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Reichelsheim aktuell - Amtsblatt der Gemeinde Reichelsheim(Odenwald)
Ausgabe 16/2025
Der Bürgermeister informiert
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Der Bürgermeister informiert

Grundsteuererhöhung? Warum?

Liebe Reichelsheimerinnen und Reichelsheimer,

aktuell erreichen mich viele Rückfragen: Warum müssen die Grundsteuern erhöht werden? Warum beschäftigt sich die Gemeinde gerade jetzt mit dem Kauf von Immobilien? Wie kommt eigentlich der aktuelle Personalschlüssel zustande? Und was kommt noch auf uns zu?

Diese Fragen sind absolut berechtigt – und ich möchte sie Ihnen gerne der Reihe nach offen und nachvollziehbar beantworten.

Warum müssen die Grundsteuern erhöht werden?

Die Grundsteuern sind – neben der Gewerbesteuer – eine der wichtigsten Einnahmequellen unserer Gemeinde. In diesem Jahr sind die Gewerbesteuereinnahmen leider um rund 1,4 Millionen Euro eingebrochen. Viele Betriebe stehen unter Druck: Hohe Energie- und Materialkosten, steigende Zinsen, Fachkräftemangel und eine schwache Kauflaune machen es besonders kleinen und mittleren Unternehmen schwer. Manche schreiben nur noch wenig Gewinn – andere müssen ganz schließen.

Das hat direkte Auswirkungen auf unsere Finanzen. Um diesen Ausfall teilweise aufzufangen und unsere Aufgaben für Sie weiterhin erfüllen zu können, müssen die Grundsteuern stärker mithelfen.

Warum beschäftigt sich die Gemeinde gerade jetzt mit dem Kauf von Immobilien?

Als Bürgermeister sehe ich es als unsere Pflicht, auch in finanziell schwierigen Zeiten verantwortungsvoll in die Zukunft unserer Kommune zu investieren. Der Erwerb einer Immobilie kann eine einmalige Chance darstellen, den Ortskern nachhaltig zu stärken und für kommende Generationen lebendig zu gestalten.

Die aktuell diskutierte Immobilie liegt in direkter Nachbarschaft zum Rathaus und eröffnet uns wichtige Zukunftschancen. Zum einen könnten wir damit unsere Gemeindeverwaltung erweitern – denn aktuell fehlt es bereits an Arbeitsplätzen, zum Beispiel für unsere Auszubildenden. Zum anderen bietet das großzügige Grundstück die Möglichkeit, den Parkplatz hinter dem Rathaus zu vergrößern. Das würde den Parkdruck im Ortskern spürbar entlasten und eventuell sogar eine Anbindung an die Konrad-Adenauer-Allee ermöglichen.

Was die Kosten betrifft, kann ich Ihnen eine gute Nachricht mitgeben: Die Gemeinde muss nur ein Drittel des Kaufpreises selbst tragen. Zwei Drittel werden über das Förderprogramm Lebendige Zentren finanziert. Das ist eine seltene Chance, mit vergleichsweise geringem Eigenanteil wichtige Weichen für unsere Ortsentwicklung zu stellen.

Lebt die Gemeinde Reichelsheim im personellen Luxus?

Nein. Ich erinnere mich noch gut an die Haushaltsberatungen im Jahr 2023. Damals wurde mir vorgeworfen, unsere bisherige Sparpolitik gehe zulasten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Über solche Aussagen kann man politisch diskutieren – doch es gibt auch klare Fakten:

Die Vielzahl an Aufgaben, die uns als Gemeinde von Land und Bund übertragen werden, zwang uns dazu, organisatorisch und personell nachzusteuern. Unser Ziel ist es, eine leistungsfähige und zukunftsfeste Verwaltung aufzustellen – im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger.

