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Waldthurner Markt- und Dorferneuerungsblatt
Ausgabe 9/2024
Was rührt sich in unserer Marktgemeinde
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Was rührt sich in unserer Marktgemeinde

„Sanfte Macht“

Vortrag „Sanfte Macht - wie mit Soft-Power-Techniken unsere Gedanken sowie unser Verhalten gesteuert werden“

mit Dr. phil. Jonas Tögel am 1. August 2024 im Pfarrheim - Lobkowitz-Schloss Waldthurn

Von Dr. Gustav Moissl

Die Veranstaltung fand im Großen Saal des renovierten Lobkowitz-Schlosses auf Einladung von Dr. Gustav und Lydia Moissl statt. Der Saal war mit gut 120 Personen buchstäblich bis auf den letzten Platz besetzt.

Dr. Moissl hieß Dr. phil. Jonas Tögel und Publikum herzlich willkommen und begrüßte besonders alle drei Bürgermeister der Marktgemeinde Waldthurn sowie verschiedene Markträte. Zu diesem Vortrag kam es durch die Idee der Einladenden, Persönlichkeiten live zu erleben die man sonst nur auf der Mattscheibe sieht, mit Ihnen sprechen und diskutieren zu können sowie überhaupt Themen Raum zu geben, die in den öffentlich-rechtlichen Medien bzw. der Presse zu kurz kommen, und damit einen Gegenpol zur Über-Digitalisierung anzubieten.

Dr. phil. Jonas Tögel ist Amerika- und Propaganda-Forscher, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Psychologie Regensburg, erfolgreicher Buchautor und begehrter Redner.

Sein Vortrag gliederte sich in 1. Was ist Sanfte Macht (Soft-Power), 2. Was ist Propaganda, 3. Die Bedeutung von Soft-Power heute nimmt zu, 4. Was ist kognitive Kriegsführung, 5. Die vier Facetten der kognitiven Kriegsführung, 6. Was ist Nudging (Anstoß geben), 7. Die kognitive Kriegsführung und Nudging neutralisieren.

Die Psyche gleicht einem Eisberg, dessen überwiegender Anteil sich nicht an der Oberfläche befindet, sondern in der Tiefe des Meeres verborgen ist, und dadurch von Manipulation und Propaganda in Besitz genommen werden kann, ohne dass dies dem Menschen bewusst wird.

Bereits Marc Aurel (Anmerkung der Redaktion: römischer Kaiser und Philosoph 121 - 180 n.Chr.) hat gesagt: „Denke daran, dass das, was Dich wie an unsichtbaren Fäden hin und her zieht, in deinem Inneren verborgen ist.“ Propaganda, Manipulation, Soft-Power sind unsichtbar, aber sie finden schon statt, durchdringen unser Leben und haben die Aufgabe, Ereignisse zu formen, um die Öffentlichkeit zu beeinflussen.

Von Anfang an waren Demokratie und Propaganda Gegensätze. Einer der Gründerväter der Propaganda ist Edward Bernays (1891 - 1995), Neffe des berühmten Psychoanalytikers Sigmund Freud. Er hat konstatiert: „Moderne Propaganda ist das stetige konsequente Bemühen, Ereignisse zu formen und zu schaffen mit dem Zweck, die Haltung der Öffentlichkeit zu einem Unternehmen, einer Idee oder einer Gruppe zu beeinflussen.“ Und: „Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben, doch das ist nicht überraschend, dieser Zustand ist nur eine logische Folge der Struktur unserer Demokratie.“ Die Offenheit dieser Aussage ist erstaunlich. Bernays verstand es auch, den negativ behafteten Ausdruck „Propaganda“ durch die neutrale Bezeichnung „Public Relations“ (übersetzt: öffentliche Beziehungen, Öffentlichkeitsarbeit) zu ersetzen.

Walter Lippmann (1889 - 1974 ) sagte aus: „Nachrichten und Wahrheit sind nicht das Gleiche und müssen klar voneinander unterschieden werden“ und „Die Presse ... ist um vieles labiler, als die Demokratie-Theorie es bis jetzt zugegeben hat“.

Als eines der Beispiele für politische Manipulation nannte der Referent US-Präsident Woodrow Wilson, der während seiner ersten Amtszeit 1913 - 1917 strikt gegen eine Beteiligung am 1. Weltkrieg war (und deswegen die Wiederwahl gewann), um dann im April 1917 unmittelbar nach Beginn der zweiten Amtsperiode den Kriegseintritt zu verkünden. Berichte über Gräueltaten und Bilder der Deutschen als Monster steuerten dabei die öffentliche Wahrnehmung.

