„Die Mörder kamen aus der Mitte der Gesellschaft.“
So titelt eines Pressemitteilung des Dominikus-Ringeisenwerkes Ursberg von Januar diesen Jahres.
Jedes Jahr am 27. Januar begehen wir den Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus. Schülerinnen und Schüler der Ursberger Dominikus- und Katharinen-Schule sowie des Ringeisen-Gymnasiums haben gemeinsam diesen Gedenktag Anfang des Jahres organisiert. Dabei wurde klar, dass der hunderttausendfache Mord an Menschen mit Behinderung nicht nur das Werk von Nationalsozialisten war, sondern auch das Werk von „ganz normalen“ Bürgern.
379 Menschen wurden zwischen 1933 und 1945 aus dem Dominikus-Ringeisen-Werk Ursberg und aus weiteren DRW-Einrichtungen abgeholt und in verschieden Tötungsanstalten verlegt, wo sie entweder sofort vergast oder über einen längeren Zeitraum durch Medikamente langsam vergiftet und systematisch zu Tode gehungert wurden.
Im Rahmen einer Ausstellung im Kreuzgang des Klosters St. Josef wurden die Biographien von Tätern ausgestellt. Hier waren Lagerkommandanten, aber auch Ärzte aus den Krankenstationen der Konzentrationslager zu sehen. In besonderer Weise war erschütternd, dass sogar eine Kinderbuchautorin unter den Tätern war.
Der Mord an Menschen mit Behinderung konnte nicht nur deshalb umgesetzt werden weil Hitler solche Leben nicht billigte, sondern weil die Nazis in der ganz normalen Bevölkerung unzählige Helfer fanden, darunter auch Akademiker und andere anerkannte Berufsgruppen.
In diese Zeit, in die Zeit des grausamen und sinnlosen Mordens fielen auch die beiden Weltkriege von 1914 bis 1918 und von 1939 bis 1945.
Im ersten Weltkrieg wurden etwa 17 Millionen Menschen und im zweiten Weltkrieg rund 60 Millionen Menschen getötet. Der Volkstrauertag ermahnt uns jedes Jahr aufs Neue nicht nur an diese erschreckenden Zahlen zu denken, sondern vor allem auch an die Menschen, die dahinterstehen – also an jedes einzelne Schicksal.
Es waren Menschen aus unserem unmittelbaren Umfeld, ja aus unseren Familien, die zum Kanonenfutter der Machthaber wurden.
Das Ende des zweiten Weltkrieges liegt gerade einmal 79 Jahre zurück und die Frage ob wir nach dieser Zeit den Volkstrauertag noch brauchen, beantwortet sich in dieser unserer unruhigen Zeit beinahe von selbst.
Wir leben in Zeiten von multiplen Krisen und einem Krieg in Europa, nicht weit weg von uns. Russland hat die Ukraine angegriffen und bombardiert seit dem Beginn zivile Ziele. Die westukrainische Stadt Lemberg ist gerade einmal 900 Kilometer von Berlin entfernt – das ist so weit wie von unserer Marktgemeinde nach Flensburg. Gedenken und Erinnerung brauchen feste Rituale. Der Volkstrauertag ist ein wichtiger Bestandteil unserer deutschen Erinnerungskultur. An diesem Tag halten wir inne und gedenken der Opfer aller Kriege, aller Gewalt, insbesondere der beiden Weltkriege. Wir gedenken der Soldaten, Zivilisten, Frauen, Kinder, Euthanasieopfer, Widerstandskämpfer und wir gedenken der Opfer von Rassismus, Bürgerkriegen und Terrorismus, Antisemitismus und Extremismus und der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die in ihrem Einsatz ums Leben kamen.
Kriege und Gewalt sind nicht weit weg. Neben dem Krieg in der Ukraine hält uns auch der Krieg in Israel in Atem. Israels Armee hat vor einigen Tagen nach eigener Aussage mehr als 120 Ziele der Hisbollah im Libanon angegriffen bei denen es erneut mehrere Tote und Schwerstverletzte gab.
Wie nach diesen Angriffen sind bei allen Kriegen katastrophale humanitäre Bedingungen die Folge. Und es geht mir durch Mark und Bein wenn ich im Fernsehen und in den Medien Bilder von zerbombten Hochhäusern, Wohnsiedlungen oder z. B. von Schutzeinrichtungen sehe in denen sich Menschen aufgehalten haben.
Das Ergebnis von Krieg ist auf der ganzen Welt immer wieder dasselbe. Grausamste Verletzungen, unzählige Tote, Familien die auseinandergerissen werden und endlos viel Leid und Zerstörung.
Die Ereignisse der letzten Jahre, wie die Corona-Pandemie und die Rückkehr von Krieg nach Europa, zeigen, dass Frieden, Sicherheit, gemeinsame Werte und das Zusammenleben in kultureller Vielfalt und in Wohlstand keine Selbstverständlichkeit sind. Und gerade deshalb, meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger, ist es wichtig für diese gemeinsamen Werte, für ein friedliches Zusammenleben und für den Frieden in der Welt und in unserer Heimat zu kämpfen. Der Zusammenhalt im Kleinen, in unseren Dörfern, sprich auch in unserer Marktgemeinde leistet dazu einen unschätzbaren Beitrag. Unruhestifter und Menschen, welche Gewalt legitimieren sowie Gruppierungen, die unsere Demokratie gefährden und damit unsere friedliche Gesellschaft, haben in unserer Marktgemeinde, haben in Bayern, in Deutschland und in Europa nichts verloren. Mit unseren Entscheidungen für oder gegen eine politische Richtung stellen wir auch die Weichen für Krieg oder Frieden – und zwar Sie, ich, ja jeder einzelne von uns.
Sie konnten aus einem der letzten Amtsblätter entnehmen, dass unser geschätzter Freund aus Vigneulles, Rémi Herment im August verstorben ist. Voller Hochachtung und allergrößtem Respekt erinnere ich mich an seine Worte bei unserem Treffen im vergangenen Jahr, bei dem er es uns beinahe als Aufgabe und als Vermächtnis mitgegeben hat, den Frieden im Kleinen zu leben, damit der Frieden in der Welt wieder eine Chance hat.
Hören wir nicht auf, für eine friedliche und sichere Zukunft in unserer Heimat zu beten und mit unseren Entscheidungen und mit unserem Handeln unseren ganz persönlichen Beitrag zum Frieden in unserem Land, in Europa und in der Welt zu leisten.