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Bürger-Nachrichten
Ausgabe 9/2023
Historisches
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Historisches von Siegfried Schörner

Das alte Vorgängerhaus Nr. 74, ein in den architektonischen Proportionen schönes und stimmiges historisches Gebäude, das leider nicht mehr besteht (Archivbild, vor 1930)

Das „Eckardts-Schneiders-Haus“ mit drm Friedhofsteig vor 1930. Heute befindet sich dort der Dachdeckereibetrieb Schreiner (Archivbild)

Zur Häsusergeschichte: Weitere bäuerliche Anwesen in der Friedhofstraße („Duudngass“)

Der vorliegende Beitrag setzt die angefangene Reihe der Häusergeschichte in der Friedhofstraße fort (s. Gemeindeblatt Juli und August). Zuletzt ging es um das Trögersanwesen HN 67 an der Einmündung der Brunnenstraße. In Richtung Friedhof rechts auf dem Platz des zu diesem Anwesen gehörigen Stallgebäudes, das erst kurz nach dem 2.Weltkrieg erbaut wurde, stand in früherer Zeit (wohl bis in die dreißiger Jahre) noch ein kleines Weberhaus, ein „Trüpfhäuslein Nr.68 von Holz erbaut nebst einem kleinen unbedeutenden Schorgärtlein“, wie es in der Steuerbeschreibung von 1811 heißt. Ein „Schorgärtlein“ umfaßte nur ein paar Quadratmeter, die per Hand mit Schaufel und Spaten bearbeitet (= geschort“) werden konnten. Der steuerliche Wert war nur mit 140 fl (=Gulden) veranschlagt. Der Besitzer 1840 war der Webermeister Joh.Nikol Eppmeier, der das Häuslein 1783 von Eva Elisabeth Zeh erworben hatte. Ihm folgten als weitere Besitzer sein Sohn Joh. Jakob und sein Enkel Joh.Nikol 1844, allesamt Webermeister. Später (um 1860) gelangte es in den Besitz von Konrad Schlegel, Webermeister, der auch das gegenüberliegende Haus Nr.69 (ehemals Lochner Ferdinand, dann Johann, Hausname „die Schaschn“) besaß.

Christian Wächter, einer seiner Nachfahren aus der „Schaschn“-Familie, kannte dieses Häuslein noch aus eigener Anschauung und berichtet in seinen Lebenserinnerungen (Maschinenschrift von 2005, Gemeindearchiv) sehr anschaulich über dieses kleine Weberhaus: „Es war auch eines jener Häuschen, bei denen man beinahe in die Dachrinne greifen konnte. Es lag etwas tiefer als die Totengasse, von der es duch einen breiten Graben getrennt war, den man auf einem festen Brettersteg überquerte. Innen, links von der Haustür, war der einzige Raum, die Küche mit gemauertem Herd. Der hatte eine große Kochplatte, Bratröhre und eine eingebaute eiserne Ofenwanne, so daß jederzeit, wenn der Ofen geschürt wurde, warmes Wasser da war. Außer den nötigen Küchenmöbeln wie Tisch, Stühle, Eckbank und Geschirrschrank, gab es das zweischläfige Ehebett (die Kinder schliefen unter dem Dach), ein Spulrad und vor dem Fenster stand wegen des Lichts der hölzerne Handwebstuhl im Zimmer. In anderen Häusern gab es statt des Webstuhls eine Schuster- oder Schneider-Ecke. Innen, im kleinen Flur, ging rechts von der Haustür eine schmale Holztreppe direkt zum Dachboden hoch und hinter dieser Stiege war ein dunkles Gelass, daß früher vielleicht einmal ein kleiner Stall war und in dem jetzt (1924/25) der Latrinenkübel stand.“

Die nun rechtsseitig folgenden drei Anwesen, Friedhofstraße 22, 24 und 26 (alte HN 73, 74 und 75) sind siedlungsgeschichtlich als Einheit zu betrachten. Sie bildeten zusammen (dazu noch mit dem Trögershof Nr. 67) einen der Konradsreuther Urhöfe aus der mittelalterlichen Besiedlungsperiode, denn alle dazu gehörenden Grundstücke sind miteinander benachbart. Sie liegen meistens am Steinbühl, am Mühlberg (so hieß früher die von der Steinmühle aus ansteigende Anhöhe zum Wirthsberg und im Grenzbereich mit der Gemarkung Weißlenreuth bei der heutigen Waldlust.