Im Vergleich zu anderen Kommunen mit ähnlicher Größe, Fläche und Anzahl an Ortsteilen liegt unsere Verwaltung personell unter dem Durchschnitt. Das zeigt: Wir arbeiten effizient, aber es braucht an einigen Stellen einfach mehr Unterstützung, um die stetig wachsenden Aufgaben bewältigen zu können.

Der Blick auf die Stellenpläne 2024 und 2025 zeigt aber, dass der Personalbedarf sich stabilisiert hat und wir für die Zukunft gut aufgestellt sind.

Und natürlich kamen auch neue Erzieherinnen zu uns – für die neue Kita Auenland – weil es gesetzlich vorgeschriebene Betreuungsschlüssel gibt, an die wir uns halten müssen. In unsere Kinder und ihre Betreuung zu investieren, ist für mich als Bürgermeister nicht nur eine Pflichtaufgabe, sondern eine echte Herzensangelegenheit.

Die Gemeinde tut hier wirklich einiges:

Für ein Kind unter drei Jahren, das wöchentlich 42,5 Stunden betreut wird, übernimmt die Gemeinde monatlich 1.300 Euro der Kosten. Auch bei Kindern über drei Jahren unterstützt die Gemeinde kräftig: Bei derselben Betreuungszeit werden 580 Euro pro Monat aus Gemeindemitteln finanziert.

Was kommt noch auf uns zu?

Auch dem Odenwaldkreis geht es finanziell derzeit nicht gut – es fehlt ein Betrag von rund 19 Millionen Euro. Diese Situation wirkt sich direkt auf die Odenwälder Kommunen aus. Für Reichelsheim bedeutet das konkret: Wir müssen 590.000 Euro mehr an Kreis- und Schulumlage leisten.

Hinzu kommen weitere finanzielle Belastungen, etwa durch den Breitbandausbau. Da in unseren Ortsteilen kein Eigenausbau durch Telekommunikationsunternehmen erfolgt, investieren wir hier jährlich rund 250.000 Euro – eine große Summe, aber gleichzeitig auch eine Investition in die Zukunft und in die Attraktivität unserer Gemeinde.

Ein weiteres großes Projekt ist die Ortsdurchfahrt in Unter-Ostern. Für die Erneuerung von Kanal, Abwasserleitungen und Gehwegen setzen wir rund 2,4 Millionen Euro ein. Hätten wir uns nicht an dieser Maßnahme beteiligt, stünde uns in wenigen Jahren wahrscheinlich die nächste Baustelle ins Haus – nämlich dann, wenn wir die frisch sanierte Straße wieder hätten aufreißen müssen, um veraltete Leitungen zu sanieren. Das wollten wir vermeiden.

Auch die nächste größere Maßnahme ist bereits absehbar: Hessen Mobil hat angekündigt, in Klein-Gumpen tätig zu werden. Dafür haben wir im Haushalt bereits entsprechende Rücklagen gebildet.

Ein weiteres Thema, das uns beschäftigt, ist die Schilfbeet-Kläranlage am Weiler Hutzwiese. Diese Anlage ist leider störanfällig und verursacht jedes Quartal Kosten von rund 20.000 Euro für die Leerung. Deshalb prüfen wir aktuell eine Anbindung an die Kanalisation in Gersprenz oder Beerfurth – auf lange Sicht wäre das nicht nur zuverlässiger, sondern auch wirtschaftlicher.

All diese Beispiele zeigen: Kommunen wie unsere stehen heute vor vielfältigen Aufgaben – und leider ist der Gestaltungsspielraum oft begrenzt. Die kommunale Selbstverwaltung, die einmal das Herzstück unserer Demokratie war, wird zunehmend durch äußere Vorgaben eingeschränkt.

Trotzdem bin ich optimistisch. In meiner langen Amtszeit gab es immer wieder herausfordernde Phasen – und wir haben sie gemeinsam bewältigt. Mit Zusammenhalt, Weitblick und Engagement werden wir auch die aktuellen Herausforderungen meistern.

Ihr Bürgermeister

Stefan Lopinsky