Ausschnitt Ortsplan 1852 mit den alten Hausnummern und angedeuteter heutiger Bebauung
Straßenszene aus der „Totengasse“ von 1934: Wolfgang Knieling vor seinem Haus am Bildrand rechts als Kleinlandwirt mit seinem Kuhgespann auf dem Weg aufs Feld zum Ackern. Mit im Bild sein Enkel Alfred Popp (im 2.Weltkrieg gefallen), weiter rechts mit Einkaufskorb Martha Eckardt (später verh. Schwertfeger), in der „Totengasse“ weiter hinten wohnend. Links im Bild HN 66, damaliger Besitzer Fritz Meisel, im Hintergrund das Kanzlershaus.
(Speziell die Häuser Friedhofstr.3; 5: 16 und 18)
Zwischen dem alten Pfarrhaus und dem früheren „Roten Ochsen“ (heute Arztpraxis) fängt die Friedhofstraße an und erschließt den südlichen Ortsteil. Sie war schon immer ein wichtiger örtlicher Verkehrsweg, doch sie hieß nicht immer so. Anfangs war sie der Weg nach Silberbach, wie sie heute noch ab dem Grundstück Burkel/Dlugos heißt: Silberbacher Straße. Dort, am früheren, wesentlich steileren „Barklsberchla“ (Burkelsberglein) befand sich bis zur Eröffnung der gemeindlichen Zentralwasserversorgug 1954 ein öffentlicher Brunnen, gemauert und überdacht, den die Bewohner der Umgebung als Schöpfbrunnen benutzen mußten. Hier endet die heutige Friedhofstraße und der Schützenweg beginnt. Ich erinnere mich noch an einen alten Wegweiser, der bis lange nach dem zweiten Weltkrieg an der Ecke des Roten-Ochsen-Vorgärtleins stand mit der Aufschrift „Nach Silberbach“. Die alteingesessenen Konradsreuther nannten den Weg mundartlich die „Duudngass“ (Totengasse). Die heutige Bezeichnung „Friedhofstraße“ wirkt nicht so brutal. Spätestens seit 1820 wurde diese Ortsstraße so benannt, denn in diesem Jahr, genau genommen am 14. November, wurde der neue Friedhof vom damaligen Pfarrer Bauernfeind eingeweiht. Sein Vorgänger, der langjährige und um die Kirchengemeinde sehr verdiente Pfarrer Georg Christian Püttner hatte jahrelang für die Verlegung vom Begräbnisplatz rund um die Kirche, dem alten „Kirchhof“, dorthin gekämpft, weil kaum mehr Platz für ein Begräbnis der Toten dieser großen Gemeinde übrig war. Die eigentlichen Anlieger der „Duudngass“ finden sich jedoch weiter hinten, denn die beiden Grundstücke am Anfang reichen weit in den südlichen Ortsteil hinein und rechts kam noch die große Fläche des Dorfteiches hinzu, während sich links der langgestreckte Pfarrgarten ausbreitete. So beginnt die historische Bebauung der Friedhofstraße mit den beiden Anwesen Nr.3 und 16 (Wülferth und Korn). Das „Kornshaus“, alte HN 62, an der Zufahrt zum heutigen Parkplatz und Container-Stellplatz gelegen (wo die Informationstafeln der Vereine stehen), wurde erst vor ein paar Jahren abgebrochen, während das.“Wülferthshaus“ noch unverändert zu dem alten Bestand aus dem 19.Jahrhundert gehört. Es hatte die HN 63. Laut Lehenbrief vom 11.1.1791 war es ein Söldengut, also ein kleinerer Bauernhof mit einigem Grundbesitz, der aber für die Existenz einer großen Familie nicht ausreichte. Der Besitzer übte also noch einen Handwerksberuf aus. So war es auch hier.
