Der überfällige Besuch oder: Auch Taube können sich freuen
In einer Zeitung fand sich folgender Leserbrief. Die Schreiberin wollte mit ihm eine Erfahrung weitergeben.
„Lieber Nachbar!
Sie sind schon über 80 Jahre alt und seit vielen Monaten ganz an das Krankenlager gefesselt. Wir erfuhren dies, und Sie taten uns sehr leid. Wir fragten nach Ihnen, ließen Sie grüßen und übermittelten unsere besten Genesungswünsche. Aber wir besuchten Sie nicht, denn Sie können zwar lesen und sprechen, aber nicht hören. Sie sind hilflos ohne Ihre Mitmenschen, aber sind wir nicht weit hilfloser, da wir es nicht einmal wagen, Sie zu besuchen? Wir könnten Ihren Angehörigen, die ja auch wie Sie unsere Nachbarn sind, das Gefühl geben, dass sie nicht allein sind in ihrer Sorge und Anteilnahme um Sie.
Nach solchen Gedanken nahm ich mir endlich ein Herz, Sie, lieber kranker Nachbar, zu besuchen – und wie wurde ich durch Sie beglückt! Sie zeigten Ihre Freude über mein Kommen und sprachen sie auch aus. Sie tragen und ertragen Ihre Krankheit und haben mich gelehrt, dass es ein Geschenk ist, mit den Menschen leben zu dürfen!
Deshalb, lieber Nachbar, komme ich bald wieder und freue mich darauf. Liebe Grüße und baldige Besserung
Ihre Nachbarin“
Liebe Leserinnen und Leser!
Selbst wenn dieser Text fast 50 Jahre alt ist und die technischen Hilfen für Gehörgeschädigte sehr weit fortgeschritten sind, so findet sich in dieser Geschichte eine Grundwahrheit, die besonders in unsere Zeit passt: Gemeinschaft beglückt, denn es ist ein Geschenk, mit den Menschen leben zu dürfen! Ihnen allen wünsche ich eine beglückende Zeit.
Ihr Andreas Matzke, kath. Seniorenseelsorger Bad König