Ralf Hermann Melber beim Verlesen einer Gedichtkostprobe von Sybilla Schuster
Karl Hochradel während seiner Ausführungen in der Kirche
Zwei ganz besondere Geschenke bekam die Heroldinger Martinskirche anlässlich ihres 175. Geburtstages. Neben dem sonntäglichen Gottesdienst und der dreitägigen Kirchweih im Schützenheim gab es zwei außergewöhnliche Führungen. Zum einen standen kirchenhistorische Personen im Mittelpunkt, zum anderen die über tausend Jahre alte Geschichte der Heroldinger Gotteshäuser.
Den Reigen eröffnete der Heroldinger Lokalhistoriker Ralf Melber an den Informations-tafeln in der Dorfmitte. Er hatte nicht nur über die Vita des bedeutenden und in Heroldingen geborenen Reformators Georg Karg geforscht und publiziert, sondern auch das Leben einiger anderer in Heroldingen Wirkenden oder aus Heroldingen Stammenden aus den Archiven geholt und verständlich aufbereitet. Vor einer interessierten Zuhörerschar informierte er sachkundig und kompakt beispielsweise über den Harburger Kanzler Christoph Gugel, den Kammerdiener Nikolaus Beck, das Dichterpaar Michael und Sybilla Schuster sowie über den Schriftsteller und Geistlichen Otto Friedrich Hörner.
Die zweite Führung, nun aber in der gut gefüllten Kirche, gestaltete dann der Heimatkundler und frühere Lehrer Karl Hochradel vielfältig und mit merklichem Herzblut. Er hatte seine Ausführungen in mehrere Info-Blöcke aufgeteilt, die jeweils in den Wechselphasen mit schönen Lob- und Segensliedern des Kirchenchores unter der Leitung von Ortspfarrer Reinhard Caesperlein sowie der Organistin Irmgard Sing stimmig aufgewertet wurden.
Im ersten Teil seiner kirchenhistorischen Betrachtungen gab Hochradel einen Überblick über das Entstehen der Gotteshäuser im Allgemeinen, über die Bedeutung und die Funktion des Kirchenpatronats und über das Leben des Heiligen Martins. Dabei berichtete er auch, dass die Heroldinger Kirche erstmals am 1. Mai 1300 urkundlich erwähnt wurde, aber angenommen werden darf, dass es wohl schon um 900 ein kleines Kirchlein aus Holz mit einem Steinsockel gegeben haben könnte, denn Martinskirchen gehören ja zu den ältesten Gotteshäusern. Über die weiteren Heroldinger Kirchen ist in den Annalen, so der Referent, fast immer nur im Zusammenhang mit Zerstörungen in Kriegen und Witterungseinflüssen wie großen Hochwassern zu lesen. Konkret konnte Hochradel dann aber wieder über den Zustand der Kirche Mitte des 19. Jahrhunderts Auskunft geben. Da nämlich war das damalige Kirchengebäude schwer Einsturz gefährdet, die Kirchenbänke standen wiederholt unter Hochwasser und die Gottesdienste mussten im neu gebauten Schulhaus abgehalten werden. Obwohl sich das Fürstliche Haus, dass damals die Baupflicht hatte, sich vor einem Neubau sträubte, begann man auf Anordnung der Regierung von Schwaben schon im August 1849 mit dem Abriss der alten und dem Neubau der jetzigen Kirche. Mit Bauschutt und angefahrenem Kies wurde der Fußboden der nun zu bauenden Kirche über 2 Meter angehoben und auch die Stützmauer zur Wörnitz hin wurde erhöht. Der Turm aus dem 16. Jahrhundert aber blieb in seiner tieferen Position, so dass noch heute Kirche und Turm in keinem harmonischen Höhenverhältnis stehen. Nach etwas mehr als einjähriger Bauzeit konnte bereits am 27. Oktober 1850 das Fest der Kirchenweihe feierlich und dankbar begangen werden. Von außen präsentiert sich das Gotteshaus als ein Saalbau mit Chorturm. Es ist ein einfacher Kirchenraumtyp im Stile des Historismus mit neuromanischen Elementen. So nach und nach konnte man durch Spenden die Kirche auch im Inneren vor allem mit Bildern verschönern. In den 1970er Jahren erfolgte eine kunsthandwerkliche Neugestaltung des Kircheninneren, Altar, Kanzel und Taufstein wurden aus hellem Kalkstein gefertigt, das Pfarrhaus abgerissen und an der Stelle ein Leichenhaus gebaut.
Wohltuend war im Folgenden noch, dass Karl Hochradel bei den großen Nazarener-Glaubensbildern über Geburt, Tod und Auferstehung von Jesus Christus mit theologischen Bildbetrachtungen aufwartete und so die Kirche nicht nur als Bauwerk, sondern als eine Stätte, wo Gottes Ehre wohnt, wertschätzte.
Da die beiden Veranstaltungen auch in das Programm des Harburger Bildungswerkes aufgenommen worden waren, bedankte sich abschließend die Leiterin Doris Thürheimer bei den Referenten jeweils mit einem kleinen Präsent.