Ausschnitt Urvermessungsplan 1852 mit den alten Hausnummern. Straßennamen sind eingefügt, sowie die Umrisse der heutigen Bebauung von Brunnenstraße 1 (HN 81) und Brunnenstraße 10 (HN 85, Leupold), sowie Friedhofstr,18 (HN 65, Höpfner)
Das alte Wendlershaus Nr.81 mit Eingang zum Bäckerladen (Aufn.Archiv, um 1942). Die zwei Buben (Otto Oelschlegel und Willi Puchta) führen einen „Moggl“ aus.
Zur Häusergeschichte:
Das Haus Nr. 81, der „Wendlersbeck“ oder „Bergmanns Fritz“
Das Haus Brunnenstraße 1 (alte Hausnr. 81) steht kurz vor dem Abbruch. Wieder verschwindet ein ortsbildprägendes Gebäude mit einer langen Geschichte. Es fällt besonders die dichte Bebauung des Anwesens auf dem Grundstück mit seinen schrägen Grenzen auf: Wohn- und Geschäftshaus, Scheune und ehemalige Nebengebäude wie Schupfen und Stall. Nur die geringe Hoffläche blieb frei. War das schon immer so? Eine Antwort gibt uns der Urvermessungsplan von 1852 im Vergleich mit einem aktuellen Ortsplan.
Zunächst müssen wir uns auf dem Plan an den Objekten orientieren, die in diesem Viertel bis heute gleich geblieben sind: Das sind die vorhandenen Wege Friedhof-, Brunnen- und Weberstraße. Die Gartenstraße gab es noch nicht, ihr Anfang wurde zur Ortsbestimmung jedoch angedeutet. Von der damaligen Bebauung stehen nur noch HN 63 (Friedhofstr.3, ehem. Wülferth) und HN 67 (Friedhofstr. 20, der Bauernhof Gebelein, früher Tröger) an ursprünglicher Stelle. Bei letzterem ist sogar noch bis heute der Backofenanbau aus jener Zeit erhalten. Unverrückt blieb auch die Einfahrt von der Friedhofstraße zum gemeindlichen Parkplatz und Stellplatz der Abfallcontainer (Plan Nr. 83). Diese Nummer trugen damals alle gemeindlichen Grundstücke (es waren nur wenige), auch das Gemeindehaus, mundartlich „Gemaahaus“- im Volksmund wegen seiner Lage am Dorfteich scherzhaft auch „Strandhotel“ genannt. Auch der zu dieser Zeit noch sehr große Dorfteich hatte diese Nummer. Seine Fläche betrug etwa ein Drittel Tagwerk oder ca. 1200 qm. Er brachte Leben in den Ort: Vom alltäglichen Froschkonzert bis zu den Insekten jagenden Schwalbenscharen, die in allen umliegenden Anwesen Nester gebaut hatten, unter den Dachvorsprüngen, in den Ställen, oft im Hausplatz auf dem Lampenschirm. Tagsüber schwammen die Gänse und Enten der Anwohner im klaren Wasser, in dem Fischschwärme umherzogen. Frauen fleiten am Holzsteg ihre Wäsche. Zu allen Jahreszeiten war er Spielgelände der in der Nähe wohnenden Dorfkinder (es waren viele). Gegen Ende der Frostperiode wurden für die Eiskeller der Metzgereien und Wirtshäuser die Eisblöcke herausgeschnitten und mit Lastschlitten abgefahren. Bis um 1950 war das unverändert so.
