Eine weitere Anekdote aus dem Buch“ Dorfgeschichten aus den goldenen 50er Jahren“ von Walfried Arras, mit Genehmigung seiner Frau Helene Arras.
Der Gourmet
Onkel Philipp und Tante Anna feierten ihre silberne Hochzeit. Wie damals üblich, wurde das Wohnzimmer ausgeräumt, eine große Tafel gestellt und alle verfügbaren Stühle aus dem ganzen Haus herbeigeschafft, damit man die bucklige Verwandtschaft zum Festessen laden konnte, wofür zwei ausgewachsene Truthähne mit dem Leben büßten.
Nur Aufregung, Hetzerei und Arbeit habe sie an ihrem Ehrentag gehabt, damit andere bequem die Füße unter den Tisch stellen konnten, schimpfte Tante Anna hernach. Onkel Philipp suchte sie zu besänftigen und machte eine Ankündigung, die aufhorchen ließ: Am kommenden Sonntag werde er mit ihr allein in das nobelste Restaurant der ganzen Gegend fahren, wo sie sich- Geld spiele keine Rolle – ein erlesenes Gericht und den besten Wein einverleiben wollten.
Zu der Zeit war das in der Tat ein ungewöhnlicher Luxus. Tante Anna ließ sich schon freitags „de Kopp in die Reih mache“ und Onkel Philipp bestellte für Sonntag morgen den Barbier ein. Unter neidischen Blicken der ganzen Nachbarschaft stiegen sie gegen halb zwölf- festlich gewandet, versteht sich, er überdies noch mit wehendem Gamsbart am Hut- in den behäbigen grauen Mercedes.
In Lichtenberg, in dem feinen Hotel Schellhaas seien sie gewesen, erzählte Tante Anna am Montag und auch was sich ihr „Alter“ dort geleistet habe: Die umfangreiche Speisekarte habe er von vorne nach hinten und von hinten wieder nach vorne durchstudiert.
Mit etwas Ausgefallenem wollte er seine Frau überraschen und entdeckte unter Altbekanntem einen ganz neuen Namen! Er rief den Ober und tat ihmOrder: „Alse, Sie bringe uns heit emool däss neije Gerischd- Pommes Frittes!- wou se do uff de Kaarde häwwe!“- „ Sehr wohl, die Herrschaften!“ sagte der Ober. „Und was bitte dazu?“- No, woas schunn?“ fragte Onkel Philipp leicht entrüstet: Kardoffel nadierlisch!“