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Bürger-Nachrichten
Ausgabe 9/2024
Historisches
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Historisches

Erntezeit; Alte Hofer Straße im August 1949; Foto: Rolf Strycker

Das Ende des 2. Weltkrieges in Konradsreuth

(Ein Augenzeugenbericht aus eigenem Erleben als zwölfjähriger „Mitwirkender“.)

In meinem letzten Beitrag (Juli) wollte ich deutlich machen, welche zentrale Rolle das Gebäude des alten historischen „Gasthofes zum Roten Ochsen“ spielte. Es war mein Geburtshaus, in seinem erlebnisreichen Umfeld bin ich aufgewachsen. Es war Treffpunkt für mich und meine Freunde, von dem aus wir unsere Unternehmungen starteten.

Das heutige Thema lautet: Gefährliche Spiele

Die erste Zeit nach dem Einmarsch der Amis (15. April 1945) wurde eine Ausgangssperre für alle deutschen Bewohner verhängt, bis auf je zwei Stunden vormittags und nachmittags, welche die Einwohner für die Besorgungen der lebensnotwendigen Güter nutzen mussten. Wir nützten die Zeit für unsere Streifzüge rings um unseren Wohnort. Man glaubt gar nicht, wie groß der Radius für unsere Ausflüge war, denn es gab allerlei zu finden, was Buben interessierte. Wir streiften zwischen Waldlust und Glänzlamühle, den „Neuen Teichen“ und Silberbach umher. Schulunterricht fiel für dieses gesamte Jahr 1945 aus (was uns in der Endabrechnung ein Jahr zusätzlich einbrachte!).

Auf der Waldwiese zwischen Walburgisreuth und Föhrenreuth waren zwei große Sprengtrichter zu finden. Dort hatten Räumkommandos (vermutlich deutsche Kriegsgefangene unter Aufsicht von Amis) das haufenweise herumliegende Kriegsmaterial aus den Wäldern links und rechts der Leupoldsgrüner Straße und auch von weiterher (Autobahn) gesammelt und dann in die Luft gejagt. Die zwei gewaltigen Detonationen wurden auch im Ort wahrgenommen. Nicht alles verbrannte oder ging in Rauch auf. Rings um die Sprengtrichter fanden wir noch ganze Bündel eines nudelförmigen Sprengpulvers. Die einzelnen Stäbchen sahen „Makkaroni“ (in Konradsreuth Rohrnudeln genannt) zum Verwechseln ähnlich. Unser Glück war, dass sie durch das Liegen im Freien wohl etwas feucht geworden waren, denn wir experimentierten als „Feuerwerker“ mit dem gefährlichen Zeug, indem wir es anzündeten und solange festhielten, bis es zischend verbrannt war. Auch an anderen Stellen im Dorf wurde noch solches Kriegsmaterial gesammelt: Ein Haufen lag am Marktplatz neben dem Kirchhofeingang und einer am Wiesengrund, etwa dort, wo heute die Straße „Am Bürgerpark“ einmündet, damals völlig unbebautes Wiesengelände am sogenannten „Hübel“. Dort war eine amerikanische Panzerabteilung stationiert und dort lagerten Fundmunition, unbrauchbar gemachte Waffen, Panzerfäuste, Eierhandgranaten...., wohlgemerkt, ohne ständige Bewachung. Wir trieben uns in der Nähe des Haufens am Marktplatz herum. Dort beschäftigten sich junge GI's (= amerikanische Soldaten) damit, gefundenen oder konfiszierten Gewehren die Kolben abzuschlagen, also sie unbrauchbar zu machen. Dabei gingen auch die kostbar geschnitzten und mit Intarsien verzierten, historisch wertvollen Jagdwaffen aus dem Schloß flöten, denn was wussten schon die hinterwäldlerischen jungen Amerikaner aus Kansas oder Georgia von kulturellen deutschen Werten. Sie waren ja erst kürzlich über den Ozean nach „Germany“ transportiert worden, um in den Krieg zu ziehen.

Plötzlich brannte ein „Feuerchen“ in der Nähe des hochgefährlichen Haufens am Wiesengrund. Ein aufmerksamer Wachposten konnte es noch rechtzeitig löschen, bevor es den gefährlichen Ort erreichte. Der Fiedlers Heiner, ein Bub jünger noch als wir, damals etwa acht Jahre alt, hatte es verursacht. Es hätte „dumm“ ausgehen können!

