Konflikte gehören zum Leben. Konflikterfahrungen ziehen sich durch unser Leben, schon als Kinder lernen wir, uns in Auseinandersetzungen zu behaupten, Kompromisse zu schließen oder aber nachzugeben. Kinder lernen am Vorbild von uns Erwachsenen den Umgang miteinander in Konfliktsituationen. Manchmal stimmt „der Klügere gibt nach“, manchmal spielt der Überlegene aber auch alle seine Macht aus. Bitter ist die Erfahrung, dass aus einer Meinungsverschiedenheit manchmal eine dauerhafte Unversöhnlichkeit wird. Grundsätzlich bieten Konflikte die Möglichkeit der persönlichen Entwicklung und Reifung, denn aus unterschiedlichen Ansichten und Vorstellungen können wir eine neue Sichtweise entwickeln und neue Lösungen zustande bringen.
Der Konfliktforscher Friedrich Glasl hat eine Systematik des Konflikts entwickelt, bei der das Verhalten der Konfliktparteien und die Chance auf eine Lösung in neun Stufen beschrieben wird. Am Anfang geht es noch um einen Austausch von unterschiedlichen Meinungen und Argumenten, was mit klärenden Gesprächen und durch unbeteiligte Dritte gelöst werden kann. Bei weiterer Steigerung werden Tatsachen geschaffen und negative Erwartungen werden bestätigt. Noch gibt es da die Möglichkeit von „Win-Win-Situationen“, wenn auch eher durch Hilfe von Außenstehenden. Gelingt keine Lösung suchen die Konfliktparteien dann Verbündete und Unterstützer für die je eigene Position, es kommt zu persönlichen Schuldzuweisungen und auch zu persönlichen Angriffen und es droht „Gesichtsverlust“. Zunehmend wird die ganze Person des Konfliktgegners in Frage gestellt. Aus Angst vor Machtverlust kommt es zu Erpressungsversuchen. Bei den extremen Stufen des Konflikts geht es nur noch darum, das Gegenüber in seiner Existenz zu erschüttern und zum Zusammenbruch zu bringen, sogar unter Inkaufnahme von Schäden an der eigenen Person oder Organisation. Wir sind derzeit mehr oder weniger beteiligte Zuschauer in einem solchen Prozess. Wir spüren die existentielle zerstörerische Energie in vielen unserer Lebensbereiche und wir dürfen sie nicht unterschätzen. Aber wir sind nicht hilflos, wir müssen nicht tatenlos bleiben. Auf der persönlichen Ebene hilft es, sich in die andere Person hineinzuversetzen, sich ihren „Hut aufzusetzen“ oder mal eine Weile „in ihren Schuhen zu gehen“. Der Konfliktforscher Glasl sieht in allen Stufen der Konfliktentwicklung auch eine wichtige Rolle bei einer außenstehenden dritten Person oder Institution, die wieder zur Verständigung beitragen und Lösungen entwickeln helfen kann. Solche Brückenbauer können wahre Engel sein.