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Bürger-Nachrichten
Ausgabe 8/2023
Historisches
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Historisches von Siegfried Schörner

Friedhofstraße 20

Zur Häusergeschichte: Bäuerliche Anwesen in der „Duudngass“ (Totengasse) und Gartenstraße

Die Geschichte der „Totengasse“ (Friedhofstraße) ist untrennbar verbunden mit den bäuerlichen Anwesen, die ihren südlichen, den hinteren Teil prägen. Nach der Steuerliste von 1811 wird deutlich unterschieden zwischen „Bauernhof“ (innerorts: Halber Hof oder Viertelhof) und Handwerkerhäusern mit landwirtschaftlichem Nebenbetrieb (Söldengut, Sölde oder Selde, Trüpfhaus mit einigem Grundbesitz). Daneben gab es reine Trüpfhäuser ohne jeglichen Grundbesitz, z.B. die alten Häuser Nr. 64 und 84 (nicht mehr existent). In der Steuerliste wird ihr Wert veranschlagt. Halbe Höfe bekam man für 2000 bis 3000 Gulden (= fl), Viertelhof ca. 1500 fl, eine Sölde ca. 1000 fl, ein Trüpfhaus 200 bis 500 fl, ein Trüpfhaus ohne Grundbesitz 80 bis 150 fl.

Die Höhe des Wertes hing natürlich von der Größe und Qualität des Grundbesitzes ab.

Der erste Bauernhof, der rechtsseitig in Richtung Friedhof liegt, ist die alte Hausnummer (=HN) 67 (Friedhofstraße 20, Gebelein, vormals Tröger). Er war unverkennbar ein Dreiseithof mit Wohnstallhaus und angebautem Backofen, der heute noch in den Weg hineinragt.

Das Anwesen ist laut Lehensbrief vom 11.2.1767 (Quelle: Chronik Hofner, Band 3, S.266) ein Viertelhof im Besitz des Bauern Wolfgang Oelschlegel, der im Jahr 1808 durch Einheirat an Andreas Tröger (geb. 9.8.1784, gest. 18.12.1839) aus Martinsreuth überging. Dieser Andreas Tröger war ein Sohn des Matthäus Tröger (geb. 20.9.1755, gest. 19.2.1835), eines weitbekannten Bauern zu Martinsreuth, dessen Nachfahren (Tröger/Müller) heute noch auf dem Hof sitzen. Mit diesem Andreas kam der Familienname Tröger nach Konradsreuth; alle noch lebenden Träger dieses Namens und ihre Nachkommen (Zankl, Gebelein, Findeiß, Bergmann ...) stammen von ihm ab.

Andreas Tröger heiratete Anna Margaretha Oelschlegel. Der Wert des Hofes wurde bei der Übergabe und Ablösung auf 1800 fl beziffert. Ihre Nachkommen sind die Söhne Adam (geb. 1810) und Johann (geb. 1819). Der jüngere erbt (traditionsgemäß in unserer Region) den Hof und gibt ihn weiter an seinen Sohn Johann Adam (mundartlich „Hannodl“; geb. 1858). Dann folgt dessen Sohn Adolf Tröger (geb.1898), der das anschließende Grundstück (Trüpfhaus Nr.69) von Konrad Schlegel (Vorfahre der Fam. Lochner) erwirbt und direkt an der Friedhofstraße anliegend zur Abrundung seines Anwesens nach dem 2. Weltkrieg (um 1946) ein neues Stallgebäude aus Granitquadern erbaut, es steht parallel zur Friedhofstraße (s. Bild!).

Adam Tröger, der erstgeborene Sohn des Andreas, erlernt das Weberhandwerk und übt es mindestens bis nach 1840 aus. 1828 ergibt sich für ihn die einmalige Gelegenheit, ein kleines Söldengut zu erwerben, das in der heutigen Brunnenstraße unmittelbar an sein Elternhaus angrenzte, das Haus Nr. 82 (s.Plan, am Anfang der Brunnenstraße links, wo heute die Gartenstraße anfängt.) Bis zu diesem Zeitpunkt besaß es Nikol Habicht, der es 1802 für 1500 fl erworben hatte. Dieser Nikol Habicht besaß außerdem noch das anschließende Söldengut HN 85 (heute Brunnenstraße 10, Leupold).

