und Wiese (der heutige Bürgerpark!) am 31. März 1870 an die Gemeinde, die auf den weiteren Ausbau des Hauses nocheinmal 2620 fl investierte. Die Gemeinde erhielt für die Einrichtung und Bschaffung von Arbeiterwohnungen damals einen Zuschuß von 3600 fl. Das Gebäude wurde im Juli 1870 bezogen. Es enthielt einen Kaufladen, die Wohnungen für acht Familien, darunter die des Polizeidieners der Gemeinde ( = Ortspolizist) und ein Arrestlökal. Das war ein kleiner, gefängniszellenartiger Raum mit einer eisenbeschlagenen Türe und kleinem vergitterten Fenster zum Hof. In diesem geräumigen Hof gab es zwei Holzremisen (Quelle: Chronik der Gemeinde von Christian Wenzel, Gemeindeschreiber 1888). In späteren Jahren (1939 - 1945) beherbergte das Haus den ersten Kindergarten. Manche erinnern sich noch an die erste Kindergärtnerin „Tante Elisabeth“ (verh. Schlegel). Nach 1948 bezog diese Räume die Familie Willi Pöpperl (Heimatvertriebener aus Roßbach), der nach Umbau unter Einbeziehung der ehemaligen Kantoratsscheune das Modegeschäft Pöpperl gründete, das später Marianne Hofmann, danach Edith Stelzer, übernahmen. Im oberen Teil des Hauses hatte in der Nachkriegszeit noch der Frisör Fritz Burkel seinen Salon.
Heute ist das Gebäude im Besitz der Familie Lochner, Marktplatz 4.
| Seelenmesse: Nach damaligem Glauben verkürzt das den Aufenthalt im „Fegefeuer“ | |
| Laut Heft 7 des Historischen Forums Gefrees, Seite 82 |