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Bad Königer Stadtnachrichten und Badeblatt
Ausgabe 14/2025
Kirchliche Nachrichten
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Kurseelsorge

Versuchung

„Die zarteste Versuchung seit es …..“ – Kennen Sie diesen Werbespruch noch? Versuchung – das hat auch sowas Verruchtes, Halbseidenes. Schauen wir mal in der Bibel nach, die ja bekanntlich voller Weisheiten ist. Dort finden wir unterschiedliche Erzählungen über Versuchungen. Grundlage ist immer, dass ein Mensch da auf einmal eine Entscheidung treffen muss, manchmal ziemlich unerwartet und mit absolutem Charakter, den ganzen Menschen vereinnahmend.

Zunächst zwei Geschichten aus dem Alten Testament. Im Buch Jona geht es darum, dass der Mann namens Jona versucht vor seinem Auftrag zu fliehen, weil er sich überfordert fühlt. Auf der Flucht auf dem Seeweg wird er im Sturm über Bord geworfen, von einem großen Fisch verschlungen und von diesem wieder an Land gespuckt. Da bekommt er nochmal den Auftrag und diesmal erledigt er ihn. Im Buch Hiob wird uns auf dramatische Weise beschrieben, wie der Mann namens Hiob alles verliert, aber dennoch nicht der Versuchung nachgibt sich von Gott abzuwenden. Und dann die Erzählung im Neuen Testament über Jesus in der Wüste. Der Teufel bietet Jesus an, die teuflische Macht zu nutzen, um Wunder zu vollbringen, die die Menschen zum Glauben bringen sollen. Jesus lässt sich jedoch vom Teufel nicht überreden und findet so seinen eigenen Weg. In diesen symbolischen Erzählungen wird deutlich, dass Versuchung bedeutet, die eigene Identität aufzugeben, um eines scheinbaren Erfolges oder Vorteils willen. Für diejenigen, die in Versuchung geraten, geht es um die Entscheidung über die eigene Wertigkeit. Oft geht es in solchen Phasen um die Entscheidung für Eigennutz oder für Gemeinsinn. In der Bibel wird unser Blick dabei immer auf Gott gerichtet, der für uns den höchsten Wert repräsentiert. Das zu erkennen ist immer ein herausfordernder Prozess des inneren Dialogs. Wer in Versuchung gerät, kann scheitern.

Wie ist das aber mit dem Gebetsabschnitt in unserem „Vaterunser“? Missverständlich ist es, dass Gott uns in Versuchung führt. Es ist eine Bitte darum, dass uns in jeder Entscheidungssituation, selbst im Scheitern, die Zuwendung Gottes sicher ist. In der Erzählung von der Versuchung, der das erste Menschenpaar Eva und Adam ausgesetzt ist (sie wollten sein wie Gott, heißt es), gibt es zwar die Vertreibung aus dem Paradies. Doch Gott macht ihnen dafür dann selbst Kleidung aus Tierfell. Versuchung nur als etwas Böses zu betrachten, wird dem Phänomen also nicht gerecht. Vielleicht ist es gerade das nach Ansicht „der Leute“ vermeintliche Scheitern in der Versuchung, das einen wesentlichen Fortschritt für das eigene oder das gesellschaftliche Leben bedeutet. Die Entscheidung in einer Situation der Versuchung ist keine einfache Sache. Die Frage nach dem richtigen Weg ist jedenfalls mehr als ein Werbegag.

Jan. Mäurer, kath. Kirche, Bad König