Erwin Kreim mit seinem Überlebenskoffer im Rimhorner Hofhauskeller
Mehr als 60 Zuhörer, darunter viele sehr interessierte Jüngere, folgten im Rimhorner Hofhauskeller den packend vorgetragenen Lebenserinnerungen von Dr. Erwin Kreim, Otzberg. Seine Frau Teresa las gekonnt im Wechsel aus den niedergeschriebenen Erinnerungen über die „Darmstädter Bombennacht“ am 11. September 1944. In einer Nacht wurde die Stadt ein rauchender Trümmerhaufen mit 18.000 Toten. An der Hand seines Vaters hat Erwin (5 Jahre alt) einen Weg durch den Feuersturm gefunden.
Aber er hatte sich schwerste Phosphor-Verbrennungen zugezogen. Seine Hand musste dringend ärztlich versorgt werden, wie sollten sie zum Elisabethenstift kommen?
Es gelang, wieder an der Hand des Vaters. Über Flure mit wimmernden, schwerstverletzten Menschen gelangten sie zu einem Arzt. Dieser riet sofort: wir amputieren, das heilt am besten. Das lehnte der Vater kategorisch ab. Ein anderes Krankenhaus musste gefunden werden – vielleicht im Odenwald – in Erbach könnte es Hilfe geben. Mit dem Zug ging es zuerst nach Lengfeld, dort holte die Tante die Familie mit dem Kuhfuhrwerk ab und fuhr hinauf nach Hering. Sehr behelfsmäßig wurde die Familie aufgenommen und dann machte sich der Vater, wieder mit dem Buben an der Hand auf, auf den Weg nach Erbach. Im Krankenhaus am Brühl wurde die Hand versorgt. Die Behandlung wurde dann zweimal die Woche fortgesetzt, „Wildes Fleisch“ wurde ohne Betäubung abgeätzt, die Hand wurde gerettet.
Erwin wurde in Hering eingeschult und berichtete von schönen Kindertagen im Kreise der Dorfjugend. Dann ging es zurück nach Darmstadt und es kam der Wechsel an die Kyritz-Schule, Der Lehrer ermunterte den Kleinen sich vorzustellen: „isch haas Erwin un kumm vumm Hering“. Allgemeines Gelächter machte den Einstieg nicht leicht. Die Klassen bestanden aus 60 Kindern die täglich nur 2 ½ Stunden unterrichtet wurden. In der Pause gab es die „Quäkerspeisung“ in einem mitgebrachten Blechnapf.
Trotz all dem endete Kreim seine eindrucksvollen Schilderungen mit dem Satz der Schweizer Psychotherapeutin Verena Kast: „Man muss frühzeitig beginnen, gute Erinnerungen aufzuschreiben als ‚psychische Schätze’, die schlechten kommen von alleine.“ Kreim betonte die Fürsorge seiner Eltern und die Solidarität vieler Menschen,
die ihm das Leben gerettet haben. Nachzulesen in seinem Buch: „Wie ich ein ‚Heiner’ wurde“, Odw.-Verlag, Otzberg.