Dieses Mal möchten wir über die Narkose-Leitlinien informieren und in diesem Zusammenhang auch nochmals die neue Gebührenordnung aufgreifen. Die Leitlinie für die Narkose bei Hund und Katze gibt es seit dem Jahr 2016 und sollte möglichst weitgehend von jeder Tierarztpraxis, welche Narkosen durchführen, eingehalten werden. In unserer Praxis ist diese gang und gebe, da wir nicht nur gesunde, sondern auch vorerkrankte und alte Tiere in Narkose legen. Da die Erhöhung der Gebührenordnung einen Großteil der Leistungen betrifft, welche mit der Narkose und der zugehörigen Überwachung zu tun haben, möchten wir dieses Thema hier nicht außer Acht lassen, da dies unweigerlich für alle Tierbesitzer ein schwieriger Konflikt sein wird – entweder für das Tier oder den Geldbeutel.
Vor der GOT-Anpassung wurden größtenteils Pakete als Leistung geschnürt, da nicht jeder Posten einzeln aufgeführt werden musste. Meist wurden dann z.B. erbrachte Leistungen, wie die Narkoseüberwachung durch einen tiermedizinischen Fachangestellten oder das Narkoseprotokoll stillschweigend durchgeführt, ohne diese als einzelne Leistung (bzw. nur mit einem geringen Bruchteil) in den Gesamtbetrag einzurechnen.
Hier war es für Tierhalter weder schlecht noch gut – Leistungen wurden erbracht, nicht abgerechnet und haben somit den Geldbeutel geschont. Jedoch konnte auch durch die Rechnung kein Rückschluss gezogen werden, was für das Tier in der Narkose eigentlich alles getan wurde. Dies hat sich drastisch durch die GOT-Anpassung geändert – wir als Tierarztpraxis müssen nun jede Leistung einzeln auf der Rechnung deklarieren und abrechnen, dazu sind wir nun gesetzlich verpflichtet. Weiterhin wurden GOT-Posten hinzugefügt, welche zwar in der Vergangenheit durch uns geleistet wurden, die es so als abrechenbare Leistung aber gar nicht gab. Auch dies hat für den Tierbesitzer wieder Vor- und Nachteile. Einerseits sehen sie nun, was alles dafür getan wurde, ihr Tier gut und sicher durch die Narkose zu geleiten – andererseits schlagen diese Leistungen natürlich auch auf der Rechnung zu Buche.
Diese Anpassungen sind jedoch sehr wichtig und es war an der Zeit, dass diese auch durchgesetzt und eingesetzt werden. Betrachtet man die Narkoseüberwachung bezogen auf Hund und Katze einmal näher, kann man feststellen, dass diese im Vergleich zur Humanmedizin auf dem Stand ist, welcher zur Zeit des zweiten Weltkrieges herrschte. Hinsichtlich darauf ist noch sehr viel Luft nach oben und diese sollte dahingehend ausgenutzt werden, dass sich weitgehendst an die Anästhesieleitlinien gehalten wird.
Dieser „neue“ Standard in der Anästhesie sollte auch im Sinne der Tierhalter sein, auch wenn er höher als zuvor bezahlt werden muss. Nur so kann eine Narkose beim Tier, welche immer, wie auch in der Humanmedizin, Risiken birgt, wesentlich sicherer durchgeführt werden. Denn natürlich verlangt eine Narkose, welche den Leitlinien entspricht, wesentlich mehr Personal und auch Zeit. Nicht nur bei den Tierbesitzern macht sich beim Blick der Rechnung ein kalter Rückenschauer breit – auch wir sind teilweise noch sehr verdutzt über die Endbeträge auf den Rechnungen für die Eingriffe und Leistungen, die wir unter Narkose durchführen. Dennoch müssen wir nun jede Tätigkeit, die wir durchgeführt haben und die in irgendeiner Art und Weise in der GOT aufgeführt wird, auch abrechnen.
Beginnen wir mit der Allgemeinen Untersuchung und der eingehenden Untersuchung einzelner Organe ihres Tieres vor der Narkose. Diese ist relevant, um eine zielgerichtete Anamnese durchführen und eine individuell auf das Tier abgestimmte Narkose einleiten zu können.