Im Alltag werden alle möglichen Verfahren für Werbung und Propaganda angewandt. Am Beispiel eines einzigen online-Einkaufs wies der Referent nach: Inszenierung von Ereignissen, soziale

ewährtheit (Bewertungen), Knappheit, Rabatt-Aktionen. Besonders für die Autowerbung dienen Produkt-Erotik, Status-Symbol und Ausdruck der Persönlichkeit, für Kriegsberichte Gräuelpropaganda. Darüber hinaus gibt es Sludge, Framing, Tiefen-Indoktrination, Pre-Bunking, Angst-Erzeugung. Der Referent brachte eine Fülle von Bildern und Zitaten für die einzelnen Punkte.

Zur Erläuterung bot er immer wieder an, mit der Brille Details und Hintergründe zu suchen und zu finden.

Mit Erstaunen musste man vernehmen, dass neben den bekannten fünf Kriegsschauplätzen der NATO zu Lande, zu See, in der Luft, im Internet und im Weltall ein sechster anvisiert wird, das ist die menschliche Sphäre, welche wie ein Computer „gehackt“ werden soll. Das ist die kognitive Kriegsführung, die fortschrittlichste Form der Manipulation, seit 2020 offen im Programm der NATO aufgeführt. Der Einsatz von Nanorobotern im menschlichen Organismus, einschließlich dem Gehirn mit Steuerung über eine Cloud, wird hoffentlich nicht zum Tragen kommen. Das Publikum war erleichtert als der Referent abschließend Hinweise zur Neutralisation manipulativer Techniken erläuterte. Am Anfang steht, diese Methoden und ihre Werkzeuge überhaupt zu kennen. Gegebenenfalls muss man sich der Brille zum Detail bedienen und sich von Angst, Einheitsmeinung und Kreuzpropaganda wie Hass und Mitleid nicht beeindrucken lassen, die „Fäden zerschneiden, an denen wir hängen“.

Wir verbringen unser Leben auf zwei Bühnen. Auf der Vorderbühne spielen wir die Rolle des Alltags, die uns zugewiesen wurde, und zum Beispiel durch soziale Medien zunehmend geprägt wird. Auf der Hinterbühne, können wir wir selbst sein, können alle Masken fallen lassen, finden Zeit mit lieben Menschen zu verbringen und den inneren Frieden einkehren zu lassen. Um das zu erreichen, müssen wir uns an den in die Tiefe ragenden größeren Teil des Eisbergs und an die vom Bewusstsein verborgene Psyche erinnern. Hier befinden sich unsere Bedürfnisse, hier müssen wir erkennen, was uns Kraft gibt, was wir gerne tun, was uns antreibt. Kleine Schritte sind angebracht wie Gartenarbeit, Sport, Lesen eines Buches, Unterhaltung mit Freunden.

Für die Stichworte Erstarken und Resilienz dient der Baum als Beispiel. Er wächst zum Licht, zum Positiven. Seinen Wurzeln sind in der Erde fest verhaftet. Starker Wind bewegt die Äste, diese schwingen in ihre Ausgangsposition zurück. Auf den Menschen übertragen heißt es, wir haben Veränderungen zu akzeptieren und müssen lernen zur Ruhestellung zurückzukehren. Was tut uns gut, wie stärken wir uns, Bewegung, gute Nahrung, guter Schlaf, positive soziale Kontakte, bewusst das tun, was man gerne macht.

Den Weg aus der Propaganda schafft man nicht alleine, am besten geht man gemeinsam, es reichen zwei oder drei Personen, die es dann mit Hunderten aufnehmen können.

Der Vortrag endete mit einem Appell an den Frieden, die kognitive Kriegsführung ist mit Handreichen, mit Vertrauen und mit Konfliktlösung ohne Emotionen zu neutralisieren. Die Begegnung mit anderen sollte sich in Würde und Respekt vollziehen, auf Augenhöhe geschehen, Sachargumente ausgetauscht werden ohne gegenseitige Manipulation.

Ein warmer, herzlicher und anhaltender Applaus des Publikums, lobende Worte unseres Bürgermeisters Josef Beimler, mit denen er auch erwähnte, dass bei ARD und ZDF in der ersten Reihe zu sitzen nicht ausreiche, sowie Dank des Organisators an Kirche und Kommune sowie den Referenten und die Helfer beendeten die sehr gelungene Veranstaltung.