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Wallenfelser Wilde Rodach Bote
Ausgabe 25/2023
Sonstiges
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Ein letzter Schluck aus dem Blechla

Mit etwas Wehmut steht Ilse Stumpf an ihrem Tresen und befüllt eines der letzten Blechla in der Geschichte des Traditionslokals "Stoffel".

Das Gasthaus Stoffel war in den letzten Jahrzehnten die einzige Wallenfels Gastwirtschaft, in der die alte Tradition, das Bier im "Blechla" auszuschenken, noch aufrecht erhalten wurde. Nun geht diese Tradition zu Ende: der "Stoffel" schließt am Monatsende für immer. Wirtin Ilse Stumpf fiel dieser Schritt schwer, hatte sie doch den Großteil ihres Lebens hinter dem Tresen des Lokals verbracht. Damit geht auch ein Stück Heimatgeschichte des Frankenwaldes zu Ende. In den Tageszeitungen wurde bereits darüber berichtet.

Mit dem "Stoffel" verliert Wallenfels eine Bierwirtschaft althergebrachter Art. Die 83-jährige Wirtin Ilse Stumpf musste zuletzt bereits gesundheitsbedingt kürzer treten. Im Gespräch erklärte sie die Gründe für ihre Entscheidung. "Es geht einfach nicht mehr. Gerne hätte ich die Wirtschaft noch etwas weiter betrieben, aber die Beine machen nicht mehr mit." Man merkt ihr an, wie sehr ihr der Entschluss nahe geht. Die Kinder sind allesamt berufstätig und verständlicherweise wollte keiner aus der Familie in die Fußstapfen der Oma treten. Es lohne sich fast nicht mehr, eine Wirtschaft zu betreiben. Zudem haben sich die Lebensgewohnheiten der Gäste geändert, erzählt die Wirtin. So waren werktags früher bereits um neun Uhr die ersten Handwerker zum Frühstück im ofenbeheizten Gastraum. Sie brachten ihre Brotzeit aus den nahegelegenen Metzgereien mit ins Lokal. Danach kamen die Frühschoppler und nachmittags saßen dann die Stammgäste im Lokal, die auf ein Feierabendbier einkehrten. Manche blieben auch schon mal bis Mitternacht am Wirtshaustisch sitzen. Die "Stempler", wie die Arbeitslosen früher genannt wurden, kamen tagtäglich in den "Stoffel", dessen Gastraum vom Zigarrenrauch geschwängert war und Schnupftabaksdosen herumgereicht wurden. Zu denen gesellten sich die Flößer, wenn sie nicht gerade auf Floßreise waren. Hier wurden dann die wichtigsten Neuigkeiten aus dem Ort ausgetauscht. Es gab immer was zum Erzählen und oft hörte man zu Hause die Frage, was es denn Neues gegeben habe. Ihre besondere Rolle als Wirtin war Ilse Stumpf stets bewusst. So mancher Gast schüttete ihr im Vertrauen sein Herz aus, sie war aber oft auch hilfreicher Ratgeber für Dinge des Lebens. Die mühsame Pflege der Blechla, die stets nur mit Bier gefüllt werden durften, lag ihr am Herzen. Mit Zinnkraut rieb sie die aufwändig aus Weißblech gefertigten Trinkgefäße aus. Manche der genutzten Blechla, aufgereiht an einem Holzbrett an der Wand hinter dem Tresen, sind tatsächlich schon ein halbes Jahrhundert alt. Zusammen mit ihrer Schwiegermutter Babette kümmerte sich Ilse um das Wohl der Gäste. Das Bier wurde von der Oma in einem Topf auf dem Ofen gewärmt. Seit 1988 und dem frühen Tod ihres Mannes Hans, ist Ilse Stumpf die alleinige Betreiberin. Da man eine reine Bierwirtschaft war, gab es lediglich ein Gericht zu essen: einen herzhaften "Backstaakeijs" mit Zwiebeln in Essig und Öl eingelegt.

Mehrere Stammtische hatten im "Stoffel" ihre Heimat, ebenso die Marinesoldaten, die sich traditionell nach Fronleichnamsprozession und Flurumgang stärkten. Lustige Kappenabende, spannende Kartrunden und fröhliche Geburtstagsfeiern gehörten im "Stoffel" genau so dazu wie mancher Leichenschmaus. "Es ist schade, dass du schließt", hörte die Wirtin in den letzten Tagen und Wochen immer wieder. Nun hat sie aber mehr Zeit für sich und ihre große Familie. Die Kinder, Enkelkinder und mittlerweile Urenkel freuen sich auf ihre Oma Ilse.