Bei der jüngsten Veranstaltung des Heimat- und Geschichtsvereins Lützelbach im Hofhaus in Rimhorn wurde das neue „Büchelsche“ „vor hundert Jahren - aus dem Centralanzeiger für den Odenwald 1923“ vorgestellt.
Seit mehr als 20 Jahren werden hier besondere Ereignisse, kuriose und auch ernste, aus der Zeitung von vor 100 Jahren zusammengetragen. In seinem Vorwort betont der Vorsitzende des HGV Lützelbach, Thomas Hess, dass 1923, ein Jahr aus den Zwanzigern, mit besonderen Ereignissen heraussticht. So besetzen Adolf Hitler und andere Nationalsozialisten am 8. November 1923 den Bürgerbräukeller in München und proklamieren den „Marsch auf Berlin“. Die NSDAP wird verboten. Vorerst. Die Inflation galoppiert. Doch welche Ereignisse waren im Odenwald aktuell, was berichtet uns der Centralanzeiger:
Im Januar 1923 beginnt der 100. Jahrgang unseres Blattes. Gegründet am 3. April 1824.
Im Februar werden die Personenfahrpreise der Reichsbahn um 100 Prozent erhöht …
Im März sind in Erbach und an anderen Orten unseres Kreises jetzt auch die ersten von den Franzosen ausgewiesenen Rheinländer mit ihren Habseligkeiten angekommen und von den Behörden nach Möglichkeit untergebracht worden.
Im April
Michelstadt: Die hiesige Oberrealschule hat im neuen Schuljahr eine außerordentliche Schülerzunahme erfahren. Während sie das Jahr 1921 mit 222, das Jahr 1922 mit 243 Schülern eröffnete, ist deren Zahl jetzt auf 325 gestiegen. Ihre Unterbringung im Schulgebäude macht große Schwierigkeiten und würde im Winter geradezu unmöglich werden, wenn nicht bis dahin die vom Gemeinderat bewilligten neuen Räume erstellt sind.
Im Mai wird auf die Zurücksetzung unserer Gegend in der Gewährung von örtlichen Sonderzuschlägen aufmerksam gemacht … für Beamte, Angestellte, Kriegsbeschädigte.
Im Juni sind in Erbach eine größere Anzahl aus Worms von den Franzosen ausgewiesene Familien untergebracht worden. Sehr gut konnte dabei die gegenwärtig leerstehende Kaserne – das frühere Bezirkskommando und Versorgungsamt – verwendet werden.
Im Juli gab es auf dem „Eulbacher Markt“ wieder die traditionelle warme Bratwurst für 40.000 Mark die Portion.
Im August hat in Michelstadt auf Antrag des Bürgermeisters der Gemeinderat beschlossen, mit einer Laufzeit bis 23. August 1923, 5.000 Stück Gutscheine zu je 500.000 Mark auszugeben. Die Scheine werden in einer Druckerei unter Aufsicht hergestellt ... ihre Vollwertigkeit unbedingt durch das Vermögen der Stadt gesichert.
Im September kauft ein Händler in Seckmauern ein Rind für 45 Millionen und verkauft es gleich wieder zu 140 Millionen. Kein Wunder, daß das Fleisch so teuer ist.
Im Oktober veranstaltet der Hessische Automobilklub auf der Bergstrecke Hetzbach – Krähberg ein großes Automobil- und Motorradrennen …
… Dabei ereignete sich leider ein schweres Unglück. An der großen Kurve von Hetzbach aus stürzte beim Berganfahren ein schwerer Wagen die Böschung hinab, sich dabei überschlagend, in die Zuschauer hinein. Ein junges Mädchen aus Stockheim wurde dabei so schwer verletzt, daß es noch am Abend im hiesigen Kreiskrankenhaus verstarb. Ein Junge, ebenfalls aus Stockheim, und der Chauffeur wurden leichter verletzt. Sie befinden sich auch im Kreiskrankenhaus …
… Wie wir hören, hat der Hessische Automobilklub … für die Mutter des bei dem Unfall tödlich verunglückten Mädchens 122 Milliarden freiwillig gestiftet.
Im November werden die ersten Rentenpfennige geprägt.
Im Dezember wird aus Berlin gemeldet, dass die Finanznot des Reiches so schwer geworden, daß es die in Aussicht genommenen Gehaltszahlungen an seine Beamten und Angestellten nicht leisten kann.
- der Verband Odenwälder Brauereien beabsichtigt eine Herabsetzung des Bierpreises vorzunehmen …
Dies alles ist nachzulesen im diesjährigen „Büchelsche“: „Vor hundert Jahren – aus dem Centralanzeiger 1923“. Es wird wieder vom Heimat- und Geschichtsverein Lützelbach herausgegeben hat 60 Seiten und kann über den örtlichen Buchhandel und über hgv@ourewald.de zum Preis von 6 Euro bestellt werden.