Eine Hofteilung (der Grund lag darin, für einen weiteren Nachkommen eine Lebensgrundlage zu schaffen) bezog sich in alter Zeit in erster Linie auf die landwirtschaftliche Nutzfläche, die eine Familie ernähren mußte. So entstanden in diesem Fall zwei Viertelhöfe, deren Ertrag jeweils ausreichte, um eine Bauernfamilie zu ernähren. Das waren der Trögershof HN 67 und HN 74, das Gut von Johann Caspar Stelzer, das dieser 1810 vom Vater Johann Georg Stelzer übernommen hatte. Nennen wir es den „Stelzershof“. Sein steuerlicher Schätzwert lag 1811 bei 1200 fl (=Gulden), 1837 bei einer Übergabe bei 2000 fl.

Auf diesem Viertelhof saßen um die Jahrhundertwende 1800 die Vorfahren aller Konradsreuther Familien, die den Namen Stelzer tragen, einschließlich ihrer Nachkommen aus den Familien Gemeinhardt, Puchta Christian und Alfred, Summerer und Tröger-Zankl. Auch die Stelzer auf der Brauerei Fattigau stammen daher.

1840 ist das Gütlein im Besitz des Bäckermeisters Johann Stelzer, der seinen Hauptsitz aber schon in Dorfmitte beim „scharfen Eck“ hatte (spätere Drogerie Summerer, die „Stelzers Rees“). Dieser Johann Stelzer gründete auch die „Stelzerbräu Konradsreuth“ (HN 186, am Schwarzenfurthweg).. Die unglückliche Hofeinfahrt zum Stammhaus veranlaßte den Bäcker Stelzer zum Verkauf desselben, die zugehörigen Grundstücke blieben weiterhin in seinem Besitz. Zuletzt war das Anwesen im Besitz von Karl und Vera Meyer und ging dann an deren Nachkommen.

Die beiden anderen Teile des Urhofes, HN 73 und HN 75, waren sogenannte Sölden, mit kleinerem Grundbesitz. Ihre Besitzer übten deshalb noch ein Handwerk aus (Weber oder Schuhmacher). Das erstere Anwesen war 1796 im Besitz des Webermeisters Johann Baumann, der es vom Vater übernommen hatte. Steuerschätzwert lag bei 600 fl. 1831 folgte der Webermeister Thomas Baumann. 1890 saß darauf der Schuhmacher Johann Hager. In neuerer Zeit gelangte es in den Besitz von Georg Eckardt. Dieser betrieb um 1930 die Filiale des „Darlehenskassenvereins“ (die spätere Raiffeisenkasse) mit Landhandel für Futter- und Düngemittel und den Anfängen eines Bankwesens. Es folgte seine Tochter Martha Schwertfeger geb. Eckardt.

Das andere Anwesen, 1791 als „Gütlein“ bezeichnet, besaß damals Adam Hertrich, der es 1762 durch Heirat der Witwe und Besitzerin Catharina Müller, geb. Schaller um 600 fl (=Gulden) für die Auszahlung ihrer zwei Kinder erworben hatte. Er besaß es noch 1811 (nach dem damaligen Steuerkataster). Es ging später in den Besitz des Bauern Paulus Kießling über (lt. Nachweis 1840 und 1854). 1961 bei der Umstellung der alten HN 75 auf Friedhofstraße 26 besaß es die Schneidermeistersehefrau Berta Eckardt und das große,alte Wohnhaus, in dem einige Mietsfamilien wohnten, hieß allgemein das „Eckardts-Schneiders-Haus“. Die Raiffeisen-Gesellschaft kaufte den gesamten Komplex und betrieb einige Jahre einen Handel mit ländlichen Produkten und die angeschlossene Raiffeisenbank. Schließlich ging das Anwesen in den Besitz des Dachdeckermeisters Markus Schreiner über, der hier seinen Geschäftsstandort unterhält.

Das Kuriose an der Lage dieser drei Grundstücke zueinander ist die Verflochtenheit, die aus der ehemaligen Zusammengehörigkeit im Mittelalter herrührte und die sich erst in der Gegenwart auflöste: Die Scheune vom „Eckerts-Gerch“ lag gegenüber seines Hauses im Grundstück vom „Eckerts-Schneiders-Haus“. Die steile Zufahrt vom Meyers Karl ging mitten durch den Hof des Hauses Nr. 73 (Eckardt-Schwertfeger). Zum Haus Nr.74 (Meyer) gehörte noch ein weiteres Zufahrtsrecht, z.B. für schwere Erntewagen., das mitten durch den Eckardts-Schneiders-Hof führte, das aber kaum genutzt wurde.

Johann Georg Stelzer, dem 1791 noch der obere Viertelhof gehörte, konnte sich in seinem Lehenbrief vom 17.1.1791 darauf berufen, daß er neben seinem Hof mit allen Zugehörungen noch zwei Fahrten (=Zufahrtswege) hatte, „deren die eine durch Johann Baumanns Hof, die andere aber bei des Hertrichs Haus und Garten verglichenermaßen (= durch einen Rechtsvergleich festgelegt) gehet....“