Wenn das Christkind grüßt
„Von drauß´ vom Walde komm ich her …“ - Wohl kaum jemand, der dieses Gedicht nicht kennt, auch wenn es wohl kaum jemand vollständig auswendig aufsagen kann. Sein Verfasser Theodor Storm hat uns mit seinen Zeilen einen aufschlussreichen Blick in seine Zeit um 1862 und die Weihnachtsfeste damals gegeben. Im Text wird deutlich, dass Theodor Storm ein typischer Vertreter der Romantik war. Der Wald spielt eine besondere Rolle, wird mythisch verklärt und zum Symbol. Das Kind, die Kindheit wird zum Symbol für Unschuld. Im Text des Gedichts wird aber gleichzeitig der Wert von ordentlichem Benehmen und von Frömmigkeit hervorgehoben.
Aus heutiger Sicht sind wir bei genauerem Hinschauen schon überrascht, dass im Gedicht die Figur des düsteren Knecht Ruprecht dem lieben Nikolaus den Rang streitig macht. Der Knecht Ruprecht ist es, mit dem der „liebe Herre Christ“ spricht, der den Sack mit den Geschenken trägt und den das „Christkindlein“ fragt, ob er denn für die „schlechten Kinder“ auch seine Rute dabei hat. Heutzutage vereint die Figur des Nikolaus beide Rollen, wobei er auch keine Rute mehr dabei hat, bestenfalls freundliche Ermahnungen.
Theodor Storm vermengt die Motive von der winterlichen Waldromantik mit der Erziehungshilfe durch den Heiligen Nikolaus und seinem Knecht Ruprecht zur gesellschaftlichen Konformität der damaligen Zeit, um dann zu guter Letzt doch zum Kern des Festes zu kommen: „Das Himmelstor ist aufgetan…“.
Theodor Storms aus der Romantik stammende Geschichte steht eigentlich im Gegensatz zu dem, was weit vorher im 16. Jahrhundert der Kirchenreformer Marin Luther gelehrt hat: Ihn störte das Brauchtum, bei dem Heilige gute Gaben bringen. Nach seiner Lehre ist Jesus Christus die schönste und größte Gabe an uns Menschen. Das übrigens ist die Kernbotschaft für Weihnachten und deswegen beschenken wir uns an „Heiligabend“ als dem Vorabend des eigentlichen Weihnachtsfestes.
Werfen wir noch einen Blick auf die Geschenke, die in Knecht Ruprechts Sack waren: „Apfel, Nuss und Mandelkern“. Auch das ist symbolisch zu verstehen, denn diese Früchte sparte man sich das ganze Jahr aus der Ernte zusammen. Man sammelte und bewahrte diese Gaben, um sich zum Weihnachtsfest daran erfreuen zu können. So dachte man das ganze Jahr und an den Sonnentagen an dieses Fest in der dunklen Jahreszeit. Diese Haltung aber steht ja im krassen Gegensatz zu dem was Weihnachten heute für viele Menschen geworden ist, wo oft Hektik und Kaufrausch überwiegen und die Verpackung und das Design wichtig sind.
Mit dem Gedicht „Von drauß‘ vom Walde…“ können wir uns darauf aufmerksam machen, dass das Weihnachtsfest eine tiefere und erfüllendere Bedeutung haben kann. Sicher muss jede Generation neu herausfinden was es für sie heißt, dass hinter Weihnachten mit seinen Geschenken die Botschaft vom menschennahen Gott steht.