Stadtbücherei-Leiterin Hildegard Häfele (links) und Barbara Bišický-Ehrlich
Mit der Frankfurter Autorin Barbara Bišický-Ehrlich hatte Stadtbücherei-Leiterin Hildegard Häfele Mitte April eine ganz besondere Lesung in das Programm des Bücherfrühlings aufgenommen.
Die Stadtbücherei-Leiterin erklärte gleich zu Anfang ihre Motivation für die Buch-Auswahl: Gehe es in Diskussionen um jüdische Kultur, Traditionen und was denn „jüdisch sein“ in unserer Gesellschaft heute bedeute, habe sie auch bei sich selbst Nachholbedarf und den „Wunsch nach Defizitausgleich“ erkannt. Diesen schaffe man mühelos in amüsanter, wie auch nachhaltiger Weise mit den Büchern von Barbara Bišický-Ehrlich.
1974 als Kind tschechischer Emigranten in Frankfurt am Main aufgewachsen, studierte Barbara Bišický-Ehrlich Theaterregie und Dramaturgie und ist heute als selbständige Werbe- und Synchronsprecherin tätig. Mit „Sag mir, dass es dir gut geht“ hatte sie 2018 ihr Debüt, mit dem sie die Geschichte ihrer Eltern und beider Großelternpaare als Überlebende von Dachau aufarbeitete.
Mit ihrem Werk „Der Rabbiner ohne Schuh“ griff die Autorin in leichtem, aber auch klarem Bekenntnis zu ihrer Wurzel Begebenheiten aus ihrem eigenen jüdischen Leben auf. Da wurde vom ganz „normalen“ Alltag einer jüdischen Familie in Deutschland erzählt, man begegnete aber auch dem besten Frisör der Welt in der Altstadt Jerusalems, seines Zeichens Araber und Muslim. Es wurde einem bewusst, wie eng die familiären Bande in einer jüdischen Großfamilie sind, und man wurde gleichsam auf das Zeremoniell einer Scheidung mitgenommen.
Die Zuhörer erfuhren auch, dass der Kühlschrank immer voll sein muss und wie Karel Gott auf der Hochzeit neben Klezmer und traditionellen musikalischen Weisen halt doch den „Biene Maja-Song“ darbieten musste – und dass der Rabbi ungeniert seine Schuh auszog, ungeachtet der unvermeidlichen Gerüche, die er damit verbreitete.
Das Humorvolle
Die Lesung der „Kuriositäten aus ihrem fast koscheren Leben“, wie es auf dem Bucheinband verheißend steht, war dank des temperamentvollen Vortrags von Barbara Bišický-Ehrlich sehr authentisch. Mit viel Selbstironie und Humor vermittelte sie dem Zuhörer ihre mehrere Jahrtausendalte Kultur und unterstrich die lebensbejahende Religion, die sie – eigentlich weniger religiös aufgewachsen – als Erwachsene und mit ihren drei Kindern absolut froh und im positiven Zugang aufrechterhält. Während der Lesung ließ die Autorin auch immer wieder Zwischenfragen zu. Es wurde somit nicht nur das Interesse der Literaturfreunde, sondern auch der Nerv der Zeit getroffen.
Das Nachdenkliche
Es wurde an diesem Abend bei der Lesung viel gelacht, die Atmosphäre war unterhaltsam, doch war für alle spürbar: Das Schwere, Kritische und Nachdenkliche läuft immer mit! In einer Zeit, da judenfeindliche Aktionen oder auch antisemitisches Vokabular im Alltag vielfach mit erstaunlicher Toleranz genauso akzeptiert werden wie auch mit Verharmlosung – wie es in der Zuhörerschaft später bei der Diskussion geäußert wurde –, musste dieses Thema auch angesprochen werden.
Aus dem Plenum kamen dazu deutliche Nachfragen, ob Barbara Bišický-Ehrlich denn selbst Diskriminierung erfahren habe oder allgemein Rassismus respektive Antisemitismus in unserer Gesellschaft erkennen würde. Dies bejahte die Autorin genauso wie ihr Bekenntnis zum Land Israel: „Wenn es dieses Land nicht gäbe, hätten wir Diaspora-Juden noch viel mehr Probleme.“ Gleichsam betonte sie, dass es sich wunderbar fühle als Deutsche in dieser Demokratie. Und sie erinnerte an die Haltung ihrer Großmutter, die nie Groll gehegt, sondern immer den einzelnen Menschen gesehen habe.