Wir, d.h. meine Freunde Hans Wülferth und Horst Rauh und ich, waren mehr am Marktplatz „tätig“. Mehrere Säckchen hatten unsere Aufmerksamkeit erregt. Sie enthielten Pulver für Artilleriegranaten, ähnlich den „Makkaronistäbchen“, die wir schon kannten, nur in etwa zwei Zentimeter langen Stückchen. Schwupp! Schon hatte jeder ein solches zwiebelsackgroßes Säckchen geschnappt und an sich genommen. Wir flohen damit in unsere „Spielwiese“, das leer stehende und im Innern ruinöse alte Brauereigebäude der früheren Strößner-Bräu beim „Roten Ochsen“. Die alte Abfüllhalle war unser Ziel: Dort gab es einen ebenen Betonboden, nichts Brennbares (wir haben wirklich darauf geachtet!) und keine störenden Erwachsenen. Nun begannen wir mit unserem „Feuerwerk“: Wir legten eine Spur solchen Pulvers in geschwungenen Linien, ab und zu ein größeres Häuflein und ganz am Ende der Strecke einen tüchtigen Haufen des mittlerweile für uns als ungefährlich erscheinenden Pulvers. Irgendwo hatte ich den Begriff „Lauffeuer“ gelesen, Mit einem Lauffeuer hat man bei mittelalterlichen Belagerungen gefahrlos Explosionen ausgelöst, als es noch keine „Zündschnur“ gab.

Wir zündeten die Pulverspur am vorgesehenen Anfang an. Langsam, leicht zischend fraß sich die Feuerschlange weiter, den gestreuten Spuren folgend und immer einmal ein größeres Häuflein in Brand setzend. Ganz am Ende wartete ein tüchtiger Haufen, das sollte der „Clou“, der „Knalleffekt“ sein. Wir warteten gespannt auf diesen Moment und merkten nicht, dass im Eingang (eine Tür gab es nicht) mein Großvater, der „Buudn-Adl“ (Adam Kaußler) stand, der den verdächtigen Geräuschen nachgegangen war. „Ihr Saubuum, woss treibt ihr do!“ schimpfte er. Gerade in diesem Augenblick verpuffte der Endhaufen in einem blendenden Feuerblitz. Vor Schreck erstarrt merkte er nicht, wie wir durch einen weiteren Zugang entwischten. Drei Tage durften wir uns nicht mehr sehen lassen. Ich flüchtete zu meiner alten Tante Anna, bei der ich immer Zuflucht suchte, wenn es brenzlich geworden war.

Wir hatten immer noch ein volles Pulversäckchen, das verschwinden musste. Die „Hula“ am Waldlustweg (damals schon außerhalb des Ortes, heute von der Firma Alukon überbaut) schien uns der geeignete Ort zu sein. Dort, im alten, tief eingeschnittenen Hohlweg war eine wilde Müllkippe entstanden. Aus dem ganzen Ort landete dort, was nicht mehr brauchbar war. Eine geordnete Müllabfuhr gab es zu jener Zeit noch nicht. Wir fanden einen alten Gurkenkübel, der uns geeignet erschien. Wir schütteten das restliche Pulver hinein. Er war bis zu einem Viertel gefüllt. Der Mutigste warf ein brennendes Zündholz hinein und dann keuchten wir in wilder Flucht die Böschung hoch und legten uns am Rand flach auf den Bauch. Plötzlich schoss eine etwa 10 Meter hohe Feuersäule hoch, weit über den Rand des Hohlweges hinaus und wohl auch von weitem sichtbar. Das dauerte jedoch nur Sekunden, das Blech des Gurkenkübels war kurzfristig weißglühend, beim plötzlichen Abkühlen ertönte ein pfeifender, kreischender Ton, der uns zum Jubeln über unser gelungenes Experiment brachte.

(An dieser Stelle möchte ich vor jeder Nachahmung solcher oder ähnlich gefährlicher Unternehmungen, besonders den Umgang mit Feuer oder gar Explosivstoffen warnen, wir hatten einfach nur Glück, dass nichts passiert ist, in einer Zeit, in der ohnehin alles drunter und drüber ging).

Damit hatten wir „unser Pulver verschossen“ und wendeten uns

anderen Abenteuern zu. Der Sommer 1945 lag ja noch vor uns.