Weiter geht es mit dem peripheren Venenkatheter, der vor der Narkose gelegt und am Ende wieder entfernt wird, um eine an das Tier angepasste Narkoseeinleitung sowie -aufrechterhaltung und ein rechtzeitiges Eingreifen bei einem Narkosezwischenfall zu gewährleisten. Dieser kann nach der Leitlinie der Anästhesie nur nicht zum Einsatz kommen, wenn die Gesamtdauer der Narkose weniger als 10 Minuten Zeit in Anspruch nimmt und ein minimales operatives Risiko besteht. Selbst bei der Kastration eines Katers sollte bei einem Zwischenfall in der Narkose jedoch zügig eingegriffen werden können – wenn hier erst der Venenkatheter gelegt werden muss, ist dies kostbare Zeit, die zwischen Leben und Tod des Tieres entscheiden kann.
Ein weiterer wichtiger Schritt bei der Narkose des Tieres ist das Legen eines Endotrachealtubus. Dieser sichert im Einen den Atemweg vor eventueller Aspiration des Tieres in der Narkose und ermöglicht im Zwischenfall auch eine Beatmung. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Inhalationsnarkose, die über einen Tubus durchgeführt werden kann. Auch hier sieht die Leitlinie vor, dass bei Tieren, bei denen während des operativen Eingriffs die Gefahr durch Aspiration von Flüssigkeit besteht (z.B. bei der Zahnbehandlung oder Eingriffen in der Mundhöhle) und solchen, die von Natur aus eingeengte Atemwege vorweisen (brachyzephale Tiere), die Intubation bei der Narkose Pflicht ist!
Die Infusion per Schwerkraft oder per Infusomat eines Tieres während einer Operation und auch danach ist genau wie in der Humanmedizin sehr wichtig – sei es, um den Flüssigkeitshaushalt stabil zu halten oder einem herabsinkenden Blutdruck des Patienten entgegenzuwirken. Auch die Gabe von Medikamenten über eine laufende Infusion ermöglicht ein schnelles, korrigierendes Eingreifen während der Narkose.
Das Monitoring, entweder mit bis zu zwei Parametern oder mit mehr als zwei Parametern sollte heutzutage in der Tiermedizin genauso unabkömmlich sein wie in der Humanmedizin. Eine gut überwachte Narkose definiert sich nicht nur über eine fachlich geschulte tiermedizinische Fachangestellte, sondern auch zusätzlich über ein Monitoring, welches viel schneller und präziser kleinste Veränderungen der Atmung oder des Blutdruckes anzeigt. Fast alle Anästhetika bewirken eine unumgängliche Atemdepression. Mit diesem Hintergrundwissen sollte deshalb keinesfalls auf die Pulsoximetrie verzichtet werden, welche nicht nur die arterielle Sauerstoffsättigung, sondern auch die Pulsfrequenz und -rhytmus anzeigt und überwacht. Laut Studien konnte bei vorerkrankten Katzen das Sterberisiko während eines operativen Eingriffs mithilfe des Einsatzes von Pulsoximetrie um bis zu 50 % gesenkt werden.
Wenn dies nun insgesamt betrachtet wird, sollte man feststellen, dass allein die Narkose, ohne auch nur einen operativen Eingriff durchzuführen, beachtliche Arbeit bereitet, die wir zum Wohl des Tieres sehr gern leisten. Weiterhin sollte es auch Aufschluss darüber geben, dass sich Tierhalter, welche nach dem billigsten Angebot für den Eingriff ihres Tieres suchen, auch nach dem Angebot suchen, in dem kaum leitliniengerechte Narkose durchgeführt und beherzigt wird. Wie Anfangs erwähnt, obliegt die Entscheidung nach dem preiswertesten Tierarzt weiterhin dem Tierhalter. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass das Einhalten der Narkoserichtlinien von 3 Faktoren abhängt – Personal, Wissen und Technik auf aktuellem Stand – und diese kosten alle Geld.
Abschließend kann gesagt werden, dass sich bei dem Punkt Narkose die Aspekte „gut“ und „billig“ gegenseitig ausschließen.