Er ist ortsgeschichtlich ein interessanter Fall und ein Beispiel, wie die Menschen der damaligen Zeit nach einem besseren Leben strebten und wie dadurch auch die häufigen Besitzerwechsel der kleineren Anwesen unseres Ortes zu erklären sind.

Johann Nikol Habicht, geb. 29.10.1783 war ein Bauernsohn aus Lipperts. Im jahr 1802 erwarb er als 19jähriger das kleine Anwesen HN 82 für 1500 Gulden, vermutlich mit dem Geld, das er als Erbteil von seiner Familie ausbezahlt bekam. Damals sprach man in solchen Fällen sogar, er wurde „hinausbezahlt“. Er schuf sich somit eine eigene Existenz, übte aber wie alle Selden- oder Kleingütler einen weiteren Beruf aus. Er war „Taglöhner“, d.h. er verdingte seine Arbeitskraft für notwendige Arbeiten, die damals durchzuführen waren und war damit ein gesuchter Mann. Das konnten Aushilfen in der Landwirtschaft, bei Wald-,Holz- oder Bauarbeiten sein. 1828 beschränkte sich Habicht auf sein weiteres Söldengut nebenan, die HN 85 (später Leupold). Aber schon 1848, wahrscheinlich war wieder einmal eine wirtschaftliche Flaute in unserer Region eingetreten, stellte Nikol Habicht beim Landgericht Hof (dem späteren Landratsamt) einen Auswanderungsantrag nach Nordamerika mit einem Gesuch vom 9.8.1848.. Ebenfalls mit auswandern wollte sein Sohn Johann Adam, 19 Jahre alt. Nachdem dieser militärdienstuntauglich war, wurde die Auswanderung genehmigt. Seine Ehefrau wollte im nächsten Jahr nachfolgen. Sein Gütlein HN 85 (heute Brunnenstraße 10) verkaufte er um 1721 Gulden ebenfalls an seinen Nachbarn Adam Tröger am 9. Mai 1848, bevor er auswanderte.

So war Adam Tröger, der Weber, durch die Vereinigung zweier „Gütlein“ zu einem stolzen Hofbesitzer geworden. In der Hausbesitzerliste 1850/54 des Vermessungsamtes Hof erscheint er bei HN 82 nicht mehr als Weber, sondern als Hofbauer. Als um 1870 die engstehenden Anwesen HN 82 und 85 samt Nebegebäuden abbrannten, siedelte der weitsichtige Besitzer Adam Tröger den wieder aufgebauten Hof Nr. 82 ein Stück weiter oben am Wirthsberg in seinem sich hinter dem alten Hof erstreckenden Grasgarten an. Er mußte zwar einen neuen Zufahrtsweg mit leichter Steigung zu seinem „Aussiedlerhof“ weiter oben schaffen, aus dem schließlich in unserer Zeit die „Gartenstraße“ wurde. Seitdem hieß der spätere Besitzer dieses Hofes zur besseren Unterscheidung zum unteren von HN 67 der „Gartentröger“.

Zur Erinnerung abschließend die Besitzerfolge der beiden Trögershöfe:

HN 67 (Friedhofstraße 20)

Wolfgang Oelschlegel bis 1808

Andreas Tröger, verh. mit Anna Margaretha Oelschlegel

ab 1844 Johann Tröger, verh. mit Rosina Wendler

Johann Adam Tröger, verh. mit Barbara Heerdegen von Almbranz

Adolf Tröger, seine Ehefrau war Lisette Reichel von Oberpferdt

Anneliese Gebelein, geb. Tröger

Werner Gebelein

HN 82 (Gartenstraße 8)

Matthäus Popp, Vorbesitzer von 1785 – 1802

Nikol Habicht, Vorbesitzer von 1802 – 1828

Adam Tröger ab 1828, er war verh. mit Appollonia Anna Puchta von Konradsreuth

Johann Tröger, verh. mit Anna Margaretha Mehringer von Stiftsgrün

Johann Edmund Tröger, verh. mit Anna Egelkraut von Zedtwitz

Hans Tröger, verh. mit Katharina Emtmann aus Brunnenthal

Elise Findeiß, geb. Tröger

Helmut Findeiß

Die eingetragenen Zahlen bezeichnen die alten Hausnummern mit zugehörigen Grundstücken

(Häuser lila mit HN, zugehörige Wirtschaftsgebäude gelb)