Die Besitzerfolge des Hauses Nr.63 ist bekannt. Um 1700 hieß er Paulus Baumgärtel, diesem folgte der Weber Samuel Ebert, dann folgte der Weber Heinrich Bodenschatz. 1764 erkaufte Georg Heinrich Sachs, ebenfalls ein Weber, das kleine Gut. 1791 bis 1829 hatten es seine Nachkommen, dann erwarb es der Bauer Johann Michael Schaller, von ihm kam es an die Familie Wülferth, deren Nachkommen es nach zwischenzeitlich erfolgten weiteren Teilungen heute noch besitzen. Eine seltsame Geschichte hat die HN 64, die später das Kaußlershaus (Friedhofstr.5) bekam. Auf dem Urplan von 1852 steht das reineTrüpfhaus Nr. 64 genau gegenüber zwischen den Häusern 62 und 65 (etwa am Platz der heutigen Garage der Fam. Höpfner) ohne jeglichen Grundbesitz. Deshalb konnte es der Weber Nickel Schneider 1803 für nur 80 fl (=Gulden) billig erwerben. Das war etwa soviel, wie damals die kleinen Reihenhäuslein, „Stuben“ genannt, für die neu angesiedelten Weber und Taglöhner im „neuen Dörflein“ kosteten. HN 64 war eingezwängt zwischen Knielings- und Kornshaus bis etwa zum Jahr 1930. Zuletzt war es im Besitz einer Familie Rank. Da passierte die folgende Geschichte: Eine von mehreren Töchtern dieser Familie feierte Hochzeit, auf dem Polterabend wurde in der oberen Stube tüchtig getanzt. Da brach der Holzfußboden des uralten Häusleins ein und machte es unbewohnbar. Verletzt wurde zum Glück niemand und die Familie kam im Kanzlershaus (heute Gemeindearchiv) unter. Das alte Haus wurde bald darauf abgebrochen, den kleinen Platz erwarb der Nachbar Wolfgang Knieling (heute steht dort die Garage der Fam. Höpfner). Die alte HN 64 wurde 1936/37 auf das neu erbaute Haus von Willi und Ida Kaußler, geb. Wülferth, übertragen, das genau gegenüber auf dem Platz der alten Wülferthsscheune errichtet wurde. Das war eine der letzten Häuserbauten vor den 2. Weltkrieg. Das Haus hatte im unteren Teil zwei Lkw.-Garagen mit entsprechend hohen Einfahrtstoren von der Friedhofstraße her. Die beiden Lkw des neuen Fuhrunternehmens von Willi Kaußler samt Besitzer und weiterem Fahrer wurden zu Beginn des Krieges 1939 zur Wehrmacht eingezogen. Die neuen Fahrzeuge kehrten nie mehr zurück, wohl aber der Besitzer und sein Fahrer (Georg Oswald) als Spätheimkehrer aus langjähriger russischer Kriegsgefangenschaft erst im Jahr 1950. Im Nachbargrundstück entstand in neuer Zeit ein weiteres Haus von der Familie Großmann, Charlotte Großmann ist eine Enkelin von Willi Kaußler.
Das Knielingshaus (HN 65), heute Friedhofstr.18, stand nach dem Urplan schräg zum derzeitigen Gebäude. An seinem heutigen Standort parallel zur „Totengasse“ erstreckte sich noch ein Fleck Gemeindeland (Fl.Nr. 83), der beim Bau des neuen Hauses in den Besitz von Knieling überging. Auf diesem Fleck befand sich 1852 (s. Urplan) noch ein freistehender Backofen zur HN 65. Laut Lehenbrief vom 3.1.1799 für den Weber Johann Stengel war es ein Trüpfhaus mit geringem landwirtschaftlichem Grundbesitz (ein „Gütlein“), dass dieser von dem Webmeister Johannes Grenz für 650 fl erworben hatte. Es folgten weitere Besitzwechsel, bis das Anwesen 1852 in den Besitz der Familie des Schuhmachermeisters Johann Georg Wendler vom Nachbarhaus (Brunnenstraße) gelangte. Der Weber Wolfgang Knieling (geb. 1871) heiratete die Schuhmacherstochter Barbara Wendler im Jahr 1896 und wurde auf diese Weise neuer Besitzer des Anwesens. Wahrscheinlich entstand auch um diese Zeit das derzeitige Gebäude Friedhofstraße 18. Er stammte ebenfalls aus diesem Ortsteil als Sohn des „Oekonomen“ (= Landwirts) Heinrich Knieling vom HN 86 (heute Brunnenstraße 3).
Der „Knielings Wolf“ hatte etliche Ehrenämter, u.a. war er Feldgeschworener und Vorsteher der Kirchengemeinde. Er eröffnete in dem neu erbauten Haus einen Kolonialwarenladen, damals „Spezerei“ genannt. Ich erinnere mich noch deutlich an die Schrifttafel über der Ladentür zur Friedhofstraße, auf der diese Bezeichnung bis lange nach dem 2.Weltkrieg zu lesen war. Auch die Haustür neben der Ladentür ging zur Friedhofstraße hinaus. Zu beiden Türen führten jeweils drei Stufen hinauf. Rechts von der Haustür war eine kleine mechanische Weberei, die bald nach Beginn der Mechanisierung eingerichtet wurde, wie in vielen anderen Häusern unseres Ortes auch. Die alten Handweber (der ursprüngliche Beruf von W.Knieling) wurden immer weniger, die „Hausweber“ (im Gegensatz zu den „Fabrikwebern“) lösten sie ab. In dieser Hausweberei arbeitete sein Sohn Paul, der spätere Besitzer dieses Hauses.
Im ersten Stock des Hauses befand sich in den 20er Jahren noch das Dienstzimmer der örtlichen Polizeistation, deren Leiter, Gendarmerie-Kommissär Richter, hatte gleichzeitig eine Wohnung im ersten Stock. In den anderen Wohnungen dieses für die damalige Zeit großen Hauses wohnten weitere Familienmitglieder mit ihren Angehörigen. Es war eigentlich das zentrale Haus der gesamten Totengasse. Bemerkenswert war der Standort der zum landwirtschaftlichen Teil des Anwesens gehörigen Scheune: Die sogenannte „Knielingsscheune“ samt Garten befand sich schräg gegenüber (auf obigem Bild rechts vom „Meiselshaus“). An ihrer Stelle entstand in unserer Gegenwart ein Betriebsgebäude der Firma Lochner, Dekostoffweberei mit ihrem Haupteingang von der Peuntstraße her.
So hat jedes alte Anwesen dieser Ortsstraße eine eigene Geschichte, die eigentlich noch fortgesetzt werden soll.
Quellen: Hofner, Chronik II und III (Fassionen 1811)