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Bad Königer Stadtnachrichten und Badeblatt
Ausgabe 4/2025
Kirchliche Nachrichten
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Kurseelsorge

Fragen stellen…

„Wer, wie, was, warum – wer nicht fragt bleibt dumm…“, so heißt es in einem bekannten Reim einer Kindersendung. Fragen zu stellen, macht uns als Menschen aus. Kleine Kinder haben andere Fragen als junge Erwachsene und als Menschen im hohen Lebensalter. Uns ist klar, dass unsere Welt vielfältig und sehr komplex, ja eigentlich unüberschaubar ist. Zu fragen ist eine regelrechte Lebensaufgabe.

Diese Kunst des richtigen Fragens wird oft mit dem griechischen Philosophen Sokrates verbunden. Seine Schüler Platon und Xenophon haben über ihren Lehrer und seine Lehren geschrieben. Die Rede ist dort von „Dialogen“, einem Wechselspiel von Fragen und Antworten, in dem das mehrfache Hinterfragen die entscheidende Rolle spielt. Sokrates vertrat die Lehre, dass jeder Mensch zur Erlangung von Erkenntnis die Wahrheit in sich selbst trage. (Was ist „Erkenntnis“ und was „Wahrheit“?) Für Sokrates war es zentral, Fragen so zu stellen, dass Überzeugungen und Meinungen immer wieder zu überprüfen sind, und zwar von einem selbst und im Dialog mit anderen Menschen. So werden Denkfehler erkannt und überwunden. Dieses kritische Denken führt zur eigenen Verantwortung, mit dieser uralten Methode erreichen wir Fortschritt in Gesellschaft und Wissenschaften. Kritisches Denken und ständiger Dialog ist heute von besonderer Aktualität. Wir sind konfrontiert mit einer gigantischen Fülle von Informationen, deren Wahrheitsgehalt oft kaum noch nachprüfbar ist. Hinzu kommen Unwahrheiten, die ganz gezielt in die Welt gesetzt werden, um sehr spezielle Ziele der Manipulation und des Machtmissbrauchs zu erreichen. Unsicherheiten und weitreichende Verunsicherung sind das Ergebnis.

Der „alte Sokrates“ hingegen klärt zunächst die Begriffe: Was ist Vertrauen? Was ist wertvoll? - Dann sucht er nach Ordnungen: Was darf ich? Was nützt allen? – Schließlich kommt er zur Ebene des Handelns: Soll ich das? – In den Dialogen geht es nicht um schnelle Antworten und einfache Rezepte und auch nicht um Verallgemeinerungen. Es geht dort um eine kritische Haltung eines jeden Individuums, um die Entwicklung selbstbestimmter Ziele und die Übernahme von persönlicher Verantwortung. Ok, es erfordert noch etwas mehr Anstrengung, um den Zusammenhang zu sehen, aber der Satz Jesu aus dem Johannesevangelium „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ meint genau das: Die im Menschen innewohnende Gewissheit zu selbstbestimmter Verantwortung.

Jan. Mäurer, Kath. Kirche, Bad König