Das Gemeindehaus Nr.83 war 1852 Mauer an Mauer mit HN 84 zusammengebaut. Diese beiden Häuser waren getrennt vom Haus Nr. 81, aus dem später der „Wendlersbeck“ wurde, durch einen engen Durchlass, oder ein Gässchen, auf dem man bis zum Dorfteich durchlaufen konnte. Zwischen den Anwesen 81 und 84 entsprang ein wasserreicher Brunnen (daher „Brunnenstraße“!), neben dem drei sogenannte „Milchsteigen“ eingerichtet waren, die von den Anliegern Nr.81, 82 und 84 zum Kühlen der Milch gebraucht wurden. Das war ein verbrieftes Recht, das übrigens erst für die Nachfolger von HN 82 vor wenigen Wochen im heurigen Jahr aufgelöst wurde. Interessant ist jedoch der Ablauf des reichlich fließenden Brunnenwassers, wie es aus dem farbig gehaltenen Urplan abzulesen ist: Es läuft in einem seichten Gerinne etwa 20 m bis zum Um- und Ablaufgraben des Dorfteiches, der grenzbildend von der Einfahrt zu Nr. 83 herkommt, zwischen den Häusern 81 und 65 (heute Höpfner) vorbeiläuft, eine schräg verlaufende, vermutlich offene Querung der Brunnenstraße beim Backofen des Anwesens Gebelein bildet, um dann in einem ca. 20 m langen, seichten Randgraben der Friedhofstraße zu verschwinden. Diese quert er vermutlich durch eine Röhre hinüber zum heutigen Grundstück Lochner, wo früher die „Knielingsscheune“ (heute Webereigebäude der Fa. Lochner) stand. Hier geht’s mit deutlich größerem Gefälle zum früheren System der Entwässerungsgräben der Peunte. Schließlich endet das Wasser im Schloßbach.
Dies war rückblickend ein Abstecher zum Abwassersystem des 19. Jahrhunderts nach dem Urplan von 1852.
Nun zum Haus Nr.81 selbst. 1811 ist das Anwesen ein Trüpfhaus, der 3. Teil ist gemauert, nebst einem kleinen Grasgärtlein und einem Scheunlein (nach dem Steuerverzeichnis von 1811). Die Verkleinerungsform besagt nur, dass keine Landwirtschaft betrieben wurde, demnach also ein Handwerkerhaus. Der Besitzer hieß Johann Seidel. Er hatte es 1806 vom Vater Matthäus geerbt.1837 ist als Besitzer Johann Nicol Gubitz genannt, ein Schuhmachermeister. Dessen Tochter Katharina Barbara heiratet der junge Schuhmachermeister Johann Wendler, die Schumacherei betreibt er auf diesem Anwesen seit 1869. Die große bauliche Veränderung in diesem „Viertel“ muss wohl die Aufgabe des Anwesens HN 84 ausgelöst haben, das eng, ohne weiteren Grundbesitz als einfaches Trüpfhäuslein zwischen den anderen stand. Es war mit einem Wert von 200 fl (=Gulden) veranschlagt. Der Webermeister Johann Adam Greim von Windischengrün hatte es erst 1810 erworben, nachdem er Meister geworden war und sich selbständig gemacht hatte. Zu diesen Weberhäuslein gehörte noch ein Drittel an einem „Backofen im Habichtsgarten“. Das war beim Grundstück schräg gegenüber (heute Gerhard Leupold). Zuletzt war das kleine Haus im Besitz des Webers Adam Plettner, nachweisbar bis nach 1890. Der Sohn des Schuhmachers Johann Wendler, August Wendler (geb. 1884) erlernte das Bäckerhandwerk, wurde Bäckermeister und hat das Anwesen zu einer Bäckerei umgebaut. Er hat ein paar Grundstücke für eine kleine Landwirtschaft hinzuerworben. Die Fläche des ehemaligen Hauses Nr. 84 wurde in einen Neubau als Scheune mit einbezogen, die nun parallel zur Brunnenstraße stand. Der Durchgang zum Dorfteich wurde überbaut, das Brunnenwasser umgeleitet. Man kann heute noch das Flickwerk nachvollziehen, das bei der Zusammenlegung beider Grundstücke entstand (schräge Grenzen und Mauern, verschiedene Dächer). Zwischen Scheune und dem neuen Haus mit Bäckerei blieben in der Ecke der Brunnen und die Milchsteigen vorerst noch erhalten. August Wendler starb kurz vor dem 2. Weltkrieg. Seine Tochter Frieda heiratete den Bäcker Fritz Bergmann, der die Bäckerei weiterbetrieb und bis in die 70er Jahre bekannt für seine wohlschmeckenden Brötchen war. Seine Tochter Renate Kleemeier baute das Kolonialwarengeschäft, das schon immer dem Bäckerladen angeschlossen war zu einem modernen Lebensmittelladen aus. Dabei entstand ein neuer Anbau mit großem Schaufenster zur Brunnenstraße. Nach dem Tod ihres Vaters Fritz Bergmann war die Bäckerei als Geschäftsgrundlage erloschen und das gesamte, seit vielen Jahrzehnten für den südlichen Ortsteil von Konradsreuth wichtige Geschäft wurde aufgegeben.