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Fränkisch-Crumbacher Nachrichten
Ausgabe 26/2023
Informationen für die Senioren
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Der Seniorenbeirat berichtet:

Spaziergang vom Rathaus über Pretlackstrasse und Allee zur Alten Synagoge

Die Sonne machte zum Glück eine kurze Pause beim jüngsten Spaziergang am 21.6.2023 und versteckte sich hinter Wolken, als der Vorsitzende des Seniorenbeirats Karl Scholl über 40 Teilnehmer am Rathaus begrüßen konnte, an dem historischen Gebäude, das 1858 von der Gemeinde gekauft wurde, über viele Generationen als Schule und Bürgermeisterei diente und jetzt nur noch als Rathaus genutzt wird. Errichtet wurde es als Schloß mit Parkanlage nach sechs Jahren Bauzeit im Jahre 1719 von Johann Rudolf Victor von Pretlack.

Das Gebiet zwischen Rodensteiner Straße und Allee war zu dieser Zeit ein See oder zumindest ein Sumpfgebiet, das hauptsächlich von dem Erlauer Bach gespeist wurde. Deshalb war der Zugang zur späteren Allee, wo ursprünglich nur ein Haus an der Ecke zur Pretlackstraße stand, das „Seeschneiderhaus“, nur über einen Steg, der etwa gegenüber der Klostergasse begann, und über eine kleine Brücke erreichbar. Von einem See wird nur berichtet, aber es gibt keinerlei Aufzeichnungen. Der Erlauer Bach ist zwar heute noch zu sehen, fließt aber in großen Teilen des Bereichs untererdig. Immer wieder führte er in den vergangenen Jahren bei Starkregen zu Hochwasser und vollgelaufenen Kellern, wie später die ehemaligen Anwohner Georg Kaciala und Peter Born bei der Vorstellung ihrer Elternhäuser berichteten.

In dem von Reinhilde Ban in den Nachkriegsjahren betriebenen Frisörgeschäft neben der Bürgermeisterei, so wurde bekannt, übte bereits 1923 der Frisörmeister Georg Schlegel seinen Beruf aus. 1931 verkaufte er das Haus und zog mit seinem Geschäft in die Klostergasse um. Durch die Familie Keil wurde in dem Gebäude danach u.a. eine Korbflechterei betrieben.

Bis in die 70er Jahre existierte auf dem heutigen Gelände der Fa. Lange das Zimmereigeschäft Wasenmüller. Das Sägegatter wurde damals durch Wasserkraft über den angestauten Erlauer Bach betrieben. Das Wohnhaus und ein Teil des Werksgebäudes sind heute noch zu sehen. Direkt an dieses Wohnhaus ist das bei den Altcrumbachern als „Kaufhaus Dickes“ bekannte Kaufhaus Dörr angebaut. Dort betrieb die Elisabeth Dritsch zwischen 1967 und 2004 ein Textilwarengeschäft.

1987 wurde das gegenüberliegende „Hexenhaus“ von Christa Dietz gekauft, ausgebaut und seither als weithin bekannte Kultgaststätte betrieben. Die Gaststätte selbst diente ursprünglich als „Gasestall“ und Heuboden und war Nebengebäude des Lebensmittelgeschäfts „Poschde Dortche“. Der Eingang zum Geschäft befand sich genau an der Ecke des Eckhauses zur Allee.

Eine der vielen Gaststätten, die ehemals Crumbach belebten, die Gaststätte „Zum Stern“ lag in der Allee, genau gegenüber der Einmündung der Pretlackstraße. Aus der Gaststätte wurde später das größte Baugeschäft in Fränkisch-Crumbach, der Baustoffhandel Born, bei den Crumbachern auch als „Malers“ bekannt.

Wie schon erwähnt, war das erste Haus in der „Allee“ das kleine Haus an der Ecke zur Pretlackstraße. Dort wohnte der als „Seeschneider“ bekannt gewordene Johann Jakob Zörgiebel, der 1941 im Alter von 102 Jahren verstarb.

Im Jahre 1808 wurde das Gebäude nebenan von der Familie Klinger, die aus Pfaffen-Beerfurth stammt und ihre Wurzeln im Tessin hat, erbaut. Industriell genutzt wurde dieses Anwesen über mehrere Generationen. 1929 gründete die Familie die erste Opelvertretung im Raum Starkenburg. Im Nebengebäude wurden später Holzrahmen mit Stahlfederung für Betten und Möbel hergestellt. Verwandt waren die Klingers mit dem Mühlenbauer gleichen Namens nebenan, der bis in die Nachkriegsjahre dort in einem Nebenbau seine Werkstatt betrieb und später von den Nachkommen Steiger im Sandweg weitergeführt wurde.

Weiter ging es zur ehemaligen „Cigarrenfabrik Oppenheimer“, an der Einmündung in die Erbacher Straße. Die Fabrik wurde 1870 von Isaak Oppenheimer gegründet. In den Hochzeiten wurden über 100 Frauen in der Fabrik und deren Zweigstelle in Beerfurth beschäftigt. In den 1920er Jahre wurde das Geschäft bedingt durch die Weltwirtschaftskrise vermietet. Die Familie blieb jedoch in Fränkisch-Crumbach ansässig. Die letzten Eigentümer der Cigarrenfabrik, Gustav und Ida Oppenheimer, wurden 1942 durch das Naziregime im Konzentrationslager ermordet, ihren Kindern gelang die Flucht ins sichere Ausland. Auf den jüngst verlegten Stolpersteinen vor dem Anwesen wird an die Opfer erinnert.

Nach knapp 2 Stunden endete unser Ausflug an der „Alten Synagoge“ oder dem „Alten Kino“. Die Synagoge wurde 1874 eingeweiht und als jüdisches Gotteshaus genutzt. 1938 kaufte sie Albrecht Ripper, erweiterte sie und machte daraus ein modernes Lichtspieltheater. Im Seitengebäude, das heute mit dem ehemaligen Kino verbunden ist und als Lagerraum diente, befand sich ursprünglich eine Kegelbahn. Teilnehmer des Ortsrundgangs konnten sich von dem Sohn des Gründers, Albrecht Ripper, durch die alten Räume des Gebäudes führen lassen. Bei vielen wurden dabei Erinnerungen an schöne Stunden bei unvergesslichen Filmen wach.

Nicht unerwähnt bleiben soll die in diesem Zusammenhang die von Horst Fornoff vorgebrachte Abhandlung von dem Leben der Juden in Fränkisch-Crumbach.

Nachbereitet wurde das Erlebte anschließend bei Kaffee und Kuchen im wunderschönen Cafe-Garten. Auch in diesem Bericht muss leider wegen der Vielzahl der Beiträge vieles unerwähnt bleiben, was den Teilnehmern aber doch in Erinnerung haften wird.

Der Seniorenbeirat bedankt sich nochmals bei allen, die ihren Beitrag für den informativen und geselligen Nachmittag geleistet haben.

Wolfgang Kasten