Auf dem hiesigen Markte
Chamisso hat die Waschfrau gesungen, wir wollen heute ein Loblied auf eine Höckerin singen. Sie ist keine Griesheimerin, sondern aus dem Odenwald, aus Fränkisch-Crumbach, wie ja eine ganze Reihe aus der dortigen Gegend, aus Nieder –Kainsbach u. a. sind.
Also Frau Barbara Born, geborene Fornoff, feiert am 22. ds. Mts. ihren 80. Geburtstag und zugleich sind es 66 Jahre, seit sie. anfangs als Gehilfin ihrer Eltern, auf dem Darmstädter Markt als Höckerin mit Obst handelt. Sie ist eine echte Odenwälderin, in ihrem Handel eine ehrbare, strengrechtliche Frau. Die schon über ein Menschenalter die Darmstädter Hausfrauen mit Obst beliefert.
Die Familie Born, die in Crumbach früher nur „s Wurmsersch (weil ein Großvater im 18. Jahrhundert in der Wormser Stadtgarde gedient hatte) hieß, betreibt schon seit Urzeiten den Obsthandel. Erinnerungen an meine frühste Jugend – ich bin nämlich auch ein Fränkisch- Crumbacher – knüpfen sich an die alteingesessene Familie Born.
Es war im Herbst 1863, da suchte meine Mutter ein durchaus zuverlässiges Mädchen. Da meldete sich die „Wurmsersch Kathrine“, sie gefiel auch meiner Mutter sehr gut, nur riet ihr jedermann ab. Die bliebe nur im Dienst, bis die ersten Kirschen reif wären, dann setzte sie sich wieder auf den Markt. Meine Mutter, da sie keine andere Wahl hatte, versuchte es aber mit ihr. Sie lief nicht im Frühsommer weg, sondern blieb 3 Jahre, wir hatten nie ein besseres Mädchen. Meine schönsten Kindheitserinnerungen haften an der Kathrine. Wenn sie Sonntags nachmittags fertig war, nahm sie meinen kleinen Bruder auf den Arm und wir gingen dann zu ihren Eltern. Da war es für uns Kinder wie im Paradies. Wir durften auf einem Esel reiten und Kathrine erzählte uns, dass er dem Christkindchen an Weihnachten helfen müsse, beim Überbringen der Geschenke. So kam der Herbst 1866 heran, wir zogen nach Bessungen und Kathrine wollte heiraten.
Als meine Mutter ihr nun das Hochzeitsgeschenk, ein Kaffeegeschirr überreichte, fragte sie, nachdem sie ihr ein gutes Zeugnis ausgestellt: Jetzt Kathrine muss ich einmal dumm fragen, warum Du es so lang ausgehalten, obgleich jedermann behauptete, Du hieltest das ruhige Leben nicht aus“. Darauf erwiderte sie, ohne sich zu besinnen: „Des will ich ihnen sage, Frau Revierförstern, ich hab mal furchtbar geschennt un da haw ich de Maad uff drei Jahr verbotte kriegt. Jetzt is die Zeit um, jetzt setz ich mich widder druff.“ Sie hatte Anlass zum Schimpfen. Es gibt nämlich auch heutzutage noch Leute, die gehen von Stand zu Stand, versuchen das, mäkeln daran herum, kaufen aber nichts, und wenn sie die Reihen abgerast haben, sind sie satt durch das Versuchen. Einer solchen Dame sagte Kathrine ihre Meinung dick und dünn. Meine Mutter sagte noch zum Schluss: „Jetzt will ich Dir noch einen guten Rat geben, bezähme Dein Mundwerk, damit Du den Markt nicht wieder verboten kriegst.“ Darauf die Kathrine, „jetzt haw ich awer schenne gelernt, wo man mich net mehr am Ohr nemme kann.“ Die Kathrine war die Tante der Frau Born. K. Noack.
Aus dem Hessischen Landboten
Fränkisch- Crumbach, 21. Febr.1930
Am letzten Samstagmittag kam Frau Barbara Born, nachdem sie in Darmstadt aus allen Bevölkerungskreisen, der Herr Oberbürgermeister lies ihr sogar ein Glückwunschschreiben zugehen, gefeiert und beschenkt worden war, in ihrer Heimat mit ihren Enkelkindern an, die auch auf dem Markt mithelfen. Sie gehört zu den angesehensten Familien Alt-Crumbachs wie Bangerts, Döres, Eitels, Hotzes u.a. Die alle ließen es sich nicht nehmen, ihren Ehrentag gebührend zu feiern. Sie bekam sogar ein Ständchen gebracht. Auch den Sonntag über fehlte es nicht an Besuchenden. Der Glanzpunkt war aber ein Gedicht in heimischer Mundart verfasst von ihrem Enkel, Herrn Lehrer Bangert aus dem nahen Wersau. Wenn es auch kein vollendetes Werk ist. Erregte es doch in der Verwandtschaft großes Aufsehen.
Die Bawet uff em Maat.
In Dammstadt uff em Maat, do hott die old Bawet
Schun 66 Johr eifrig gebabbelt:
„Hier Madam, die scheene Aeppel, die scheene Birn
Unn hier sin Eier, ganz frisch vom Land.“
Vor Eifer kimmt die Bawet ganz aus Rand und Band.
Nehme Se noch ja die frische Bauerneier,
Sinn frisch gelegt, unn gar net deier.
Unn dann hier die Pflaume aach ganz siß,
Sinn besser als dort bei der Schlossers Lies,
Unn da noch e paar Quetsche mitgenumme,
Dass Se zu gurre Kuche kumme.
Unn so geht des hier de ganze Daag,
Unn johraus und ein hot die Bawet ihre Blaag.
Sell`will se verkaafe, will ewe sou,
Unn bleibt ihr manch Kunne noch brav unn trei.
Unn jetz `is`se schun 81 Johr uff de Welt,
hot immer gesorgt vor Brot und Geld.
Unn is noch gesund for ihr viele Jahr,
Unn biet`noch immer ihre frische Waar?
Mer Winsche aus tiefstem Herze,
Dass ihr ausbleibe große Schmerze,
Unn hoch leb „Dammstadt unn sei`Maat
Des is de`Bawet ihr ganzer Staat.“
Wer der Redakteur Karl Noak war und mehr, erfahren Sie nächste Woche.