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Fränkisch-Crumbacher Nachrichten
Ausgabe 37/2023
Vereine und Verbände
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LandFrauen

Aktion „Kurzgeschichten“ von LandFrauen

Wie traurig ist es, wenn in heutiger Zeit viele Kinder im 4. Schuljahr, also 10-jährige, schlecht oder kaum lesen können; was entgeht ihnen Alles?

Bei den wenigsten wird sich das kaum nachholen lassen, was in diesen Jahren versäumt wurde. Es ist bedauerlich, dass man sich in vielen Familien nicht mehr Zeit und Muse nimmt, schon mit dem Kleinstkind zu sprechen, zu singen, ihm zu erzählen oder ihm vorzulesen. Egal wer das tut, die Eltern, Oma u. Opa oder ein größeres Geschwisterkind. Geborgen, im Arm des Vorlesers oder Erzählers, zumindest aber in körperlichem Kontakt, erfährt das Kind neue Dinge, kleine Abenteuer und Erlebnisse anderer oder auch Tieren, die im Köpfchen (Gehirn) verarbeitet werden müssen. Nachdenken und Nachfragen über das Gehörte, erweitert die Gehirnfunktion, erweitert somit den geistigen Horizont des Kindes. Macht es neugierig u. wissbegierig. Wie glücklich bin ich heute noch, dass ich in der Kinderzeit so viele Menschen hatte, die mir erzählten oder vorlasen. Besonders meine Großmutter nahm mich gerne mit, wenn sie Verwandtenbesuche machte. Es waren oft mehrere Kilometer, die auch durch dichten oder auch mal lichteren Wald führten. Schon als 4-Jährige nahm ich diesen Fußmarsch an Großmutters Hand gerne auf mich, weil sie so wunderbar erzählen konnte. Von Riesen und Zwergen, vom Zauberwald und Felsenhöhlen, wo das „kleine Volk“ wohnte, dem man abends immer ein wenig Essen vor die Tür stellte. Großmutter war auch ein wenig abergläubig. In etlichen Gegenden des Odenwaldes gibt es Felsformationen, die nennt man das Wildfrauenhaus oder das „Willeleithäisel“. Großmutter wusste so viele Sagen und Geschichten, wenn wir da in der Nähe vorbeikamen. Oft waren sie auch recht gruselig; ich fasste dann ihre Hand ganz fest und schmiegte mich an ihren weiten, langen Rock; doch wollte ich die Geschichten immer wieder hören. Wie sehr hat dies meine Fantasie angeregt und manchmal träumte ich auch davon. Meine Eltern hatten auf dem Hof viel Arbeit und zum Vorlesen blieb wenig Zeit, aber abends betete Mutter mit uns schöne Abendgebete und mit den „14 Englein“, die um mein Nachtlager wachten, fühlte ich mich sehr geborgen. Zum Glück, war ich den Reizüberflutungen der heutigen Zeit nicht ausgesetzt, es gab eben nur Radio. All die neuen Medien und Errungenschaften, die es heute gibt, mögen ihre Berechtigung haben, ersetzten aber niemals das menschliche Gegenüber, zum Anlehnen, Kuscheln, Geborgen sein. So viele Kinder, die mit der Reizüberflutung nicht zurechtkommen; dafür gibt es das Wort „Verhaltensauffälligkeit“. Leider gibt es gar nicht so viele Kinder Psychologen, die da helfen und eingreifen könnten. In der Kleinfamilie, wenn Papa und Mama arbeiten müssen, bleibt oft wenig Zeit, die besonderen Bedürfnisse der Kinder zu erfüllen und so tun dies moderne Medien, aber ohne „warme Geborgenheit“ zu spüren, mit Angst vor dem Fernseher. Als abschreckendes Beispiel kommt mir eine Begebenheit in den Sinn.

Wir sitzen auf der Terrasse eines Gasthauses, am Nebentisch Eltern mit 3 Kindern, das jüngste im Kinderstuhl, alle 5 beschäftigen sich mit Handy oder i Phone. Die Bedienung bringt das Essen, nur wiederwillig legen die älteren Kinder ihr „Spielzeug“ zu Seite, um aber immer wieder darauf zu blicken und ohne Dank an die Bedienung. Dem Jüngsten im Kinderstuhl nimmt die Mutter das Handy aus der Hand, wütendes Schreien und treten nach der Mutter und zunächst Verweigerung der Mahlzeit. Dieses Erlebnis hat mich mehr als nachdenklich gemacht. Warum können Eltern mit ihren Kindern nicht mehr erzählen u. reden? Erziehung ist Beispiel und Liebe, sagte Pestalozzi, ein außergewöhnlicher Pädagoge, dessen erzieherische Erfahrungen heut mehr denn je gelten.

Vielleicht ermuntert mein Beitrag den ein oder anderen, Lese Pate in einer Kinderbetreuung zu werden, zum Wohle der Kinder.

Inge Weidmann